Im historischen Händlerwagen übernachten

Landscheid · Viele Wanderer mögen es kostengünstig und rustikal. In Landscheid bietet sich ihnen im August und September eine neue Übernachtungsmöglichkeit, die darüber hinaus noch historisches Flair und Tradition mitbringt: Schlafen in einem Händlerwagen aus dem Jahr 1900.

Landscheid. Eifelsteigwanderer, die bei Landscheid nicht mehr weiterwollen, haben ab August die Aussicht, in Landscheid eine ganz besondere Nacht zu verbringen. Auf Etappe 13 von Himmerod nach Bruch erleben sie Camping wie vor 200 Jahren. Übernachtet wird in blau-weiß-karierter Bettwäsche im neun Quadratmeter großen Wagen eines fahrenden Händlers. Der Holzwagen aus dem Jahr 1900 ist restauriert und beherbergt zwei Schlafstätten im Innern. Einst bot er außen Verkaufsfläche und innen Unterkunft für das Händlerehepaar und einen Knecht.
Als würde er wieder zu weiten Verkaufsfahrten aufbrechen, ist der Wagen außen mit Töpfen und Krügen behangen. Doch bislang wartete er in der ehemaligen Scheune neben dem Gemeindebüro nur mal hier mal da auf die Teilnahme an historischen Umzügen. Das wird sich dank der Nachfrage der Moseleifel Touristik nach Übernachtungsmöglichkeiten im Ort ändern.
Gemeinsam mit Landscheids Ortsbürgermeister Ewald Heck entwickelte Walter Raskop vom Gewerbeverein die Idee, den Händlerwagen auf einer Wiese unter Birnbäumen aufzustellen und mit dem frisch eröffneten Altenheim Evergreen zu kooperieren.
Frühstück im Altenheim


Dort finden die Übernachtungsgäste ein Frühstück und sanitäre Anlagen. Alles zusammen kostet 18 Euro pro Person und Nacht. Der Gewerbeverein verspricht sich davon, "den Gewerbestandort Landscheid bekannter zu machen", sagt Walter Raskop.
Die Blütezeit des fahrenden Handels war Ende des 19. Jahrhunderts. Damals zogen in Spitzenzeiten 60 Händler von Landscheid aus bis nach Ostpreußen. Von ihren Wagen aus boten sie Haushaltswaren feil. Die Tonware kauften die Händler in Bruch, Speicher und Niersbach ein. Emaillierte Utensilien kauften sie im drei Tagesreisen entfernten Ahlen in Westfalen dazu.
Zwei Pferde zogen die fünf Tonnen schweren Händlerwagen, die außen mit Eimern, Schüsseln und Töpfen behängt waren. Zwei Personen führten die Pferde, ein Dritter musste vom Wagen aus die Bremse bedienen.
Kochstelle mit Petroleum


Innen gab es Betten, eine Kochstelle mit Petroleum und eine Waschgelegenheit mit Schüssel und Krug. Es war Tradition, dass die Händler am 17. März zum Gertrudistag in Landscheid aufbrachen. Das Dorf erwartete sie am 11. November zurück. Auf den Fahrten wurde nicht selten Nachwuchs geboren. Innerhalb von 150 Jahren seien es mehr als 200 Kinder gewesen, erzählt Walter Raskop vom Gewerbeverein Landscheid. Der Gewerbeverein ließ einen solchen Händlerwagen aus dem Jahr 1900 restaurieren, teilweise noch mit originalen Metallteilen. Als museales Anschauungsobjekt parkt er in der alten Scheune des Hauses Thiesen neben dem Gemeindebüro.
Noch heute gibt es zwei fahrende Händler in Landscheid. Die Pferdewagen haben allerdings ausgedient. Die Händler ziehen mit LKW umher und preisen unterwegs wie früher ein Haushaltwarensortiment an.
Reservierungen bei der Gemeinde Landscheid unter Telefon 06575/4253.

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