Lehrer in Mettendorfer Grundschule klagen über Kopfschmerzen: Experten messen erhöhte Konzentration der Chemikalie Formaldehyd in Raumluft

Mettendorf/Bitburg · Seit über einem Jahr klagen Lehrer an der Hildegardis-Grundschule Mettendorf (VG Südeifel) vermehrt über Kopfschmerzen. Schülern und Lehrern ist vor allem ein „unangenehmer Geruch“ im Neubau aufgefallen. Von der Verbandsgemeinde Südeifel beauftragte Experten haben in der Raumluft eine überhöhte Konzentration der Chemikalie Formaldehyd nachgewiesen, die als gesundheitsschädlich gilt.

Lehrer in Mettendorfer Grundschule klagen über Kopfschmerzen: Experten messen erhöhte Konzentration der Chemikalie Formaldehyd in Raumluft
Foto: Christian Moeris

Ein Schock für Schüler, Eltern, Lehrer, die Schulleiterin und die Verbandsgemeinde Südeifel: In vier Klassenräumen der frisch sanierten und erweiterten Hildegardis-Grundschule in Mettendorf haben Experten in der Raumluft eine erhöhte Konzentration der Chemikalie Formaldehyd festgestellt. Die Chemikalie findet bei der Herstellung von Möbeln, Spanplatten, Wandfarben und Fußböden Verwendung und dünstet vermutlich aus einem Baustoff im Schulgebäude aus. Anlass für die Untersuchung der Raumluft, welche die Verbandsgemeinde Südeifel in den Sommerferien in Auftrag gegeben hat, waren nach Aussage der Schulleiterin Annette Streit "vermehrte Fälle von Kopfschmerzen", über die Lehrer der Schule in der Vergangenheit geklagt haben. Zudem sei sowohl Lehrern als auch Schülern ab dem Frühjahr dieses Jahres im Neubau ein "unangenehmer und unidentifizierbarer Geruch" aufgefallen, sagt Streit.

Über dem Schwellenwert

2012 ging der Neubau in Holzbauweise auf dem Gelände der ehemaligen Hauptschule in Betrieb. Im gleichen Jahr wurden zudem die Sanierungsarbeiten am Altbau abgeschlossen. Kostenpunkt: 3,2 Millionen Euro.
"Da die Schule neu ist, überrascht uns das Messergebnis", sagt Streit, "das haben wir nicht erwartet." Schüler hätten zwar auch hin und wieder über Kopfschmerzen geklagt, sagt Streit, doch im Gegensatz zu den Lehrern sei bei den Kindern keine Häufung festzustellen.
Streit: "Ich habe die Eltern der Schüler jetzt in einem Brief über die erhöhten Messwerte in Bezug auf Formaldehyd informiert." 140 Kinder aus zehn Ortsgemeinden der VG Südeifel werden in der Ganztagsgrundschule unterrichtet und betreut.

Wie Norbert Schneider, Beigeordneter der Verbandsgemeinde Südeifel, die Träger der Schule ist, erklärt, bestehe nach Angaben des Gesundheitsamtes des Eifelkreises jedoch "keine akute Gesundheitsgefährdung, sonst würde das Gesundheitsamt die Schüler nicht in die Schule lassen." Die gemessene Konzentration (siehe Extra) liege zwar über dem Schwellenwert, erklärt Schneider, sei aber nicht erschreckend hoch.
Das Gesundheitsamt teilt auf TV-Anfrage mit: "Nach Rücksprache mit dem Umweltbundesamt besteht aufgrund des Nachweises einer erhöhten Formaldehydkonzentration in der Raumluft keine akute gesundheitliche Gefährdung. Daher muss die Schule nicht geschlossen werden." Auch wenn keine akute Gefahr bestehen soll - die geplanten Maßnahmen zeigen, dass die gemessene Konzentration doch nicht ganz unbedenklich sein kann. "Wir lüften immer regelmäßig vor, nach und während dem Unterricht. Jetzt im Sommer sind die Fenster der Klassenräume während des Unterrichts eh durchgehend geöffnet", sagt Streit.

In einem ersten Schritt will das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung gemeinsam mit der Schulleitung nun einen Lüftungsplan zur Verbesserung der Raumluftqualität erarbeiten. Der zweite Schritt: "Wir müssen die Schadstoffquelle identifizieren und eine Sanierung einleiten", sagt Heike Linden, Pressesprecherin des Eifelkreises. Jetzt gilt es also, den Baustoff, aus dem das Formaldehyd ausdünstet, zu identifiziert. "Wir haben Schallschutzmaterialien, Spanplatten und auch den Kunstharz-Boden im Verdacht", sagt Schneider. Es seien bereits Materialproben entnommen worden und zum Labor der Bundesanstalt für Materialforschung nach Berlin geschickt worden.
Mit Ergebnissen rechnet Schneider frühestens in zwei Wochen. Schneider: "Wir werden die Quelle lokalisieren. Von der Holzbauweise bin ich aber immer noch überzeugt und denke, dass wir den Kindern damit etwas Gutes getan haben." Auch wenn es keinen akuten Verdacht gibt, soll in der kommenden Woche auch die Raumluft in der gerade eingeweihten Kindertagesstätte auf Schadstoffe untersucht werden. Träger der Kita, die neben dem Schulgebäude für 1,4 Millionen Euro gebaut wurde, ist allerdings die Ortsgemeinde Mettendorf.

EXTRA Messergebnis
Die Menschen in Mitteleuropa halten sich heute durchschnittlich 90 Prozent der Zeit in Innenräumen auf. Pro Tag atmet der Mensch etwa 10 bis 20 Kubikmeter Luft ein. Dies entspricht einer Masse von zwölf bis 24 Kilogramm Luft. Das ist weitaus mehr als die Masse an Lebensmitteln und Flüssigkeit, die eine Person täglich zu sich nimmt. Deshalb ist es wichtig, dass Vorkehrungen getroffen werden, die eine gute Luftqualität sicherstellen. Es gibt daher Vorgaben, ab welcher Konzentration ein Stoff in der Raumluft "schädlich” ist. Der vom Umweltbundesamt vorgeschlagene Richtwert für die Formaldehydkonzentration in der Innenraumluft beträgt 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.
Die Messwerte aus den Sommerferien in der Grundschule Mettendorf liegen zum Großteil über diesem Richtwert. Die Ergebnisse in Mikrogramm: Klassenraum 1A: 180; Klasse 1B: 160; Klasse 2A: 160; Klasse 2B: 170, Mensa: 140, Turnhalle: 28 Mikrogramm. Quelle: Umweltbundesamt/Gesundheitsamt des Eifelkreises

EXTRA Formaldehyd
Formaldehyd ist eine farblose Substanz, die bei Zimmertemperatur gasförmig vorliegt und einen stechenden Geruch aufweist, der noch in geringen Konzentrationen wahrgenommen wird. Die Substanz wirkt konservierend sowie desinfizierend und ist in zahlreichen Produkten des täglichen Lebens enthalten, zum Beispiel in Desinfektionsmitteln, kosmetischen Mitteln, Farben und Lacken sowie in Bauprodukten.
Formaldehyd ist gesundheitsschädlich, es reizt die Schleimhäute und kann Krebs im Nasenrachenraum auslösen, wenn es eingeatmet wird. Das ist das Ergebnis von Studien, die das Bundesinstitut für Risikobewertung der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Das Institut sieht es als hinreichend bewiesen an, dass die Substanz im Nasenrachenraum Tumore auslösen kann, wenn sie eingeatmet wird. "Die schädliche Wirkung von Formaldehyd ist konzentrationsabhängig. Bei Raumluftwerten von oder unterhalb von 124 Mikrogramm Formaldehyd pro Kubikmeter ist praktisch keine krebsauslösende Wirkung mehr zu erwarten", sagt der Präsident des Bundesinstituts, Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. "Bei wiederholter, deutlicher Überschreitung dieses Wertes können gesundheitliche Risiken bestehen." Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung

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