Mahnung an die westliche Welt

OBERKAIL. Beeindruckende Momente auf beiden Seiten: Beim Besuch von Kardinal Simonis in Oberkail zeigte sich der Erzbischof ergriffen von der Gläubigkeit der Eifeler. Denen wurde bewusst, dass sich die Zeichen der Mission gewandelt haben.

Tief beeindruckt zeigte sich Kardinal Adrianus Johannes Simonis, Erzbischof von Utrecht, von der Frömmigkeit und der andächtigen Liturgie im feierlichen Pontifikalamt in der Pfarrkirche St. Michael zu Oberkail. Insbesondere die vielen jungen Leute - Dutzende von Sternsingern wohnten der Messefeier bei, um anschließend in die Häuser der Pfarreiengemeinschaft in Oberkail, Gindorf, Gransdorf und Seinsfeld zu ziehen - hatten es dem Kirchenoberhaupt angetan. "Wenn ich gewusst hätte, dass so viele junge Leute heute hier sind, dann hätte ich eine einfachere Predigt vorbereitet. Wenn ihr aber genau zuhört, könnt ihr auch alles verstehen", kündigte der Kardinal an. Er spreche so ähnlich wie Rudi Carell und sei ein gebrochener Mann, scherzte er in Anspielung auf seine Aussprache und die Tatsache, dass er sich vor kurzem den linken Arm gebrochen hatte. Zuvor war der Kardinal unter den Klängen des Musikvereins und des Kirchenchores, begleitet von vielen Messdienern sowie den Patres James und Sebastian, Abt Bruno von Himmerod und Dechant Klaus Otten, in die voll besetzte Pfarrkirche St. Michael Oberkail eingezogen. "Ich bin sehr froh, hier zu sein. Ich kenne Pater James schon eine ganze Zeit. Er hat mich eingeladen und mir versprochen, dass zwei Priester seiner Kongregation zum Kirchendienst nach Holland kommen. Auch deshalb bin ich gerne zu ihnen nach Oberkail gekommen", begrüßte der Kardinal die Gläubigen. In seiner Predigt griff Simonis die Botschaft der Weisen aus dem Morgenland auf. "Sie werden zu Propheten und sprechen höchst aktuelle Themen an. Ein Thema könnte sein: Sie werden zu Propheten, weil in ihnen Glaube und Vernunft zusammenwirken. Sie waren glaubende Menschen, die wussten, dass sie sich auf den Weg machen mussten, um die Wahrheit zu finden." Glaube ohne Vernunft trage die Gefahr in sich, entweder in fanatische Extreme abzugleiten oder sich in subjektiver Beliebigkeit des Einzelnen in die Bedeutungslosigkeit aufzulösen, mahnte Simonis. "Vernunft ohne Glaube aber droht den Menschen in eine Zukunft zu führen, in der nur mehr das Berechenbare, das Machbare und das Bezahlbare zählt", warnte der Kardinal.Zeit für persönliche Gespräche

Nach dem Hochamt gab sich der Kardinal gesellig. Gemeinsam mit den Gläubigen versammelten sich die Menschen im Pfarrheim. Hier führten sie persönliche Gespräche mit dem Kirchenoberen. Eine Frau bat den Kardinal, doch ein Grußwort in ihr Pilgerbuch zu schreiben. "Wir im Westen sind im Allgemeinen ziemlich arrogant. Wir denken, dass wir die einzig wahre Kultur der Welt haben. Ich bin dreimal für einige Wochen in Indien gewesen. Deren Kultur ist sehr viel tiefer. Pater James und seine Mitbrüder bringen wirkliche Opfer, um hier bei uns zu sein. Ich habe große Bewunderung für diese Leute. Es ist ein Zeichen, dass es in der westlichen Welt schlimm geworden ist. Wir haben nicht mehr ausreichend Priester", bemerkte Kardinal Simonis im Gespräch mit dem TV. "Wir müssen wieder wirklich gläubig werden. Für viele im Westen ist Jesus nicht mehr als ein Herr aus Nazareth. Aber er ist der Menschensohn. Der Mensch und der Glauben müssen wieder stärker in den Mittelpunkt des Lebens gerückt werden", sagte Simonis. Die Gläubigen in der Pfarreiengemeinschaft Oberkail unterdessen fühlten sich durch den Besuch des Kardinals geehrt. "Das war ein herausragendes Ereignis unseres Glaubens. Wir haben Sie als einen überzeugenden Glaubensvermittler und wahren Nachfolger des Heiligen Willibrord erfahren dürfen", fasste Jörg Kreutz als Sprecher der Pfarrgemeinderäte zusammen. "Kommen Sie alle einmal nach Utrecht. Dann haben wir ein Vorbild, wie es sich gehört", wünschte sich der Kardinal vor seinem Abschied und gestand ganz menschlich: "Ich bin etwas eifersüchtig auf Bischof Marx ob dieser Gläubigen."

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