Mit weißen Fahnen

Die Front rückte immer näher, man hörte das Grollen der Geschütze, und in dem Wiesenthal bei Berndorf sah man von Loogh aus die Einschläge der Granaten. In unserem kleinen Dorf hatte eine Kompanie Soldaten einschließlich des Generals Quartier bezogen.

Über Tag blieb es ruhig, doch in der Nacht zum 6. März gegen 21 Uhr hörte man plötzlich um unser Haus das Einschlagen von Granaten. Unser Haus war voll von Soldaten. Da wir einen gewölbten Keller hatten, haben wir dort übernachtet. Wir schliefen, so gut es ging, auf den Kartoffeln, die dort gelagert waren. Wenn es etwas ruhiger wurde, schaute mein Vater nach draußen, um zu sehen, wie weit die Einschläge der Granaten von den Häusern entfernt waren. Meine Großmutter saß neben einem alten Kanonenofen und betete den Rosenkranz. Gegen Morgen ließ der Kanonendonner nach, und es blieb auch am Tage ruhig. Mein Vater versorgte das Vieh im Stall. Nachts ging es von neuem los. So gegen vier Uhr kam ein Soldat und sagte zu meinem Vater: "Ich darf Ihnen gratulieren. Sie haben den Krieg gewonnen." Es soll der Feldwebel gewesen sein. Zunächst konnte ich mir nicht erklären, was diese Aussage zu bedeuten hatte. Noch ehe der Morgen dämmerte, hatten die Soldaten den Rückzug angetreten in Richtung Rhein, der Abschuss der Granaten ließ nach. Unser Dorf war gerettet, kein Haus getroffen. Die Bewohner schauten sich am anderen Tag die Einschläge an, es sollen über 80 gewesen sein. Am 8. März kamen die Amerikaner mit ihren Panzern die Zeilsdorferstraße herunter gefahren. Die Dorfbewohner schwenkten mit weißen Betttüchern den fremden Soldaten entgegen. Sie fuhren bis zur Dorfmitte und schauten sich die Einschlaglöcher der Granaten an. Bei der Frage nach deutschen Soldaten winkte mein Vater ab und machte ihnen deutlich, dass sie alle abgezogen wären. Sie setzten dann ihre Fahrt fort in Richtung Niederehe. Für die Dorfbewohner wurde ab sofort eine Ausgangssperre angeordnet. Maria Prämaßing lebt in Müsch. Das Kriegsende hat sie als zwölfjähriges Mädchen erlebt.

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