Ohne zweites Standbein läuft nichts mehr

Niederüttfeld · Immer weniger Landwirte, immer größere Flächen: Kaum ein wirtschaftlicher Sektor befindet sich so im Wandel wie die Landwirtschaft. Nur noch auf eine Sparte zu setzen, genügt meist nicht mehr, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Der TV sprach mit Michael Horper, dem Vorsitzenden des Kreisbauernverbands Bitburg-Prüm, über den Strukturwandel.

 Selbst ein Landwirt mit Leidenschaft: Michael Horper, Vorsitzender des Kreisbauernverbands, glaubt trotz schwieriger Bedingungen, dass die Landwirte in der Eifel eine Zukunft haben. TV-Foto: Stefanie Glandien

Selbst ein Landwirt mit Leidenschaft: Michael Horper, Vorsitzender des Kreisbauernverbands, glaubt trotz schwieriger Bedingungen, dass die Landwirte in der Eifel eine Zukunft haben. TV-Foto: Stefanie Glandien

Niederüttfeld. Die Kühe auf den Wiesen werden immer seltener. Umso stärker fallen im Eifelkreis Bitburg-Prüm grüne ballonartige Dächer von Biogasanlagen ins Auge. Dies ist nur ein sichtbares Zeichen für den Strukturwandel in der Landwirtschaft.
Oft reicht es nicht mehr, nur noch Rinder oder Schweine zu halten, immer häufiger setzen die Landwirte auf mehrere Standbeine. Über die Veränderungen in der Landwirtschaft sprachen wir mit Michael Horper, dem Vorsitzenden des Kreisbauernverbands Bitburg-Prüm.
1991 gab es laut Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Eifel (DLR) noch 3801 landwirtschaftliche Betriebe im Eifelkreis. 2001 waren es schon nur noch 2338 Höfe. Aktuell sind es 1500 Neben- und Haupterwerbsbetriebe. "Wir verlieren jedes Jahr zwei bis drei Prozent der Höfe", sagt Horper. "In zehn Jahren werden es nur noch halb so viele sein", schätzt er.
Grund ist der Mangel an Nachfolgern. Dazu kommt, dass in wirtschaftlich guten Zeiten Landwirte eher riskieren, ihren Hof aufzugeben, weil es einfacher ist, einen anderen Beruf zu ergreifen. Die Folge ist, dass es weniger von ihnen gibt, die aber immer größere Flächen beackern, und die Zahl der Tiere kontinuierlich zunimmt.
Hat ein Bauer in den 1980er Jahren noch durchschnittlich 50 Hektar Acker bearbeitet, sind es heute 100 bis 200 Hektar große Felder, sagt Horper.
Trotz der großen Flächen wird die Mehrheit der Betriebe von Familien geführt. Es gibt auch schon Kooperationen zwischen Landwirten. Zunehmend macht der Mann die Landwirtschaft, und die Frau übt einen anderen Beruf aus. Außerdem setzen viele auf ein zweites Standbein. Da werden Ferienwohnungen angeboten, wird Biogas produziert, Schnaps gebrannt oder Lohnarbeit angeboten. "Die Bauern werden immer vielseitiger", beobachtet Horper. In der Vergangenheit hatten es die Landwirte nicht leicht. Nicht nur der schlechte Milchpreis machte ihnen zu schaffen, auch hohe Auflagen und Tierseuchen machten den Bauern das Leben schwer. "Im Bitburger Land hatten wir immer eine hohe Anzahl von Schweinehaltern, doch deren Anzahl geht weiter zurück", sagt Horper, dem die Entwicklung Sorgen bereitet.
Ob Schweinepest oder Futtermittelskandal - immer wieder gab es schlechte Presse für die Landwirte. Und damit einher gingen sinkende Preise. Auch die Verbraucher sind nicht ganz unschuldig an der Misere. "Die Menschen möchten hochwertiges Fleisch für immer weniger Geld, und die Tiere sollen möglichst nicht geschlachtet werden - das kann nicht funktionieren", sagt der Eifeler.
Qualität hat ihren Preis: "Landwirtschaft ist ein komplexes Geschehen, die Produkte werden hochwertig produziert und aufwendig kontrolliert." Doch sobald wieder ein Lebensmittelskandal aufgedeckt wird, "glaubt der Verbraucher, er wird von unserem Berufsstand vergiftet - das macht uns zu schaffen."
In den nächsten Jahren wird sich die Landwirtschaft weiter wandeln. Horper prognostiziert: "Die Betriebe werden weiter wachsen. Wir werden noch viel weniger sein, denn uns fehlen die Menschen auf den Höfen. Wir müssen viel mehr zusammenarbeiten. Die Automatisierung wird voranschreiten. Doch ich bin sicher, dass die Betriebe die Herausforderung stemmen werden." Die Bauern werden in eine globale Wirtschaft entlassen und müssten noch mehr Unternehmer sein als bisher.
Entscheidend für die Zukunft der Milchbauern ist auch der Milchpreis, der aktuell noch bei 31 Cent liegt. Die Fusion mit dem schwedisch-dänischen Molkerei-Konzern Arla sieht Horper positiv: "Wir Landwirte müssen für die Zukunft gewappnet sein. So wurde aus den kleinen Eifel-Molkereigenossenschaften in Üttfeld, Schönecken und Bleialf einst die Milchunion Hocheifel. Und die gehört seit dem 1. Oktober zum Arla-Konzern. Nur wer fähig ist zur Veränderung, kann die Zukunft meistern, mit allen positiven wie negativen Begleiterscheinungen."
Extra

Michael Horper (55 Jahre) aus Niederüttfeld (Verbandsgemeinde Arzfeld) ist seit 1999 Vorsitzender des Kreisbauernverbands Bitburg-Prüm. Er vertritt die Interessen von rund 2500 Mitgliedern. Zusammen mit seiner Frau und der Familie seines Sohnes bewirtschaftet er rund 200 Hektar Land und hält 60 Milchkühe. Außerdem betreibt er eine Biogasanlage und hat zusammen mit einer anderen Familie ein Lohnunternehmen für sämtliche anfallenden Bodenarbeiten in der Landwirtschaft. sn

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