Stadtentwicklung Aus dem Archiv: Rewe will umziehen, Kaufland nicht

Bitburg · Die Stadt wollte Lebensmittelmärkte auf der grünen Wiese verbieten. Doch der Bauausschuss ist dagegen. Rewe will aber raus aus der alten Immobilie am Stadtrand. Und Kaufland will dort nicht rein. Könnte also alles passen – tut es aber nicht.

 Es gibt einen Rewe-Markt in der Mötscher Straße und einen in der Saarstraße, der gerne Richtung Innenstadt ziehen würde, wenn er dürfte.

Es gibt einen Rewe-Markt in der Mötscher Straße und einen in der Saarstraße, der gerne Richtung Innenstadt ziehen würde, wenn er dürfte.

Foto: Oliver Berg

In der Frage, wo Lebensmittelmärkte hingehören, war man sich in Bitburg immer einig. Dann kam es anders. Zumindest im Bauausschuss. Der sollte den Bebauungsplan „Südliche Saarstraße“ beschließen. Herzstück des Plans: Die Stadt will verhindern, dass sich im alten Rewe-Center am Stadtrand noch mal ein solcher Markt ansiedeln darf.

Der Grund: Supermärkte bringen viel Kundschaft und gehören deshalb – so steht es im Stadtentwicklungskonzept – möglichst mittenrein, nahe an die Wohngebiete – und nicht auf die grüne Wiese. Da kam es doch gerade recht, dass Rewe aus der alten Immobilie raus will und die Beda Invest GmbH und Co KG an der Ecke Saarstraße/Industriestraße einen Neubau plant, in den Rewe dann einziehen möchte. Doch der Bauausschuss hat auf der Zielgeraden eine Vollbremsung hingelegt und nach drei Jahren des Planens mehrheitlich gegen den Bebauungsplan „Südliche Saarstraße“ gestimmt (der TV berichtete), der indirekt mit der Entwicklung des Grundstücks Mitte der Saarstraße zusammenhängt.

Über das Ganze sollte heute eigentlich abschließend der Stadtrat entscheiden. Es ging um die Frage, ob der Bebauungsplan Rechtskraft erlangt. Das nämlich würde bedeuten, dass sobald die Besitzer der Alt­immobilie am Südende der Saarstraßen um-, an- oder neubauen wollen, der Bestandsschutz verfällt. Ab dann wäre dort dann Schluss mit Lebensmitteln. Die Grundstückseigentümer, die Trierer GIB, könnte dann beispielsweise noch einen Baumarkt, eine Zoohandlung oder ein Möbelhaus ansiedeln. Aber eben nichts mehr, was als innenstadtrelevantes Sortiment gilt.

Genau so war das seit 2015 von den städtischen Gremien gewünscht. Doch nach der Kehrtwende im Bauausschuss wurde das Thema für heute kurzerhand wieder von der Tagesordnung des Stadtrats abgesetzt. Die Verwaltung will zunächst „den Rat über die Tragweite des Beschlusses informieren“, wie Berthold Steffes, Leiter des Bauamts, erklärt. Dabei wird es hinter verschlossenen Türen vor allem um rechtliche Fragen gehen.

Öffentlich war im Bauausschuss eine Debatte darüber entbrannt, ob „300 Meter mehr oder weniger“, wie die Grünen postulierten, in Sachen Innenstadt-Förderung überhaupt einen Unterschied machen. Auch in den Reihen von Liste Streit, FBL und SPD wurde die Sinnhaftigkeit der bisherigen Marschrichtung angezweifelt. Lediglich CDU und FDP hielten am erklärten Ziel von einst fest – waren aber mit sieben gegen neun Stimmen in der Unterzahl.

Alles andere als erfreut haben die Projektentwickler von der Beda Invest das aufgenommen. „Es geht hier nicht um 300 Meter, sondern um knapp 600“, sagt Stefan Kutscheid. Und für ältere Menschen würden 600 Meter sehr wohl einen Unterschied machen: „Das kann entscheidend dafür sein, ob ein Markt noch mit Rollator für einen kleineren Einkauf erreichbar ist oder eben nicht.“ Zusammen mit seinem Partner Christian Schenk plant Kutscheid den Neubau, in den Rewe einziehen will.

„Wir haben einen Vertrag“, sagt Schenk. Der Baubeginn ist für 2020 geplant. Rewe will kommendes Jahr ausziehen. Für die Übergangszeit ließe sich eine Lösung finden, ist Schenk überzeugt. Aber noch ist offen, ob es überhaupt in absehbarer Zeit zu einem Standortwechsel kommt.

Denn Supermärkte dürfen nicht beliebig aus dem Boden sprießen. Es gibt Vorgaben, wie viel Verkaufsfläche eine Stadt verträgt. „Eine raumordnerische Prüfung hat ergeben, dass eine Verlagerung problemlos möglich ist“, sagt Schenk. Aber für eine Verlagerung bräuchte es eben auch einen Beschluss, dass dafür an anderer Stelle – der südlichen Saarstraße – kein neuer Lebensmittelmarkt entsteht. Diese Möglichkeit wollen sich aber die Grundstückseigentümer von der GIB erhalten – auch wenn es bislang keinen Lebensmittelkonzern gibt, der dort gerne hin möchte.

Anders, als es eine Formulierung in der Beschlussvorlage des Bauausschusses nahe legte, hat Kaufland kein Interesse, ans Südende der Saarstraße zu ziehen. Dort stand: „Für den Planbereich liegt eine Bauvoranfrage für die Neuerrichtung eines großflächigen Kaufland Verbrauchermarktes vor.“ Die Verkaufsflächen, eine Mall und Platz für kleinteiligeren Einzelhandel wurden sogar konkret in Quadratmetern beziffert.

Warum also nicht Kaufland statt Rewe, fragten sich folglich etliche Mitglieder im Bauausschuss. Für Kunden von auswärts sei der Standort am Rande der Stadt doch ideal, argumentierten Vertreter der SPD. Offen blieb dabei die Frage, ob Kaufland seinen heutigen Standort in der Kölner Straße, also mitten in der Kernstadt, angesichts dieser Pläne aufgeben will.

Genau diese Frage hat der TV dem Konzern gestellt und wollte zudem auch wissen, wie konkret die Pläne für einen Neubau in der Saarstraße seien. Die Antwort: „Wir planen eine umfangreiche Modernisierung unserer bestehenden Filiale in Bitburg.“ Also jene in der Kölner Straße. „Weitere Aussagen“ könne man „zum momentanen Zeitpunkt“ nicht machen. Deutlicher wird der Konzern in einer Mail an die Stadtverwaltung, die dem TV vorliegt: „Wir haben nicht vor, im südlichen Bereich von Bitburg einen (weiteren) Standort zu eröffnen. Dies war lediglich eine Überlegung in der Vergangenheit, die nicht weiter verfolgt wird.“

Wie kommt es dann zu der Formulierung in der Vorlage? Bauamtsleiter Berthold Steffes erklärt, dass es eine Bauvoranfrage der Grundstückseigentümer gab, also von der GIB – nicht von Kaufland. „Rechtlich macht das keinen Unterschied, wer eine solche Bauvoranfrage stellt. Und bei den Formulierungen haben wir uns von Juristen beraten lassen.“ Tatsächlich steht in der Vorlage ja auch nicht, dass Kaufland diese Bauvoranfrage gestellt hat, sondern nur, dass es eine gibt. Also alles korrekt. Aber missverständlich. Vielleicht war es genau dieses Missverständnis, das zu der Kehrtwende im Bauausschuss geführt hat. Und nun?

Der Stadtrat soll Mitte Oktober über den Bebauungsplan „Südliche Saarstraße“ entscheiden. Und für die Beda Invest bleibt die Aussicht, dass es inzwischen neue Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung gibt, nach denen Bitburg mehr Kaufkraft hat, als bisher verbucht (der TV berichtete). Vor dem Hintergrund könnten die Projektentwickler versuchen, ihr „Rewe-Projekt“ unabhängig davon genehmigt zu bekommen, ob es am Südende der Saarstraße künftig noch Lebensmittel geben soll oder nicht.

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