Ehrenamt Ein Date mit dem Bundespräsidenten

Bitburg/Berlin · Sharif Mirzaee lebt seit zwei Jahren in Deutschland und engagiert sich ehrenamtlich: Er dolmetscht und hilft beim DRK Bitburg-Prüm. Zum Dank dafür wurde er ins Schloss Bellevue eingeladen – vielleicht als einziger Geflüchteter.

 Sharif Mirzaee vor dem Mehrgenerationshaus in Bitburg: Weil er sich hier ehrenamtlich betätigt, hat ihn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Bürgerfest nach Berlin eingeladen.

Sharif Mirzaee vor dem Mehrgenerationshaus in Bitburg: Weil er sich hier ehrenamtlich betätigt, hat ihn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Bürgerfest nach Berlin eingeladen.

Foto: TV/Nathalie Hartl

Unweit von Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor entfernt liegt der Amtssitz des Bundespräsidenten: Schloss Bellevue. Sharif Mirzaee hätte vor zwei Jahren vermutlich nicht gedacht, dass er einmal durch die üppige Grünanlage an der Spree spazieren würde, um anschließend mit Frank-Walter Steinmeier für ein Selfie zu posieren. Denn damals befand er sich in einem Flüchtlingscamp in Hermeskeil statt bei einem Festakt in der Hauptstadt. 4000 Ehrenamtliche hat der Bundespräsident zum Bürgerfest in der Berliner Schloss-Anlage eingeladen, darunter auch Mirzaee. „Vielleicht war ich der einzige Flüchtling“, sagt er. Obwohl die meisten Gäste wesentlich älter als der 26-Jährige sind, fühlt er sich sofort wohl: „Ich hatte einfach das Gefühl, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden.“ Eine Empfindung, die für den Mann, der als Kind von afghanischen Eltern in Teheran aufwuchs, neu ist. „Wir waren immer Menschen zweiter Klasse“, erzählt er. Weder Autofahren noch Studieren seien ihm und den anderen Menschen afghanischer Herkunft erlaubt gewesen. Warum? „Weil wir kein iranisches Blut haben.“ Und nicht nur das: Mirzaee sollte für seinen Erfolg als Computertechniker bestraft werden. „Afghanen dürfen im Iran nicht in technischen Berufen arbeiten.“ Was in seiner Heimat verboten war, ist in der Eifel, wo er eine Ausbildung zum Industriemechaniker macht, erlaubt.

Wenn Mirzaee nicht lernt, hilft er anderen, indem er sich ehrenamtlich beim Kreisverband Bitburg-Prüm des Deutschen Roten Kreuzes einbringt. Er beteiligt sich zum Beispiel bei einem Gartenprojekt, beim Café Miteinander (der TV berichtete) und ist als Dolmetscher aktiv. „Es sind oft Kleinigkeiten, die den Menschen Schwierigkeiten bereiten“, erzählt er. „Wenn Familien mit Kindern einen Brief von der Schule bekommen und diesen nicht verstehen, helfe ich ihnen dabei.“ Er übersetzt dann vom Deutschen ins Persische. „Hin und wieder haben die Leute auch Probleme mit dem Sozialamt oder Ärger wegen des Mülls.“ Denn in Teheran, wo Mirzaee herkommt, gibt es weder den gelben Sack noch die Biotonne. „Wir werfen alles zusammen und stellen es dann auf die Straße.“ In der iranischen Hauptstadt komme die Müllabfuhr dann jeden Abend.  Viele Dinge, die in Deutschland anders laufen, bringt Mirzaee anderen Afghanen in ihrer Muttersprache näher: Welche Rechte haben die Menschen, welche Pflichten? Wie kann man mit einem Anwalt sprechen? Und darf man eigentlich Musik und Videos einfach so aus dem Internet herunterladen?

Während seiner zwei Jahre Aufenthalt hat Mirzaee nicht nur Deutsch gelernt, sondern sich auch über Gesetze und die Gesellschaft informiert. „Ich interessiere mich für unglaublich viele Dinge, zum Beispiel Technik, Kultur, Philosophie oder Religion.“ Auf seinem Handy ist eine Koran-App direkt neben einer Bibel-App zu finden. Dass er sein Wissen mit anderen Geflüchteten teilt und sie mit seinen Sprachkenntnissen unterstützt, hat ihm den besonderen Ausflug nach Berlin beschert. „Es war für mich so etwas wie eine Zeitreise, weil mich diese riesige Stadt an Teheran erinnert hat.“ Auch das Bürgerfest hätte er nicht so groß erwartet. „Es war spannend, mit Menschen von verschiedenen Organisationen wie Unicef oder der Caritas zu sprechen.“ Obwohl er es gut findet, dass Bundespräsident Steinmeier das Ehrenamt in Deutschland mit einer Feier würdigt, übt er auch Kritik an der Veranstaltung: „Das hat sicher viel Steuergeld gekostet.“ Besser wäre es gewesen, die finanziellen Mittel für etwas zu nutzen, von dem die Allgemeinheit etwas hat. „Vielleicht hätte man eine Straße sanieren oder einen Sportplatz bauen können.“

Nach dem kurzen Ausflug in die Hauptstadt ist Mirzaee wieder nach Neuerburg zurückgekehrt. Die Reise und sein kurzes Aufeinandertreffen mit Steinmeier werden ihm aber sicher noch lange im Gedächtnis bleiben.

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