Interview Untreue bei der Kreisverwaltung: Anwalt kontert Landrat

Bitburg-Prüm · So schwer war es gar nicht beim Jugendamt 1,5 Millionen zu veruntreuen. Das behauptet jedenfalls der Verteidiger des Beschuldigten. Die Kreisverwaltung versuche seinen Mandanten nur als „hochkriminell“ darzustellen, um von Kontrollmängeln abzulenken.

 Rechtsanwalt Wolfgang Simon will da mal was klarstellen: so schwierig sei es gar nicht, die Kreisverwaltung um Geld zu bringen.

Rechtsanwalt Wolfgang Simon will da mal was klarstellen: so schwierig sei es gar nicht, die Kreisverwaltung um Geld zu bringen.

Foto: TV/Christian Altmayer

Normalerweise spricht Wolfgang Simon nicht öffentlich über laufende Verfahren. Doch diesmal habe der Rechtsanwalt nicht schweigen können, sagt er. Hunderte Fälle landen jährlich in seiner Bitburger Kanzlei. Eine aktuelle Strafsache ist brisant. Denn Simon verteidigt jenen Mitarbeiter der Eifeler Kreisverwaltung, der eingeräumt hatte, 1,54 Millionen Euro veruntreut zu haben.

Der Skandal hat ein mediales Echo hervorgerufen. Dabei ging die Kreisverwaltung aus eigenem Impuls an die Öffentlichkeit. Und Simon gefällt nicht, wie die Behörde den Beschuldigten darstellt. Seit Wochen fahre Landrat Joachim Streit etwas, was der Rechtsanwalt als „Kampagne gegen seinen Mandanten“ bezeichnet. Es werde versucht, den Mann als findigen Kriminellen darzustellen, der das System ausgetrickst habe. Doch so gut sei die Verwaltung nicht geschützt gewesen. Vielmehr habe es an wirksamen Kontrollen gefehlt, behauptet Simon im TV-Gespräch:

Herr Simon, ihr Mandant hat die Veruntreuung gestanden. Es besteht also kaum Zweifel an seiner Schuld. Sie sagen aber die Kreisverwaltung vorverurteile ihn. Inwiefern?

WOLFGANG SIMON: Mein Mandant ist kein Unschuldslamm. So will ich ihn auch nicht darstellen. Aber Landrat Streit präsentiert sich in der Öffentlichkeit als Richter und Ankläger in einer Person. Er fordert für seinen ehemaligen Mitarbeiter eine harte Strafe, obwohl die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Trier noch gar nicht abgeschlossen sind und der Beschuldigte bis zu einem rechtskräftigen Urteil als unschuldig gilt. Er greift aber auch den Ermittlungen vor, präsentiert vermeintliche Fakten, die nicht mal der Staatsanwaltschaft bekannt sind.

Die da wären?

SIMON: Zum Beispiel hat die Kreisverwaltung in einer Pressemitteilung die Stieftochter des Beschuldigten ins Spiel gebracht, weil das Geld auf ihr Konto ging. So wird auch die Familie des Beschuldigten in die Sache hineingezogen. Und die hat nach aktuellem Ermittlungsstand nichts mit der Sache zu tun. Außerdem hat die Verwaltung Ergebnisse von internen Ermittlungen präsentiert, die der Staatsanwaltschaft nicht vorliegen. Man spricht meinen Mandanten schuldig, bevor ein Gericht darüber befunden hat.

Diese Öffentlichkeitsarbeit finde ich unerträglich. Den Angehörigen setzt der Fall ohnehin zu. Freunde, Bekannte, Verwandte, alle stellen Fragen. Der Familienvater sitzt in Untersuchungshaft. Und dann legt die Verwaltung diese Hyperaktivität an den Tag, veröffentlicht ständig Pressemitteilungen und macht Stimmung.

Aber ist es nicht verständlich, dass die Verwaltung ihre Bürger über den Stand der Dinge informieren will?

SIMON: Durch die Öffentlichkeitsarbeit des Kreises ist ja gar keine Transparenz geschaffen worden – im Gegenteil. Man hat versucht den Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Immer wieder lesen wir etwas von „hoher krimineller Energie“. Davon kann aber bei meinem Mandanten nicht die Rede sein. Um in der Verwaltung Geld zu veruntreuen, muss man nämlich kein Genie sein. Und davon will die Behörde ablenken.

Sie glauben also, dass es einfach war, das System auszutricksen?

SIMON: Ich glaube, dass es kein richtiges Kontrollsystem gab. So wie mein Mandant mir die Sache erklärt hat, waren drei Mausklicks notwendig, um das Geld abzuzweigen. Er musste einen Namen, einen Betrag und eine Bankverbindung eingeben und auf die Sammelanordnung schreiben. Die wurden dann einfach unterschrieben und bewilligt.

Es gab eine Vier-Augen-Kontrolle.

SIMON: Dass es so gut wie gar keine Kontrolle gab, ist für mich offenkundig, wenn man die Höhe der veruntreuten Summe und die Zeit bedenkt die es gebraucht hat, die Straftat zu entdecken.

Sie sagen also, dass die Mitarbeiter der Verwaltung mitverantwortlich dafür sind, dass die Veruntreuung passieren konnte?

SIMON: Ich will niemanden beschuldigen. Aber Sie können keinem, der bis drei zählen kann, erklären, dass so etwas zwölfeinhalb Jahre nicht auffällt. Mein Mandant war selbst überrascht, als er das erste Mal mit der Masche durchkam. Dann wurde die Sache zum Selbstläufer. Und sie wäre weitergelaufen, hätte die Sparkasse sie nicht aufgedeckt.

Der Landrat sagt, die Kassensoftware hätte einen blinden Fleck und die Vorgesetzten hätten die Listen niemals in Gänze überprüfen können...

SIMON: Es ist unglaubwürdig, dass die Verwaltung alles Menschenmögliche getan hat. Zu jeder bewilligten Leistung gibt es einen Vorgang. Derjenige, der Hilfsleistungen braucht, muss einen Antrag stellen, der geprüft wird. Für alle Altfälle, die mein Mandant sozusagen wiederbelebt hat, gab es aber keine Akten. Wenn eine Prüfung erfolgt wäre, wäre das mit Sicherheit erkannt worden. Es gab noch andere Anhaltspunkte. Fällt es nicht auf, dass eine Abteilung hunderttausend Euro im Jahr mehr ausgibt?  Oder, dass ein Sachbearbeiter statt 150 auf einmal 160 Fälle bearbeitet? Wenn das niemand merkt, wird jeder Tante-Emma-Laden besser kontrolliert als die Verwaltung.

Davon will der Landrat ablenken?

SIMON: Er will Versäumnisse kaschieren und meinen Mandanten als Kriminellen präsentieren, der gar nicht hätte geschnappt werden können. Aber nicht das System war meiner Ansicht nach Schuld, sondern Streits Verwaltung, die nicht wach war.

Als Verteidiger des Beschuldigten haben Sie natürlich ein Interesse daran, dass bei ihm von geringer krimineller Energie ausgegangen wird. Das könnte sich ja auf die Strafe auswirken.

SIMON: Ich habe ein Interesse daran, die Sache so darzustellen, wie sie ist. Ich will die Taten meines Mandanten nicht rechtfertigen. Er wird sich einem Strafverfahren stellen. Aber eine Mitverantwortung kann die Verwaltung nicht von sich weisen. Am Ende wird darüber ein Gericht entscheiden, und niemand sonst.

Gibt es denn schon einen Termin für eine Verhandlung? Wie lange wird es noch dauern?

SIMON: Wenn ich spekulieren muss, würde ich sagen, dass die Staatsanwaltschaft vielleicht in zwei Monaten Anklage erheben kann. Bis es einen Prozess gibt, wird es sicher bis nächstes Jahr dauern.

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