21-Jähriger verurteilt Urteil: Es war kein Frust, sondern sexuelle Nötigung

Bitburg · Ein 21-jähriger Syrer, der in Bitburg lebt, wird vor dem Amtsgericht verurteilt. Bis zuletzt bleibt er bei seiner Version, doch stimmt sie?

Urteil: Es war kein Frust, sondern sexuelle Nötigung
Foto: dpa/Britta Pedersen

Die zwei Versionen der Geschichte, die sich im vergangenen November in Bitburg zwischen zwei jungen Erwachsenen abgespielt hat, könnten unterschiedlicher nicht sein. Fest steht bei Prozessbeginn vor dem Amtsgericht Bitburg eigentlich nur, dass die mutmaßliche Geschädigte sich freiwillig in das Haus des Angeklagten begeben hat. Zwischen den Meinungen, was nach dem Betreten des Hauses geschehen ist, liegen Welten. War es sexuelle Nötigung oder nur Frust nach einer Abweisung?

Die Version der Geschädigten

Die Anklageschrift und die Aussage der heute 20-jährigen Geschädigten klingen wie aus einem Krimi. Sie habe sich vor einiger Zeit mit den zwei syrischen Flüchtlingen angefreundet und sie bereits vor einiger Zeit in ihrer ehemaligen Wohnung in der Eifel besucht. Über die sozialen Netzwerke WhatsApp, Facebook und Snapchat habe sie zunächst nur mit dem Cousin und später dann auch mit dem Angeklagten gechattet. Da dieser kein Wort deutsch spricht, habe der Cousin beim Übersetzen geholfen – so auch an diesem Tag im November. Ohne Hintergedanken habe sie sich in das Haus zu den beiden begeben. Zunächst seien sie zu viert gewesen, dann nur noch sie und der Angeklagte.

Auf seiner Couch habe er sofort angefangen, sie am Hals zu küssen und ihr einen Knutschfleck verpasst. „Ich habe mehrmals gesagt, dass er aufhören soll“, sagt die 20-Jährige. Doch das habe er nicht getan. Im Gegenteil. Zunächst habe er sie an der Brust berührt, später habe er ihr die Hose hinunter gezogen und sie im Intimberech berührt. Er habe sie festgehalten und ihr blaue Flecken zugefügt. Nach einiger Zeit habe sie sich losreißen können und sei geflüchtet, er habe ihr beim Hinausgehen noch einen Klaps auf den Hintern gegeben. Sie sei gut davongekommen: „Es hätte mehr passieren können als dieses bisschen“, sagt sie. Ist er ein Sexualstraftäter und sie das Opfer?

Die Version des Angeklagten

Sie habe Sex mit ihm gewollt, er jedoch nicht. Diese Quintessenz lässt sich aus der Version des Angeklagten ziehen. Bei der Art des Kennenlernens sind die beiden noch einer Meinung, diese driften dann jedoch auseinander. Die Geschädigte sei leicht zu haben und hätte schon mit vielen seiner Kollegen geschlafen. Nun sei er an der Reihe gewesen, doch nicht weil sie Interesse an ihm gehabt habe: „Vielleicht wollte sie meinen Cousin eifersüchtig machen“, lässt er sich von seinem Dolmetscher übersetzen. Sie habe einen Tag vor dem Zwischenfall betrunken vor seiner Tür gestanden und mit ihm schlafen wollen. Er habe abgelehnt und gesagt, sie solle am nächsten Tag zum Reden vorbeikommen. Außerdem habe sie ihm Nacktfotos geschickt und ihm in einem Videoanruf ihre Brüste gezeigt. Kurz gesagt, sei sie nur auf Geschlechtsverkehr aus gewesen. Als sie eine Diskussion mit seinem Cousin gehabt habe, habe dieser sie rausgeworfen. Das wars. Ist sie nur ein frustriertes Mädchen, das mit der Ablehnung nicht klarkommt?

Der Prozess

Ohne Überraschungen werden Zeugen beider Seiten gehört. Die Pflegemutter und -schwester der Geschädigten berichten von den blauen Flecken, dem Knutschfleck und der Wesensveränderung der 20-Jährigen. „Sie war schon immer zurückhaltend, aber seitdem noch mehr“, sagt die 72-jährige Pflegemutter. Am Tag nach der Tat habe sie sich den beiden anvertraut, auf Anraten des Jugendamtes Anzeige erstattet. Beide sind fest davon überzeugt, dass diese Version der Geschichte stimmt. Der Cousin des Angeklagten springt diesem zur Seite: „Alle haben schon mit ihr geschlafen“, sagt er. Auf Nachfrage nennt er zwei „Fantasienamen“, wie es Richter Udo May später nennen wird. Seine Aussage deckt sich mit der seines Cousins. Mit Abweichungen. Diese werden später entscheidend sein.

Das Urteil

Für den Richter ist klar, welche Version stimmt: „Der Angeklagte hat sich sehr unschön verteidigt“, sagt Udo May. Er habe viele Dinge nur behauptet, um die Geschädigte zu diskreditieren. Nach Ansicht des Gerichtes stimmt die Version der Geschädigten, der Angeklagte ist schuldig. Es handele sich um einen schwerwiegenden Akt sexueller Nötigung. „Viel mehr geht nicht, dann sind wir bei der Vergewaltigung.“ Entscheidend sei dabei, dass der Angeklagte den Intimbereich „nur“ äußerlich berührt habe und nicht eingedrungen sei. Zum Urteil kommt das Gericht, weil die Aussage des Cousins der des Angeklagten in einigen Details widerspricht. Die der Geschädigten und ihrer Pflegefamilie dagegen nicht.

Den Syrer erwartet ein Paket an Strafen: Ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, 600 Euro Schmerzensgeld, zwei Wochen Warnschutzarrest und 200 Sozialstunden stehen ihm bevor. Er akzeptiert das Urteil.

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