Gesellschaft So bleiben Bitburger Senioren mobil

Bitburg · Wenn die eigene Mobilität nachlässt, ist es gut, Hilfe von anderen zu bekommen. Die Initiative „Verbindende Nachbarschaft“ ist ein Team ehrenamtlicher Fahrer, das Senioren in Bitburg wieder mobil macht.

 Von Beginn an ist Raimund Manns ehrenamtlicher Fahrer beim Mobilitätsdienst „Verbindende Nachbarschaft“.

Von Beginn an ist Raimund Manns ehrenamtlicher Fahrer beim Mobilitätsdienst „Verbindende Nachbarschaft“.

Foto: TV/Patricia Prechtel

„Hier muss ich aufpassen, da habe ich mich das letzte Mal schon vertan“, sagt Raimund Manns und lacht. Er biegt nach rechts in die Straße in einem ruhigen Bitburger Wohngebiet ab und parkt vor einem Mehrfamilienhaus. „Ah, sie wartet schon auf uns“, sagt er und steigt aus seinem Auto aus, um die ältere Dame an der Haustür abzuholen. Er hilft ihr, den Rollator ans Auto zu schieben und verstaut diesen danach mit geübten Handgriffen im Kofferraum. „Können wir zuerst zum Arzt fahren und danach zur Bank?“, fragt Alma Wysotzki. Für Manns kein Problem, er fährt los. In der nächsten halben Stunde bringt er Frau Wysotzki in Bitburg hin, wo sie mag. Denn an diesem Mittwoch ist er als Fahrer im Team der „Verbindenden Nachbarschaft“ unterwegs.

Die „Verbindende Nachbarschaft“ ist ein ehrenamtlicher Fahrdienst in der Stadt Bitburg, der sich an Senioren richtet, die nicht oder nur begrenzt selbst fahren oder auf die Hilfe ihrer Familie zurückgreifen können. Vier Fahrer hat das Team mittlerweile, drei Männer und eine Frau. „Ich bin so dankbar. Das ist so toll, dass es so etwas gibt“, freut sich Alma Wysotzki.

Erster Halt: die Arztpraxis. Tür auf, zum Kofferraum, Rollator rausholen und aufbauen. Während der erste Fahrgast des Tages beim Arzt ist, erzählt Manns, wie er zu dem Ehrenamt kam. Vom ersten Tag an ist er dabei. Zu Beginn sei es etwas zögerlich angelaufen, „aber jetzt ist die Nachfrage groß“. So groß, dass mittlerweile noch ehrenamtliche Fahrer und Telefonistinnen, die die Termine koordinieren, gesucht werden. Das erste Mal habe er von dem Fahrdienst auf einem Flyer gelesen, der in der Kirche verteilt wurde. „Meine Frau hatte mich darauf angesprochen und meinte, das könnte zu mir passen. Da habe ich nur gesagt ‚Ich habe es auch gerade gesehen und mir dasselbe gedacht“. Nun fährt er alle vier Wochen einen Mittwoch lang, manchmal auch mehrmals, wenn andere im Urlaub sind oder jemand krank ist.

Der Arzttermin ist vorbei und nachdem der Rollator verstaut ist, geht es weiter zur Bank. Das Radio läuft leise im Hintergrund. So ist es nicht still, wenn keiner was erzählt. Das kommt allerdings selten vor. Manns weiß, dass er manchmal der einzige Gesprächspartner der Mitfahrer ist. In seinem Auto hat er schon einiges mitbekommen. „Teilweise erfährt man schon traurige Geschichten. Oft sind die Seniorinnen ganz alleine, da die Kinder irgendwo weit weg wohnen. Oder sie haben gar niemanden.“ Solche Geschichten mitzubekommen, ist für den 64-jährigen Bitburger nicht immer einfach. Oft nimmt er die Erzählungen mit nach Hause. „Ich kann dann nicht abends heim gehen und nicht mehr drüber nachdenken. Das beschäftigt mich schon noch eine ganze Weile.“

Der Fahrdienst ist ein reines Ehrenamt. Manns fährt mit seinem Auto, den Sprit bezahlt er aus eigener Tasche. „Diese Arbeit macht man nicht, um bezahlt zu werden.“ Bis er im vergangenen Jahr in Rente gegangen ist, hat er in Bitburg bei einer Bank gearbeitet.

Den Fahrdienst nehmen bisher nur Frauen an. Manns spricht liebevoll von „seinen Damen“. Warum nur Frauen mitfahren, weiß er nicht. „Ältere Herren haben ja doch noch oft ihren Führerschein“, mutmaßt er. Und gerade in dieser Generation Frauen sei es ja noch nicht üblich gewesen, selbst Auto zu fahren. „Sie sind nicht angeschnallt“, schimpft er liebevoll mit Alma Wysotzki. „Wenn man selbst kein Auto hat, denkt man da nicht dran“, kontert sie. Sie ist 86 Jahre alt und lebt seit 30 Jahren in Bitburg. Auf der Fahrt erzählt sie, dass sie selbst 16 Jahre lang den Seniorentreff geleitet hat. Hingehen möchte sie trotzdem nicht. „Ich war auch lange in der Kleiderkammer und habe immer viel geholfen.“ „Na sehen Sie. Und jetzt bekommen Sie das zurück.“ Sie ist aber nicht die einzige. „Die Damen sind dankbar für die Unterstützung. Das macht man dann auch gerne und es baut einen auch selbst auf.“

Nach knapp einer halben Stunde hat Alma alles erledigt, was sie für diesen Vormittag geplant hat. „So wenig fehlt manchmal zum Glück“, sagt sie erleichtert. „Ich bin so froh!“ Wenn eine Fahrt vorbei ist, ist Raimund Manns eines besonders wichtig: „Ich fahre sie immer wieder nach Hause nach ihren Terminen. Egal wie.“

Nächster Halt: Eine Wohngegend am anderen Ende der Stadt. „Die nächsten, die mit uns fahren, fahren immer zu zweit“, erklärt Manns. Ute Jager (74) und Ursula Schweingruber (75) legen – seit es den Fahrdienst gibt – wenn möglich, alle ihre Termine auf den Mittwoch. „Alle Fahrer sind so nett, das funktioniert immer wunderbar“, erzählt Ute Jager über ihre bisherigen Erfahrungen. „Und man muss auch sagen: Es ist einfach günstiger als ein Taxi.“ Nach dem Ende ihrer Tour werfen sie wie fast alle etwas für das Team in das Spendendöschen, das auf dem Armaturenbrett steht.

Jeder Fahrer des Teams hat ein Schild hinter der Windschutzscheibe liegen, das ihn als Fahrer der Verbindenden Nachbarschaft ausweist. So können sie ihr Auto auch auf dem Behindertenparkplatz parken. „Das kann unheimlich hilfreich sein“, sagt Manns. Denn oft sind die Wege zum Eingang in den Supermarkt oder das Gebäude kürzer und die Parkplätze breiter, sodass das Aussteigen leichter ist. Und Manns lernt auch etwas als Fahrer des Teams: „Am Anfang hatte ich wirklich Probleme mit den verschiedenen Rollatoren. Ich hatte ja vorher nie einen in der Hand“, erinnert er sich und lacht. „Aber die Damen haben mir dann auch mal erklärt wie man sie zu- oder aufklappt. Mittlerweile komme ich gut damit klar.“

Die Zeit an diesem Vormittag vergeht schnell. Im Schnitt melden sich fünf bis acht Senioren für den Fahrdienst an. Sind es mehr, werden zwei Fahrer gebraucht, sonst wird es mit der Koordinierung der Termine kompliziert, weiß Hedwig Disch. Sie ist eine der Initiatorinnen des ehrenamtlichen Fahrdienstes. Da meist eine halbe Stunde für jede Fahrt eingeplant ist, reiht sich Fahrt an Fahrt. Ist schon bei der Koordinierung der Termine klar, dass für eine Mitfahrerin mehr Zeit eingeplant werden muss, wird auch das berücksichtigt. So vergeht die Zeit wie im Flug.

„Die meisten Fahrten sind zum Supermarkt, zum Arzt, zur Bank oder zur Tafel“, sagt Manns. Und wenn die Damen ins Haus laufen, bringt er sie hin oder lässt sie nicht aus den Augen, bis sie durch die Tür sind. „Ich warte immer, bis sie im Haus sind. Nicht, dass sie stürzen.“

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