Vom Baum der Liebe

Fast kein Ort ohne Lindenstraße oder Lindenweg - ob Bitburg, Daun oder Prüm. Zur Blüte ist die Luft geschwängert vom betörenden Duft, den die Bäume dann verströmen. Im Herbst hilft Tee aus Lindenblättern bei Erkältungen.

Linden spenden in etlichen Orten an Markt- und Brunnenplätzen Schatten. Im Sommer summen Bienen in den mächtigen Kronen auf der Suche nach dem Nektar, den sie zu Lindenblütenhonig verarbeiten. Seit Urväter Zeiten genießt die Linde hohes Ansehen. Durch ihren schnellen Wuchs und ihr hohes Alter von weit mehr als tausend Jahren hat der Baum schon immer imponiert. Die Linde wurde liebevoll mit "Frau" oder "Gevatterin Linde" angeredet.
Die Linde ist ein Baum der Liebe. Im Glauben unserer germanischen Vorfahren galt die Linde als heiliger Baum der Göttin Freija, die zuständig war für Schönheit und Liebe, Ehe und Familie, Glück und Zufriedenheit, für Fruchtbarkeit und Frühlingserwachen. Im Zuge der Christianisierung wurde dann aus der heidnischen Linde die Marien-Linde, heute noch neben Kapellen und Kirchen zu finden. Bekannt ist die Volksüberlieferung, nie träfe ein Blitz eine Linde, da sie ein gottgeweihter Baum sei. Daher war in jedem Dorf eine "Dorflinde" zu finden, die Glück und Segen bringen soll. Brautleute wurden unter der Linde "zusammengegeben". Drei Mal gingen sie um den Stamm und bezeugten damit der Festversammlung, dass ihre Ehe nun gültig sei.
Tanz, Gesang und Geselligkeit unter und um die Linde waren weit verbreitet. In verschiedenen Orten der Eifel wurden im Mai oder zur Kirmes die Mädchen "versteigert". Die Linde wurde somit zum Symbol der Treue und jugendlicher Unschuld. Auch Ludwig Uhland (1787-1862) weist auf das Sinnbild der Linde für Jungfräulichkeit hin: "Und wenn die Lind\' ihr Laub verliert, behält sie nur die Äste. Daran gedenkt, ihr Mägdlein jung, und haltet euer Kränzlein feste."
Die Dorflinde war das Gemeindezentrum vergangener Zeiten. Hier begegnete man sich, um dörfliche oder private Gegebenheiten zu besprechen und zu beraten. Hier wurde Gericht gehalten, hier trafen sich Liebende oder man träumte, wie Franz Schubert (1797 bis 1828): "Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum, ich träumt in seinem Schatten so manchen süßen Traum." Und Martin Luther schrieb: "Unter den Linden pflegen wir zu singen, trinken und tanzen und fröhlich zu sein, denn die Linde ist uns ein Friede- und Freudebaum."
Die Linde hat ihren Platz nicht nur im Volksglauben, sondern auch in der Heilkunde. Aus getrockneten Lindenblüten wird ein Tee zubereitet, der gegen Erkältungskrankheiten hilft, da er schweißtreibend, hustenlösend und fiebersenkend wirkt.
Auch das wohl bekannteste deutsche Volkslied "Kein schöner Land in dieser Zeit" stellt die Linde in den Mittelpunkt: "Wo wir uns finden wohl unter Linden, zur Abendzeit!" Holzschnitzer schätzen das weiche, kurzfaserige Holz der Linde sehr. "Lignum Sacrum" (heiliges Holz) nennen sie es, da sich daraus besonders filigrane Schnitzarbeiten erstellen lassen.
Alois Mayer

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