Vorhang auf für Cola, Käs’ und Glockengruß!

Dreis-Brück/Biersdorf/Reil · Laien spielen Theater, und die Besucher strömen in Scharen: Was hinter der Begeisterung auf beiden Seiten steckt, beleuchtet der TV an drei Theatervereinen in der Vulkan- und Südeifel und an der Mosel.

Dreis-Brück/Biersdorf/Reil Mal wieder "schiwwelisch" hätte Anita Adams aus Kirchweiler sich lachen können bei dem Stück, das der Heimatverein ihres Nachbarorts Dreis-Brück (Landkreis Vulkaneifel) im Januar auf die Bühne gebracht hatte. Die 57-Jährige ist ein absoluter Fan der Laienspielgruppe und des Eifeler Platts mit all seinen Nuancen.
"Sie verwenden besonders viele schöne alte Ausdrücke, die ich lange nicht gehört habe", nennt Anita Adams einen Grund, warum ihr die Stücke so gut gefallen. So wie "schiwwelisch" lachen, das vielleicht am ehesten dem Wort kranklachen nahe komme, meint sie. "Alle spielen mit Leib und Seele, sie gehen in ihren Rollen auf, sie sind ganz große Klasse", sagt sie. Und: "Mir gefällt, wie sie immer wieder ihre Heimat in ihre Stücke einbauen."
Etwa jetzt bei "Cola, Cash und Kaugummi", als im Zuge einer besseren touristischen Vermarktung von Dreis-Brück der Stausee die Kulisse bildete, ein Telefonat mit Landrat Heinz-Peter Thiel geführt wurde oder das fünf Kilometer entfernte Dorf "Boxbrisch" (Boxberg) eingeebnet werden sollte zugunsten einer Flughafen-Landebahn.
Über Kommentare von Besuchern wie Anita Adams freut sich Doris Sicken (47) vom Heimatverein Dreis-Brück sehr. Denn genau das sei ja ihr Anliegen. "Wir möchten die Zuschauer zum Lachen bringen", betont die Verwaltungsfachwirtin, die bisher bei jedem Stück als Schauspielerin mit von der Partie war. Sie erklärt: "Deshalb stehen bei uns ausdrücklich nur Lustspiele auf dem Plan." Denn, so räumt sie augenzwinkernd ein: "Drama hat doch jeder schon genug."
Der Andrang und die Resonanz geben ihr und dem Vorstands- und Schauspielteam recht: Seit 1995 im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms der Verein gegründet und das erste Stück in heimischem Dialekt als Riesenerfolg gespielt wurde, sind Jahr für Jahr die fünf Aufführungen im Januar im Haus Vulkania in Dreis-Brück ausverkauft; das sind mehr als 1200 Zuschauer pro Spielzeit - aus dem Dorf, dem Landkreis und darüber hinaus. An der Spitze des Vereins mit etwa 80 Mitgliedern, die auch sonst übers Jahr im Dorf engagiert sind, stehen aktuell Thomas Hennen als erster Vorsitzender und Gabi Drückes als zweite Vorsitzende.
Die Stücke werden in hochdeutscher Fassung bei Theaterverlagen gekauft. Die Regie - von 1995 bis 2014 lag sie in den Händen von Maria Langshausen, jetzt hat Frank Bauer die schauspielerische Leitung - liest und vergibt die Rollen. Geprobt wird ab September, gespielt wird, außer wenn es die Rolle anders erfordert, in Mundart. Dazu überträgt jeder Mitwirkende persönlich seine Rolle in seinen Dialekt.
"Das ist unser Markenzeichen, und so soll es auch in Zukunft bleiben", erklärt Doris Sicken und ist sich mit Anita Adams einig, was das weitere Mitspielen beziehungsweise Zuschauen betrifft: "Aber sicher!"
Ebenso erfolgsverwöhnt wie der Heimatverein aus der Vulkaneifel ist die Theatergruppe aus Biersdorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Auch hinter deren 30 Mitgliedern - inklusive Bühnenarbeitern und Förderern - liegt wieder mal eine "super Saison", wie Anne Valerius dem TV erzählt. Die 41-jährige Hotelfachfrau ist die Schriftführerin der 1973 gegründeten Theatergruppe, und sie stand in dieser Saison in dem Drei-Akter "Die unglaubliche Geschichte vom gestohlenen Stinkerkäs" als dauer-pikierte Pfarrhaushälterin Eugenie auf der Bühne.
Und weil die Biersdorfer nur die Premiere im eigenen Bürgerhaus geben und die weiteren Aufführungen im Festsaal des Hauses Beda in Bitburg spielen, kommt es vor, dass ihr in diesen Tagen jemand beim Einkaufen in der Kreisstadt zuruft: "Sie sind doch die Eugenie!" Dann entwickle sich auch schon mal ein längeres Gespräch, sagt Anne Valerius, "und die Leute loben das tolle Ensemble und das schöne Bühnenbild". Das aktuelle Stück sahen in Biersdorf etwa 170 Besucher, in Bitburg waren mit jeweils 270 Besuchern alle sechs Aufführungen ausverkauft. Macht rund 1800 Zuschauer insgesamt.
Das jeweilige Stück wird eingekauft. Dabei greifen die Biersdorfer gern auf Bernd Gombold zurück, einen 50-jährigen Hobbyschriftsteller aus Baden-Württemberg, der Dutzende von Stücken für Laien- und Schultheater geschrieben hat - auch "Die unglaubliche Geschichte vom gestohlenen Stinkerkäs". In Mundart zu spielen, ist für die Theatergruppe allerdings kein Thema. "Weil wir in Bitburg spielen und weil sich die Dialekte doch ziemlich unterscheiden", erklärt Anne Valerius. Im Spätsommer jeden Jahres entscheidet ein sogenanntes Leseteam, welches Stück genommen wird und wer welche Rolle spielen soll. Ab Anfang Oktober wird zwei Mal in der Woche geprobt. "Wir Spieler können uns 100-prozentig aufeinander verlassen", betont Anne Valerius. Und wenn bei einer Aufführung tatsächlich mal einer ins Stocken gerate - "Hauptsache, das Publikum merkt nichts", sagt sie. Der Zusammenhalt sei wichtig, "und der stimmt bei uns", sagt sie. Um die Gemeinschaft zu fördern und um sich bei den Angehörigen der Aktiven für ihr Verständnis zu bedanken, finden regelmäßig Familientage mit Angeboten für alle Altersstufen statt. "Klar, der Applaus ist auch bei uns das Brot des Künstlers", meint Anne Valerius. Erster Vorsitzender und Regisseur der Theatergruppe Biersdorf ist Leo Hülpes, zweite Vorsitzende ist Elke Giebel.
Seit mehr als 100 Jahren gibt es in Reil (Landkreis Bernkastel-Wittlich) den Verein Moselblümchen. Noch zu Kaisers Zeiten 1912 als Karnevalsverein nur für Männer gegründet, trägt er seit 1924 die Bezeichnung Theaterverein und ist seither für (fast) alljährliche Theaterinszenierungen verantwortlich - darunter anfangs "Der Glockengruß zu Breslau" und (laut Chronik) "weitere tränenreiche Dramen". 1948 ging als das Jahr der Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg in die Annalen ein, 1978 als der Zeitpunkt, an dem auch Frauen Vereinsmitglieder werden durften sowie Dramen vom Spielplan verbannt und lustige Drei-Akter darauf gesetzt wurden.
Mit dem Umzug vom Gasthaus-Saal in die Turnhalle begann 1988 "ein atemberaubender Anstieg der Zuschauerzahlen", erinnert sich Klemens Schmitz, seinerzeit Kassenwart und für den Kartenvorverkauf zuständig. Seit vier Jahren ist der Berufsschullehrer Vereinsvorsitzender. "Wir verkaufen ein Produkt, das den Leuten gefällt", bringt der 63-Jährige den anhaltenden Erfolg des Theatervereins mit 160 Mitgliedern auf den Punkt. So sahen auch in dieser Spielzeit (sieben Aufführungen zwischen Ende Dezember und Mitte Januar) wieder etwa 2000 Menschen allen Alters das Lustspiel "Außer Spesen nichts gewesen" unter der Regie von Silvia Lawor und Elke Henrichs und, wie seit 1990 zur Förderung der moselfränkischen Mundart üblich, auf "Reyla Platt".
"Nur der Herr Pastor und der Herr Doktor sprechen bei uns Hochdeutsch", sagt Schmitz. Die Stücke stammen aus unterschiedlichen Theaterverlagen. Ein Mal - zur 1000-Jahr-Feier Reils 2008 - wurde ein selbst verfasstes, historisches Stück ("Dieh Reyla Biberte") gespielt.
Schmitz sieht das Erfolgsgeheimnis auch in der besonderen Situation der Turnhalle als Aufführungsort begründet. "Wir können unser Publikum vor und nach dem Stück und in der Pause bewirten", erklärt er. Das werde sehr gut angenommen.
Nachwuchssorgen? Nein, sagt Klemens Schmitz. Denn seit mehr als zehn Jahren kooperiert der Theaterverein mit der Grundschule Reil. Seither leiten Laienschauspieler Dritt- und Viertklässler in einer Theater-Arbeitsgemeinschaft an, und die Kinder führen Stücke unter der Regie des Theatervereins auf. "Das machen sie ganz toll", lobt Schmitz. Und freut sich auch deshalb auf die Zukunft eines der ältesten Theatervereine der Region.
THEATERVEREINE IN DER REGION


Extra

Im Vereinsregister am Amtsgericht Wittlich werden 23 eingetragene Theatervereine geführt: sieben im Landkreis Vulkaneifel in Duppach, Gillenfeld, Leudersdorf, Ormont, Rengen, Steffeln und Wiesbaum; neun im Eifelkreis Bitburg-Prüm in Gransdorf, Heckhuscheid, Herforst, Malberg, Olzheim, Pickließem, Prüm, Schönecken und Sellerich, sieben im Landkreis Bernkastel-Wittlich in Brauneberg, Hetzerath, Laufeld, Minheim, Osann-Monzel, Reil und Wintrich. Darüber hinaus gibt es jede Menge weitere Theater spielende Vereine und Gruppen in den drei Kreisen, die im Vereinsregister unter anderen Titeln laufen, Dazu gehören etwa Heimatvereine, Spielleute, Burgschauspieler oder Fördervereine. Und es treten auch Ensembles auf, die nicht eingetragene Vereine sind oder in der Trägerschaft eines anderen örtlichen Vereins stehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort