Vorwurf der Untreue gegen Ex-Bürgermeister der VG Speicher noch nicht vom Tisch

Bitburg/Speicher · Sofortige Beschwerde: Die Staatsanwaltschaft akzeptiert die Entscheidung des Bitburger Amtsgerichts im Fall des ehemaligen Bürgermeisters der VG Speicher, Rudolf Becker, nicht.

Vorwurf der Untreue gegen Ex-Bürgermeister der VG Speicher noch nicht vom Tisch
Foto: Cheryl Cadamuro

Zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung: Das hatte die Staatsanwaltschaft Trier für Rudolf Becker gefordert. Sie hatte im Dezember 2015 Strafbefehl gegen den ehemaligen Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Speicher beantragt - wegen Untreue in zwei Fällen. Becker soll knapp 10.000 Euro veruntreut haben, indem er Politiker-Reisen nach Rom und London aus der Kasse der Volkshochschule (VHS) Speicher finanziert hatte. Vergangene Woche hatte das Amtsgericht Bitburg den Antrag abgelehnt .

Diese Entscheidung akzeptiert die Staatsanwaltschaft nicht: Sie hat das Rechtsmittel der ,sofortigen Beschwerde' eingelegt. "Die Staatsanwaltschaft Trier geht anders als das Amtsgericht davon aus, dass der ehemalige Verbandsgemeindebürgermeister eine Vermögensbetreuungspflicht hatte", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Peter Fritzen.

Das Amtsgericht geht davon aus, dass Becker keine Vermögensbetreuungspflicht hatte, weil die Speicherer VHS nicht selbstständig gewesen sei. Das hatte die Kreisvolkshochschule bei einer Prüfung des rechtlichen Status ihrer Außenstellen 2013 festgestellt. Deshalb habe die Vermögensbetreuungspflicht bei der Kreisvolkshochschule Bitburg-Prüm gelegen und nicht bei der VG Speicher. Und somit nicht bei Becker.

Selbst wenn man annähme, dass er eine solche Pflicht nicht gehabt habe, komme nach Auffassung der Staatsanwaltschaft zumindest eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Untreue in Betracht, sagt Fritzen. Denn: Ihm werde vorgeworfen, die damalige Geschäftsführerin der VHS Speicher dazu veranlasst zu haben, die unberechtigten Auszahlungen vorzunehmen. Die Ermittlungen gegen die Geschäftsführerin waren 2015 gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden, da der "Schwerpunkt der Verantwortung" laut damaliger Aussage Fritzens bei Becker lag (der TV berichtete).

Mit der sofortigen Beschwerde bestätigt die Staatsanwaltschaft das Rechtsempfinden zahlreicher TV-Leser. Die Begründung, dass Becker keine Vermögensbetreuungspflicht für das Geld gehabt habe, und es deshalb auch nicht habe veruntreuen können, stieß bei einigen auf Unverständnis. "Diese juristischen Spitzfindigkeiten nehmen zu", schreibt ein Leser aus Brauneberg, "wenn jemand, der von einem Konto unberechtigterweise Geld für eine Lobby-Gesellschaft für Lustreisen in Anspruch nimmt, kein Vermögen veruntreut hat, weil er es gar nicht betreuen durfte, ist das für mich eine Farce." Eine andere Leserin schreibt auf Facebook: "Ein ,Normalbürger' würde bei so was mit Sicherheit bestraft werden. Bei Politikern gibt's immer eine Hintertür." Ob es diese für Becker gibt, ist mit der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft erst einmal wieder offen.

Nun müsse das Landgericht Trier entscheiden, sagt Fritzen. Sollte es die Beschwerde für unbegründet halten, wird sie zurückgewiesen und der Untreue-Vorwurf gegen Becker wäre - zumindest juristisch - vom Tisch. Hält es die Beschwerde für begründet, wird der Fall an das Amtsgericht zurückverwiesen und dieses muss neu entscheiden, ob es Strafbefehl erlässt oder eine Verhandlung anberaumt. Wenn das Gericht Strafbefehl erlässt, kann Becker ihn akzeptieren und wäre vorbestraft. Oder er kann Einspruch einlegen und es käme zum Prozess. Beckers Anwältin war am Mittwoch bei Gericht und kurzfristig nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Meinung
Spitzfindigkeiten!

Die Speicherer VHS-Affäre zeigt schön, dass Justitia manchmal ein bisschen mehr gesunden Menschenverstand beweisen könnte. Die juristischen Spitzfindigkeiten, die Anwälte und Amtsgericht zur Entlastung des ehemaligen Bürgermeisters ins Feld führen, haben mit Gerechtigkeit wenig zu tun.
Es ist völlig unbestritten, dass Rudolf Becker einen ausgewählten Personenkreis mit Geld der Volkshochschule zu Reisen nach Rom und London eingeladen hat. Mit Geld, das für andere Zwecke gedacht war. Und das ist nicht in Ordnung.
Egal, welchen Rechtsstatus die Volkshochschule später verpasst bekam - zu dem Zeitpunkt, als das Geld ausgegeben wurde, musste Becker noch davon ausgehen, dass sie in Trägerschaft seiner Verbandsgemeinde war. Falls er trotzdem aus schwer nachvollziehbaren juristischen Gründen keine Vermögensbetreuungspflicht gehabt haben sollte, ändert das immer noch nichts daran, dass dieses Geld auf seine Veranlassung hin zu Unrecht ausgegeben wurde. Das kann man doch nicht einfach unter den Teppich kehren! Gut, dass die Staatsanwaltschaft da nicht mitspielt.
k.demos@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort