Weihnachten in der Fremde - Heimat im Herzen

Irrhausen/Mettendorf · Gut 50 Ukrainer leben im Kreis-Bitburg-Prüm. Etwa 25 von ihnen treffen sich regelmäßig im ukrainischen Kulturkreis, den Nataliya Penning aus Mettendorf vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufen hat. Am Wochenende feierten sie gemeinsam das russisch-orthodoxe Weihnachtsfest.

 Mit Inbrunst und auch mit Wehmut im Herzen singen die Mitglieder des ukrainischen Kulturkreises ihre Nationalhymne mit dem Titel „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben“. Links im Bild Gastgeberin Lyuba Holper. TV-Foto: Wilma Werle

Mit Inbrunst und auch mit Wehmut im Herzen singen die Mitglieder des ukrainischen Kulturkreises ihre Nationalhymne mit dem Titel „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben“. Links im Bild Gastgeberin Lyuba Holper. TV-Foto: Wilma Werle

Irrhausen/Mettendorf. Im Haus von Familie Holper in Irrhausen geht es an diesem Samstag rund. Lyuba und Werner Holper sind Gastgeber des Weihnachtsfests, das russisch-orthodoxe Christen traditionsgemäß am 7. Januar feiern. Rund 25 Gäste haben die Einladung angenommen. Ein fröhliches "Hallo", deutsche und ukrainische Wortwechsel und viele Umarmungen werden ausgetauscht.
Nur wenige Familien


Die 53-jährige Lyuba stammt aus der Ukraine, ist seit fünf Jahren mit ihrem deutschen Mann verheiratet und gehört zum deutsch-ukrainischen Kulturkreis, der auf Initiative von Nataliya Penning aus Mettendorf entstanden ist. "Die meisten Ukrainer hier in der Gegend sind Einzelpersonen, die meisten Frauen. Es gibt nur wenige ukrainische Familien. Viele sind isoliert", erzählt sie.
"Wir wollen sie zusammenführen, Erfahrungen austauschen, die gemeinsame Sprache pflegen sowie Kultur und Bräuche unserer Heimat wachhalten." Dazu gehört auch das gemeinsame Weihnachtsfest mit reich gedecktem Tisch. Alle steuern etwas bei zum traditionellen Weihnachtsessen: Zwiebeln und Speck ("Speck hat immer schon alle satt gemacht daheim", so Nataliya Penning.), Kartoffelsalat, Sülze, warme Kartoffeln geschmort mit Fleisch, dazu Kohlrouladen. Auf dem Tisch steht ein von Lyuba kunstvoll gebundener Ährenstrauß: Er soll zum Jahresbeginn die Hoffnung auf ein hoffentlich reiches und sattes Leben zum Ausdruck bringen. Bevor aber alle zugreifen, zündet die Gastgeberin eine Kerze an und gedenkt der Toten; danach wird eine Schüssel Kutja herumgereicht. Das ist eine Mischung aus Weizenkörnern, Mohn, Walnüssen und Honig, angerührt mit Weihwasser. Erst wenn alle davon drei Löffel gegessen haben, kann das Festmahl beginnen. Die Stimmung ist gelöst; Natascha, Viktoria, Ludmilla, Raissa und ihre Familien singen die ihnen so vertrauten Weihnachtslieder (Koljadky) aus der Heimat. Das Thema Politik bleibt an diesem Tag bewusst außen vor.
Das ist nicht immer so. Der ukrainische Kulturkreis verfolgt mit Spannung die politische Entwicklung am Schwarzen Meer und engagiert sich mit regelmäßigen Hilfstransporten für die Zivilbevölkerung und Soldaten. Zurzeit werden vor allem Bettwäsche und Decken, warme Unterwäsche und Strümpfe sowie Medikamente und Verbandmaterial benötigt. Zugleich will er auch die Erinnerung wachhalten an den Holodomor, bei dem in den Jahren 1932/33 mehrere Millionen Ukrainer starben (siehe Extra). Im vorigen Jahr informierten die Mitglieder am internationalen Holodomor-Gedenktag in der Bitburger Fußgängerzone über diese grausame Zeit ihrer Geschichte. In diesem Jahr plant der Kulturkreis für diesen Tag ein Friedensgebet und hofft, dass sich eine Kirchengemeinde finden wird, die Herzen, Ohren und Türen für dieses Anliegen öffnet. Nähere Infos erteilt Nataliya Penning in Mettendorf, Telefon 06522/1348. Bei ihr können auch Sachspenden abgegeben werden.Extra

Mit dem Begriff Holodomor (wörtlich: Tod durch Hunger) wird das große Massensterben in der Ukraine in den Jahren 1932/33 bezeichnet. Historiker sprechen von drei bis sechs Millionen Toten. Ursache war zum einen die schlechte Ernte, vor allem aber die von Stalin durchgesetzte Kollektivierung der Landwirtschaft. Die Bauern in der Ukraine, der Kornkammer der einstigen Sowjetunion, wurden zwangsenteignet; Widerstand wurde mit Verhaftung, Deportation oder Erschießung bestraft. Dazu kamen Naturalienstrafen: Staatliche Kommandos konfiszierten sämtliche Lebensmittel eines Dorfes. Dörfer, die ihr Soll nicht erfüllen konnten, wurden systematisch vom Handel abgeschnitten. Die Folge: Millionen Menschen starben an Hunger. Viele Staaten, darunter der Vatikan, haben den Holodomor zwischenzeitlich als Völkermord anerkannt. Der vierte Sonntag im November ist der Holodomor-Gedenktag. wiw

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