Wenn Eifeler lieben …

"Wofier get et dat Woart Liebe net op Platt?", fragt die Mundartsängerin Sylvia Nels in einem ihrer Lieder. Eine interessante Frage. Der Volksfreund ist ihr nachgegangen.

Eifel. Liebe! Die gibt es doch überall, wo Menschen leben! Die muss es doch auch in der Eifel geben! Doch immer wieder Kopfschütteln. "Dat get et net", sagen die Leute, die Eifeler Platt können. Das Wort Liebe gibt es einfach nicht auf Platt.

Wie kann das sein? Diese Frage hat sich auch die in Rittersdorf lebende Mundartsängerin Sylvia Nels gestellt. "Wofier get et dat Woart Liebe net op Platt? (Warum gibt es das Wort Liebe nicht auf Platt?). ,Eisch lieben Deisch' dat klingt su iwersat (,Ich liebe dich' das klingt so übersetzt). Wie kaans dou et verstohn, wenn eisch´t an menger Sproch well sohn? (Wie kannst du es verstehen, wenn ich es in meiner Sprache sagen will?)", lautet der Refrain ihres Liedes "Dat Woart Liebe". Gute Frage. Dass auch Eifeler lieben, wird wohl niemand bezweifeln. Aber: Was sagen sie sich denn in so einem Fall?

"Eisch han Deisch gärn (Ich habe Dich gern)", lautet die Antwort Sylvia Nels'. Es heiße schon viel, wenn ein Eifeler das sage. Es sei das höchste der Gefühle. Und es wiege schwer.

Ja, was haben die Eifeler denn, wenn es um die Liebe geht? Ist das vornehme englische Zurückhaltung? Lieben sie es dezent? Oder sind sie gar unemotional? Wohl kaum. Denn, wenn ein Eifeler sauer ist, dann kann er in "Roaserei" "haaßen wie de Pest". Und der Demel, Toapert, Schouten, Oarsch und Noar, auf den er sauer ist, zieht sich besser warm an. Wörter zum Schimpfen gibt es zur Genüge. Zarte Wörter für zarte Gefühle hingegen nicht. Warum?

Sylvia Nels hat eine Antwort auf diese Frage gefunden: "Das Leben in der Eifel war hart", sagt sie. Die Sicherung des Lebensunterhalts habe immer im Vordergrund gestanden. Da habe es weder Zeit noch Energie für Gefühlsduseleien gegeben. Oder, wie sie es auf platt singt: "Die Oarbischt iwa Daach holt bis an'd Deistert een an Schacht. Do bluw kän Kraft viel Wierda ze valearn (Die Arbeit über Tag hielt einen bis in die Dunkelheit in Schach. Da blieb keine Kraft, viele Wörter zu verlieren)." "Die Eifeler haben eine andere Art, ihre Zuneigung auszudrücken", sagt Nels. Eine Ansicht, die Sprachwissenschaftler teilen (siehe Extra). Denn statt vieler Worte reichen im Alltag Gesten. Gesten, die der Eifeler Sängerin genug verraten: "En Umarmung un e Kuss, deng Hand, die meng Hand haalen moss", heißt es in ihrem Lied. Ein Lied, das zu einem eindeutigen Schluss kommt: "Dat Woart Liebe brouch eisch net an mengem Platt." ExtraLiebe: "Der Begriff ist der Mundart im Wesentlichen fremd, wie ja der Mann des Volkes von höheren Gefühlen nicht gerne spricht", heißt es im Rheinischen Wörterbuch. Man dürfe jedoch nicht denken, dass es das Gefühl nicht gebe, nur, weil der Ausdruck fehlt, sagt die an der Uni Trier lehrende Sprachwissenschaftlerin Dr. Anja Lobenstein-Reichmann. Eine Aussage, die ihr Mann, der gerade einen Lexikonartikel über das Wort Liebe verfasst hat, bekräftigt. Prof. Dr. Oskar Reichmann ist Spezialist für deutsche Sprachgeschichte. Er nimmt an, dass das Wort Liebe im Dialekt (in der Nähesprache) nicht benutzt wird, weil dort die unmittelbare Nähe gegeben ist. Mit Hilfe der Mimik und Gestik verstünden Menschen, die sich gut kennen, auch so, was gemeint ist. Das Wort Liebe entstamme der durch jahrhundertelange Schriftlichkeit geprägten und stark differenzierenden Hochsprache. Offensichtlich sehe der Dialekt nicht die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Formen der Zuneigung zu unterscheiden.

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