Kultur Wie Kultur die Erinnerung wachhält
Echternach · Die jüdische Geschichte Echternachs rückt 2018 in den Mittelpunkt: Mit einer 16-teiligen Kulturreihe arbeiten sechs Institutionen gemeinsam ein schmerzliches Kapitel auf. Ein Projekt, das Spuren hinterlassen soll.
Georges Calteaux erinnert sich, als sei es gestern gewesen. Damals, im Krieg, an jenem Tag, als SS-Schergen eine Frau aus seinem Dorf nahe Echternach abholten, um sie dorthin zu bringen, von wo sie niemals zurückkam. „Ich sehe sie noch vor mir, wie sie von ihrem Kind Abschied nahm und sagte: ,Wir werden uns nie wiedersehen’.“
Georges Calteaux war damals ein Junge. Seit mehr als 70 Jahren trägt er die Geschichte in sich. Nun hat er sie aufgeschrieben, um sie bald zu veröffentlichen. Denn er findet, dass es nie zu spät sei, um daran zu erinnern - an das Unrecht, die Gewalt, den Mord, das Leid.
Mit dieser Auffassung ist der Echternacher nicht allein. Ganz im Gegenteil. Mehr als 100 Menschen aus Echternach und Umgebung – Mitglieder aus sechs Institutionen, Junge, Alte., Musiker, Künstler, Privatpersonen, Christen, Juden, Konfessionslose – haben sich zusammengetan, um etwas bisher Einmaliges im Sauer-Städtchen auf die Beine zu stellen: eine 16-teilige Kulturreihe zur Erinnerung an die jüdische Geschichte Echternachs. Titel: „Judeum Epternacum“ (Echternacher Juden). Dabei konnten nur ein Teil der Ideen aufgegriffen werden, die laut Stadtmarketing-Managerin Marina Leisen nur so sprudelten.
Veranstaltungslogo ist der siebenarmige Leuchter, der ein religiöses Symbol des Judentums ist. Er steht aber auch für die Erleuchtung und das Leben.
Beides sind Ziele des Projekts, das die Echternacher Arbeitsgruppe „Solidarität und Frieden“ und der landesweit tätige Verein „MemoShoah“, der sich seit 2013 mit der Erinnerung an die Judenverfolgung in Luxemburg beschäftigt, Mitte 2016 anstießen. Bei der Gründung der AG „Solidarität und Frieden“ hatte die Stadt Echternach maßgeblichen Einfluss, denn sie hat sich auf die Fahnen geschrieben, an einem friedlichen, weltoffenen Europa aktiv mitzuwirken.
Für Bürgermeister Yves Wengler ist das eines der Kernziele für die kommenden Jahre. Daher engagiert sich die Stadt nicht nur zukunftsorientiert, nämlich zum Beispiel gegen den Einsatz von Atomwaffen, sondern auch bei der Aufarbeitung der Vergangenheit. Denn das sei, so Wengler, kein Widerspruch. „Geschichte soll nicht Geschichte bleiben, sondern nachvollziehbar dokumentiert werden und auch zukünftige Generationen zum Nachdenken über Vertreibung und Ausgrenzung anregen.“ Um das zu gewährleisten, haben die Macher jede Menge Ideen zusammengetragen. Herausgekommen ist ein Programm von Mitte Januar bis Ende Mai, das vielfältiger kaum sein könnte: vom Zeitzeugen-Gespräch über Konzerte, Ausstellungen, Lesungen bis hin zu Filmen.
Doch mit Ende der Reihe ist nicht Schluss. 2018 planen die Echternacher die Verlegung von Stolpersteinen. Und weitere Veranstaltungen. Damit Geschichten wie die von Georges Calteaux niemals vergessen werden.