Stadtentwicklung Das Studiwerk Trier schreibt mit seinem Neubau Geschichte

Trier · Holz statt Beton: Das Projekt „Haus am Baum“ macht das Martinskloster zu einem zukunftsweisenden Modell für energiesparendes Wohnen. Die Bewohner werden zudem Zeitzeugen von 1700 Jahren Stadtentwicklung am Moselufer.

 Studiwerk-Geschäftsführer Andreas Wagner zeigt das Modell für das Doppel-Projekt „Haus am Baum“ und Martinskloster. Die prachtvolle Blutbuche spielt dabei eine zentrale Rolle. Wie alt das Naturdenkmal ist, kann nicht genau bestimmt werden.

Studiwerk-Geschäftsführer Andreas Wagner zeigt das Modell für das Doppel-Projekt „Haus am Baum“ und Martinskloster. Die prachtvolle Blutbuche spielt dabei eine zentrale Rolle. Wie alt das Naturdenkmal ist, kann nicht genau bestimmt werden.

Foto: Rainer Neubert

Als vor mehr als fünf Jahren die Planung für das Martinskloster begann, waren die Haare von Studiwerk-Geschäftsführer Andreas Wagner noch deutlich weniger grau. „Unser Wohnheimprojekt hat mich sicherlich einige Nerven gekostet“, sagt er und lacht. „Aber die grauen Haare kommen eher davon, dass sich das Studentenwerk in der Corona-Krise komplett neu erfinden muss.“ Das soll aber bei diesem Treffen auf dem Gelände der ehemaligen Klosteranlage kein zu vertiefendes Thema sein. Hier, nur einen Steinwurf von der Kaiser-Wilhelm-Brücke entfernt, geht es um ein mehr als 20 Millionen Euro schweres Doppelprojekt.

Bis Frühsommer 2022 soll gegenüber dem ehrwürdigen Klostergebäude statt dem inzwischen ausgekernten Wohnheim aus den 1970er Jahren ein innovativer Neubau stehen. Statt dem Beton der laut Denkmalpflege nicht erhaltenswerten Brutalismusarchitektur wird bei dem Projekt „Haus am Baum“ Holz eine tragende Rolle spielen. Der nach einem europaweiten Wettbewerb ausgewählte Entwurf der Architekten Stein-Hemmes-Wirtz (Kasel) hat auch von der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Ulrike Höfken großes Lob bekommen.

„Der Neubau besticht mit einem zukunftsweisenden Gesamtkonzept, der Wohnen, Umwelt- und Naturschutz, anspruchsvolle Architektur und nachhaltige Materialien vorbildlich vereint“, hat die Ministerin die Bewilligung von 100 000 Euro aus einem Landesfonds für besonders gelungene Holzbauprojekte begründet. Angesichts der 14,6 Millionen Euro, die der Neubau kosten wird, ist das zwar nur ein kleiner Betrag. Doch es zählt auch die Anerkennung für das Projekt, bei dem alles auf die riesige Blutbuche ausgerichtet ist, die als Solitärbaum seit mindestens 200 Jahren in der Anlage steht.

Zwischen Geschichte und Aufbruch - Das Martinskloster in Trier
40 Bilder

Zwischen Geschichte und Aufbruch - Das Martinskloster in Trier

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Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung Laven

„Vielleicht ist der Baum auch 400 Jahre alt“, sagt Wagner. Das lasse sich nicht feststellen. „Klar ist lediglich, dass der Baum einst veredelt wurde und heute nach Meinung der Experten aus dem Amt StadtGrün die schönste Rotbuche in Trier ist.“ Damit das so bleibt, ist das Wurzelfeld der mächtigen Pflanze während der gesamten Bauzeit eingezäunt. Mit Sensoren wird der Wasserhaushalt im Boden überwacht und bei zu großer Trockenheit korrigiert.

Das prächtige Naturdenkmal wird später aus dem komplett verglasten Flur im Erdgeschoss des neuen Gebäudes zu bewundern sein. Wagner nennt den deshalb „Baumzeit“. Auch aus den „Etaliers“ in den Obergeschossen, für alle zugängliche Räume mit zimmerhohen Pano­ramafenstern, wird die Buche im Hof Blickfang sein.

Insgesamt 110 barrierefreie Appartements werden in dem Gebäude entstehen, das in Holz-Hybridbauweise aus vorgefertigten Bauelementen montiert wird. Die Außenwände sind ebenfalls aus Holz, werden aber mit Aluminiumblechen verkleidet. „Das spart uns auf Sicht 200 000 Euro, weil wir nicht streichen müssen“, sagt Wagner, der auch auf den KfW 40-Standard stolz ist, der mit dem Neubau erreicht wird. Eine Photovoltaikanlage, ein Erdgas-Blockheizkraftwerk und die wärmerückgewinnende Lüftung für jede Wohnung sind wesentliche Elemente für den geringen Energieverbrauch.

Umgesetzt wird das alles durch einen Generalunternehmer: Weiler Bau aus Bitburg hat sich in der strengen, mehrstufigen europaweiten Ausschreibung durchgesetzt. Wagner: „Wir haben wirklich alle Unternehmen zwischen dem Nordkap und Gibraltar eingeladen. Es war überraschend und schön, dass ein Unternehmen aus der Region am Ende den Zuschlag erhalten hat.“

Parallel zum Neubau auf dem geschichtsträchtigen Boden wird in den kommenden 17 Monaten auch das alte Gebäude des Martinsklosters generalsaniert. „Jedes der 70 Zimmer wird dann über eine Miniküche verfügen“, verspricht der Studiwerk-Geschäftsführer. „Wir werden das Kloster zukunftsfähig machen.“ Kostenpunkt: 5,6 Millionen Euro.

Auf dem Gelände stehen aber zunächst Abrissarbeiten im Mittelpunkt. Die beiden Flügel des 70er-Jahre-Baus sind bereits verschwunden. Der entkernte Hauptbau wird in den kommenden Wochen folgen. Und dann haben von Oktober bis Februar erst einmal die Archäologen das Sagen. Denn für einen Versorgungsgang unter der Bodenplatte des Neubaus wird bis in Erdschichten der römischen Zeit gegraben. Damals, um das Jahr 386, weilte der heilige Martin von Tours in Trier. Ihm zu Ehren entstand kurze Zeit später der Vorläufer des Martinsklosters, das somit auf eine 1700-jährige Geschichte zurückblicken kann.

 Drei Ansichten: So sehen die Pläne für das Projekt „Haus am Baum“ aus.

Drei Ansichten: So sehen die Pläne für das Projekt „Haus am Baum“ aus.

Foto: Architekten Stein, Hemmes, Wirtz
 Die historische Gebäudeanordnung des ehemaligen Klosters wird auch mit dem Neubau beibehalten.

Die historische Gebäudeanordnung des ehemaligen Klosters wird auch mit dem Neubau beibehalten.

Foto: Architekten Stein, Hemmes, Wirtz

Andreas Wagner wird durch den geplanten Baustopp für die Landesarchäologie keine weiteren grauen Haare bekommen. „Die Archäologen waren schon einmal hier“, sagt er. „Wir verstehen uns prima.“

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