Nachruf Professor Wei Chiao – Nachruf auf eine „beispielhafte Person“

Trier · Der Sinologe Professor Wei Chiao ist am 24. Februar im Alter von 95 Jahren verstorben. Damit hat die Universität Trier ein Mitglied verloren, das nach den Worten seines Weggefährten Professor Karl-Heinz Pohl ein beispielloses Lebenswerk hinterlässt, gekennzeichnet einerseits von der Aufbauarbeit für die Ostasienwissenschaften an der Universität Trier, andererseits von einem nimmermüden Bemühen, zwischen China und Deutschland als kultureller Botschafter zu wirken.

 Professor  Wei Chiao.

Professor  Wei Chiao.

Foto: Peter Antes

Seinem Einsatz für die interkulturelle Vermittlung zwischen Ost und West verdankt die Universität Trier unter anderem eine Partnerschaft mit der Universität Wuhan, die dazu geführt hat, dass viele Forscher und Studenten von beiden Universitäten die jeweilige Partnerstadt besuchen konnten.

Angesichts der zahlreichen politischen Fallstricke sei sein Engagement immer unideologisch und pragmatisch orientiert gewesen, so Pohl. „Zu Hilfe kamen ihm dabei seine gleichermaßen in christlichen und konfuzianischen Überzeugungen wurzelnde Festigkeit, gepaart mit einer ebenso wichtigen Portion taoistischer Gelassenheit und Lebensweisheit.“

Professor Chiao ist der Gründungsdirektor der Sinologie an der Universität Trier. Als Sprachwissenschaftler von der Universität Bonn nach Trier berufen, hatte er 1984 begonnen, das Fach hier aufzubauen.  Dabei hat er in vielfältigser Weise Verbindungen mit China geknüpft (nicht nur zur Universität Wuhan, sondern zu einer ganzen Reihe anderer Universitäten) und hat nicht wenige Kollegen aus anderen Fachrichtungen (zum Beispiel in der Germanistik, Anglistik, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft oder Volkswirtschaft) für China sensibilisiert. Auch begann er mit dem vor zwei Jahren verstorbenen Politologen Prof. Claus Dieter Kernig eine enge Kooperation, die dazu führte, dass das Fach Politikwissenschaft in Trier bis jetzt auch einen China-Schwerpunkt hat.

Nachdem er 1992 in den Ruhestand ging, hat seine Forschungstätigkeit nicht aufgehört, ganz im Gegenteil begann er dann eine ganze Reihe von groß angelegten Forschungsinitiativen, zum Beispiel „Kontrastive Analyse der Computerfachterminologie in Taiwan und der VR China“ (mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Lexikons), „Soziale Marktwirtschaft: Terminologie ihres Grundwortschatzes deutsch-chinesisch“ (in Zusammenarbeit mit seinen Trierer Kollegen Prof. Kühlwein und Prof. Dickertmann) oder „Der Chan- oder Zen-Buddhismus in China und Japan und sein Einfluss auf die Malerei und Kalligraphie“.

Mit den vielen meist interdisziplinären Forschungsprojekten und Aktivitäten hatte er dem Fach Sinologie nicht nur in der eigenen Universität eine besondere Stellung aufgebaut, sondern ihm auch über Trier hinaus in der Fachwelt einen guten Ruf verliehen. Von dieser Aufbauarbeit zehrten alle seine Kollegen und Nachfolger, und dafür sind sie ihm zu großem Dank verpflichtet.

Sein Engagement kam nicht nur den Trierer Sinologiestudenten zugute: Im Jahre 1986 hatte er den Grundstein gelegt für einen Chinesisch-Intensivkurs für Stipendiaten der Studienstiftung des deutschen Volkes. Dieses Programm gibt es heute noch und hat zahlreiche China-Experten hervorgebracht, die ursprünglich aus anderen Fachrichtungen stammen.

Auch die menschliche Seite von Professor Chiao ist zu würdigen. Er hatte sich das Ideal des Lehrers und Forschers zum Maßstab genommen, wie es von Konfuzius überliefert ist: „Wissen sammeln im Stillen, forschen und dessen nicht überdrüssig werden; die Menschen lehren, ohne zu ermüden.“

Pohl: „Seinen Schülern gegenüber war er eine exemplarische Figur von väterlicher Güte – getreu dem chinesischen Sprichwort: Ein Lehrer für einen Tag – ein Vater für das ganze Leben.“ Zu seinem 75. Geburtstag bekam Chiao von Schülern, Kollegen und Weggefährten eine Festschrift verliehen mit dem bezeichnenden Titel „Brücke zwischen Kulturen“, zu seinem 90. Geburtstag kamen viele zusammen, um ihn mit einem Symposium zu ehren.

„Er lebte seinen Schülern und Kollegen stets die besten Seiten konfuzianischer Menschenbildung vor“, würdigt Prof. Karl-Heinz Pohl den Verstorbenen. „In jener Tradition wird der charakterlich gebildete Mensch als Edler (junzi) – und zwar als Edler von Gesinnung – bezeichnet. Heute wird dieser Begriff übersetzt als ,beispielhafte Person’. Genau das zeichnet die menschliche Seite von Professor Chiao aus; und so betrauern wir nun den Weggang eines für uns beispielhaften Menschen.“

Ein vor tausend Jahren lebender berühmter Chinese, Fan Zhongyan, hat über exemplarische Figuren des Altertums einmal gesagt – und das Wort könnte auch für Prof. Chiao stehen: „Ach, gäbe es nicht Menschen dieser Art, wer sonst denn könnte weisen uns den Weg?“

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