Dem Kriegsleid entkommen

Ulmen · Der Bürgerkrieg und die eskalierende Gewalt in Syrien haben Silina Alsarj (19) den Vater geraubt. Deutschland, der Friede und helfende Hände in der Eifelstadt Ulmen gaben ihr die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zurück.

 Ulmens Beigeordneter Karl Eckardt und Silina Alsarj (19): Die Hilfe, die sie in der Eifel bekommt, macht ihr Hoffnung. Foto: David Ditzer

Ulmens Beigeordneter Karl Eckardt und Silina Alsarj (19): Die Hilfe, die sie in der Eifel bekommt, macht ihr Hoffnung. Foto: David Ditzer

Foto: David Ditzer (e_daun )

Ulmen. Vor zwei Jahren ist ihr Vater Gris "im Krieg getötet worden", erzählt Silina Alsarj mit leiser Stimme. Sie sitzt in einer gut beheizten kleinen Wohnstube, wo auch das Büro der Stadt Ulmen untergebracht ist. Mit im Raum sind Karl Eckardt, Erster Beigeordneter, und seine Frau Helga Schmitt-Eckardt. Die beiden kümmern sich als ehrenamtliche Flüchtlingshelfer um die junge Frau aus Syrien.
Silina beginnt, die Umstände zu schildern, unter denen ihr Vater starb - wie ihn Terroristen einer Gruppe namens "Jabhat al-Nusra" überfallen und umgebracht haben. Das Leben ihres Vaters sei in den Augen der Dschihadisten nicht viel wert gewesen, weil er Christ war. Mit ihrem Abiturzeugnis, einem Pass und einer Art Stammbuchauszug - die Dokumente wurden hier ins Deutsche übersetzt - waren Silina und ein Cousin nach Deutschland geflohen. Viel mehr hatte Silina nicht bei sich, abgesehen von der Kleidung, die sie am Leib trug und einem Handy. Doch erstaunlicherweise war es nicht der grausame Tod ihres Vaters, der Silina dazu bewog, ihre Heimat zu verlassen. Es war ein anderes Gewalterlebnis: Nach ihrem Abitur wollte Silina zunächst ein Jahr in Damaskus Medizin studieren. Aber dann kam der Moment, der diese Pläne zunichtemachte: "Ich war mit Freunden in Damaskus unterwegs, da schlug wenige Meter von uns entfernt eine Granate ein", erzählt die junge Frau. Das Geschoss "tötete einige Leute", und Silina sagte sich: "Es reicht, ich lebe jetzt schon fünf Jahre lang im Krieg, verliere meine Zeit und meine Jugend. Als der Krieg anfing, war ich 14 Jahre alt. Nun bin ich eine erwachsene Frau. Ich muss mir eine Zukunft aufbauen." Also ging Silina zu ihrer Mutter und sagte ihr, sie wolle nach Deutschland fliehen, um dort zu studieren. Ihre Mutter war einverstanden. Silina entschied sich für Deutschland, weil "es einfach und nicht so teuer ist, hier zu studieren", begründet sie. Die finanziellen Mittel ihrer Familie reichten jedoch nur, um ihre Flucht, die des ältesten Kindes, zu finanzieren. Ihre Mutter Samar blieb in Damaskus bei Silinas Schwestern Taqla (18) und Briskla (12) sowie bei ihrem Bruder Bouls (8).
Am 24. August 2015 begaben sich Silina und ihr Cousin auf ihre Reise ins Ungewisse. Mit dem Bus ging's in den Libanon, per Flugzeug in die Türkei. Dann der gefährlichste Teil der Flucht: 45 Menschen drängten sich in ein Schlauchboot, das für weitaus weniger Leute ausgelegt war. Dennoch schafften sie es bis nach Griechenland. Die erste Stadt auf deutschem Boden war München, von dort ging es über Stuttgart und Ingelheim nach Ulmen. Die 19-Jährige will nun Deutsch lernen, dann ein Studium in Richtung Film und Regie aufnehmen. Silina: "Mein sehnlichster Wunsch ist es, meine Familie hier nach Deutschland zu holen und mit ihr Zeit zu verbringen."

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