Gesellschaft Flammender Appell gegen Parallelgesellschaften

Hillesheim · Der Landesbeauftragte für Integration hat in Hillesheim referiert. Er sieht gute Erfolge, fordert aber auch eine kluge Politik.

 Integrationsbeauftragter Miguel Vicente hat in Hillesheim referiert.

Integrationsbeauftragter Miguel Vicente hat in Hillesheim referiert.

Foto: Brigitte Bettscheider

Seit Mitte der 1950er Jahre ist Deutschland ein Einwandererland. Allein bis 1973 kamen 14 Millionen Gastarbeiter, hauptsächlich aus Italien, Spanien und der Türkei. Darunter war auch der Vater von Miguel Vicente. Der heute 53-jährige, noch in Spanien geborene, Miguel Vicente ist von Beruf Diplom-Ingenieur der Physikalischen Technik (FH) und seit Mai 2011 als Beauftragter der Mainzer Landesregierung für Migration und Integration tätig und landesweit unterwegs. Nun referierte er im Pfarrheim Hillesheim vor zwei Dutzend Zuhörern über Integration.

    Als Spanier hätten sie in Deutschland in einer Parallelgesellschaft gelebt, erinnert sich Vicente an seine Kindheit und Jugend in Mainz. Elf Millionen der Gastarbeiter seien wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt – „und beschreiben heute noch Deutschland als Paradies“, weiß er aus der eigenen Familie und aus vielen Gesprächen und Berichten über die erste Generation der Einwanderer. Im historischen Gedächtnis der Deutschen seien die Gastarbeiter kein Problem.

    In Wellen seien seither Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen: die vietnamesischen Bootsflüchtlinge Anfang der 1980er Jahre, die Spät­umsiedler in den beiden Jahrzehnten nach 1990, die Asyl suchenden Kriegsflüchtlinge besonders seit 2015. „Heute haben etwa 22 Prozent der deutschen Bevölkerung einen Migrationshintergrund“, sagt Vicente. Zwar fühlten sich gerade durch die jüngste Entwicklung viele Einheimische überfordert und sähen sich unmittelbar konfrontiert, suchten Distanz zu Personen und Ereignissen. „Doch noch nie zuvor hat die Integration von Zugewanderten in Deutschland so gut funktioniert wie jetzt“, betont der Referent. Die Flüchtlinge entwickelten eine große Integrations-Dynamik, erklärt Vicente. So spreche ein syrischer Flüchtling heutzutage nach drei Jahren besser Deutsch als ehemals ein südeuropäischer Gastarbeiter nach 30 Jahren.

   Etwa 50 Prozent der Deutschen hätten Ressentiments gegenüber Asylsuchenden, weiß Vicente. „Aber genau so viele sind offen und solidarisch, denken in globaleren Maßstäben, wollen helfen“, betont er. Und sagt: „Zwischen diesen beiden Gruppen verläuft die Konfliktlinie, nicht zwischen Deutschen und Zugewanderten.“ Von einem großen Ausmaß an Wirtschaftsflüchtlingen, wie ihn die Rechtspopulisten deklamierten, könne keine Rede sein. Darauf müsse eine kluge Politik eingehen – auch darauf, dass sich Deutsche im eigenen Land fremd fühlten und den Kontrollverlust der Regierung befürchteten.

   „Integration ist eine Frage der Perspektive“, fasst Miguel Vicente zusammen. Der Zuwanderer möchte – wie jeder Mensch – Anerkennung und Teilhabe. Die „Aufnahmegesellschaft“ setze Normen und stelle Erwartungen.

   Der Vortrag von Miguel Vicente war Teil der Veranstaltungsreihe „Ich – Du - Wir“ der Pfarreiengemeinschaft Hillesheimer Land (der Trierische Volksfreunde berichtete). Die Gemeindereferentin Stefanie Peters und die Pastoralreferentin Vanessa Lay hatten die Leitung. Die Reihe läuft noch bis zum 30. September. Infos unter www. pfarreien-hillesheim.de.

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