"In Alibi-Gremien wird sehr wenig bewirkt"

DAUN. Vor exakt 20 Jahren wurde die Kreisgruppe des BUND (Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland) gegründet. Norbert Leinung ist seit 1999 der Vorsitzende. Im TV -Interview stellt er die vielfältigen Aufgaben der BUND-Kreisgruppe mit 100 Mitgliedern vor.

Herr Leinung, was machen sie eigentlich? Was löste die Gründung einer Gruppe aus? Leinung: Die geleistete Arbeit der BUND-Kreisgruppe lässt sich kaum in Zahlen und überhaupt nicht in Euro darstellen. Rund 2000 Kilometer werden pro Jahr im Kreis Daun für die Bewältigung der zurückgelegt. Herausragend in den Anfängen waren zum einen die Verhinderung der Wildwasserbahn an der Kasselburg und den Bau eines Campingplatzes im Schutzer Tal. Diese Aktionen überschnitten sich mit der Gründung der Kreisgruppe. Die Wildwasserbahn ist allein eine Initiative von Thea und Wolfgang Merkelbach gewesen, den Campingplatz zu verhindern, war ein Verdienst von Wolfgang Wagner und Bernd Tombers. Thea Merkelbach ist das einzige noch aktive Gründungsmitglied. Dann legte die Gruppe gemeinsam los. Wie ging es weiter? Leinung: Ende der 80er Jahre kämpfte die BUND-Kreisgruppe vehement um das Schalkenmehrener Maar. Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Wasser zu kippen drohte, weil es im Frühjahr durch die Düngung der angrenzenden Äcker und im Sommer durch den Badebetrieb belastet wurde. Mit Unterschriftenaktionen und Anträgen an verschiedene Behörden konnte der bis dahin illegal, aber behördlich geduldete Campingbetrieb am Maar verhindert werden. Mit einer neuen Rechtsverordnung wurde dann der heutige Zustand erreicht. Leider wollten die zuständigen Behörden nicht, dass Flugplatz und Skipiste aus dem Naturschutzgebiet verschwanden. Und was ist mit den vielen Stellen im Kreis, wo Lava abgebaut wird und sich immer wieder Bürgerinitiativen dagegen formieren? Leinung: Das ist ein Dauerbrenner. Rechnerisch verschwindet pro Jahr ein Berg durch den Landschaftsverbrauch zur Rohstoffgewinnung, also Lava-, Basalt- oder Kalkabbau. Auf rund 1000 Hektar Fläche dürfte derzeit abgebaut werden. Es ist beklemmend zu sehen, wie unser Lebensraum in Kalk- und Zementsäcke verpackt wird oder Berge unter den Bitumenschichten der Straßen verschwinden. Wird das langfristig dem Tourismus in der Eifel schaden? Leinung: Der Tourismus ist auf eine gesunde und ansprechende Natur angewiesen. Aber auch der Kommerz trägt seinen Teil zur Zerstörung oder Beschädigung der Natur bei. Im Naturschutzgebiet an den Gerolsteiner Dolomiten wird Klettersport betrieben, rund um die Dauner Maare Moutainbiking. Ganz zu schweigen von der Skipiste mit geplanter Beschneiungsanlage mitten in einem Naturschutzgebiet. Und wie steht die BUND-Kreisgruppe zu den Industrie- und Gewerbegebieten? Leinung: In den vergangenen 15 Jahren wurden mehr als 1000 Hektar Fläche für Bau- und Gewerbegebiete verbraucht. Insgesamt hat die BUND-Kreisgruppe seit Bestehen an über 600 verschiedenen Verfahren mitgewirkt und eine Stellungnahme abgegeben. Dabei zeigt es sich heute, dass großzügig ausgewiesene Industrie- und Gewerbegebiete nicht voll belegt sind oder wie in Gillenfeld/Ellscheid erst gar nicht ausgebaut wurden. Andererseits werden Talauen wie das Kylltal mit Fabrikhallen verschandelt. Das Kirchturmdenken herrscht immer noch vor. Wie stehen Sie zum Lückenschluss der A 1?Leinung: Der Lückenschluss zwischen Mehren und Tondorf ist das größte, immer noch nicht fertig gestellte Straßenprojekt der vergangenen 20 Jahre. Einen solchen Naturfrevel zu verhindern, geht nicht mit guten Worten und Argumenten, wenn das Projekt prestigeträchtig und politisch gewollt ist. Hier fehlt immer noch die Einsicht der Verantwortlichen. Wie sieht die Zukunft der BUND-Kreisgruppe aus? Leinung: Die Jugend heute organisiert sich anders, beispielsweise bei "Attac". Zu Zeiten einer Globalisierung und neuen Formen der Ausbeutung und Gleichmacherei setzen die Menschen andere Prioritäten. Da rutscht der Umweltschutz auch mal auf Platz zwei oder drei ab, ohne aber vom Treppchen steigen zu müssen. Dennoch drängt der Gedanke sich auf, dass Natur- und Umweltschutz zwar gesetzlich verankert ist, aber von niemandem so richtig gewollt ist; schon gar nicht von den zuständigen Behörden. In Alibi-Gremien wird viel geredet, aber sehr wenig bewirkt. Und in Zeiten der Geldknappheit streicht man zuerst dort, wo es nach Meinung vieler eine "Verschwendung" ist: beim Naturschutz. Deshalb darf auch eine so kleine Gruppe wie die BUND'ler im Kreis Daun mit ihren Aktivitäten nicht nachlassen. So lange wir aktiv sind, schlafen auch die Behörden nicht ein. S Die Fragen stellte unsere Mitarbeiterin Gabi Vogelsberg.

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