Windkraft: Obere Kyll hat die Nase vorn

93 Windräder, die höher sind als 35 Meter, stehen im Landkreis Vulkaneifel. Am meisten Strom aus Windenergie erzeugt die Verbandsgemeinde Obere Kyll. Mit dem neuen Beschluss der regionalen Planungsgemeinschaft, die Vorranggebiete deutlich zu erweitern, könnte sich das bald ändern.

Daun/Gerolstein. Sie ragen hoch über die Wälder hinaus und sind oftmals das Erste, was bereits von Weitem ins Auge sticht: Windräder prägen das Landschaftsbild in der Vulkaneifel. Und das schon seit fast 30 Jahren. Bisher war ihre Verteilung in der Region Trier aber auf 90 Standorte begrenzt. Mit dem Beschluss der regionalen Planungsgesellschaft soll diese Zahl auf 180 ausgeweitet werden (der TV berichtete).

"Inzwischen sind auch viel mehr Flächen interessant", sagt Uli Diederichs, Baudezernent der Kreisverwaltung, zu der Änderung des Regionalplans. Die Technik sei besser und feiner geworden, so dass auch windschwächere Gebiete genutzt werden könnten.

Wie sich der Beschluss zu den Vorranggebieten auf die Vulkaneifel auswirke, dazu kann er sich aber noch nicht äußern. "Das Verfahren kommt gerade erst in Gang", erläutert Dieter Hein, Abteilungsleiter Bau der Kreisverwaltung.

93 Windkraftanlagen, wie die weißen Riesen eigentlich heißen, mit einer Höhe von mehr als 35 Metern drehen sich derzeit im Kreis. Allein 63 davon stehen in der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll, da in dem Gebiet das durchschnittliche Windaufkommen am höchsten ist. Bereits 1991 wurde dort das erste Windrad in Ormont gebaut.

Die anderen Anlagen verteilen sich folgendermaßen: 13 in der VG Daun, zehn in der VG Kelberg, vier in der VG Hillesheim sowie drei in der VG Gerolstein.

Das bisher letzte Windrad wurde 2009 aufgestellt. Es gebe aber weiterhin Anfragen, sagt Hein. "Einen riesigen Druck haben wir hier aber nicht." Weder von den Antragstellern noch von den Gegnern.

Denn die haben sich laut Hein mit den bestehenden Windrädern abgefunden. "Im Moment ist es ruhig", sagt auch Diederichs. "Mit den neuen Flächen kann das aber wieder aufleben." Die Frage, inwieweit die Landschaft beeinträchtigt werde, stehe dann wieder im Raum.

Dieter Hein sieht noch ein Problem, das der neue Regionalplan mit sich bringe: "Es ist planerisch gar nicht in Betracht gezogen worden, ob die Netze diesen zusätzlichen Strom überhaupt aufnehmen können." Ein Umbau der Netze ist seiner Ansicht nach erforderlich. Das sei für Investoren ein wichtiges Kriterium.

Insgesamt reagiert die Kreisverwaltung auf den Beschluss der regionalen Planungsgemeinschaft aber emotionslos. Diederichs: "Was letztlich abgewogen wird, haben wir zu akzeptieren und entsprechend umzusetzen."

Meinung

Die Balance halten!

Es ist still geworden um die Windkraft. Die Eifeler haben ihren Frieden gemacht mit den Mega-Spargelstangen, die für die einen die Landschaft verschandeln, für die anderen eine willkommene Einnahmequelle für die eigene oder die Gemeindekasse sind. Dass die noch vor wenigen Jahren teils heftigen Streitigkeiten nicht eskaliert sind, hat vor allem damit zu tun, dass die Kommunalpolitiker verantwortungsvoll gehandelt haben. Auf der einen Seite wurde keine Blockadepolitik betrieben, auf der anderen Seite dem Wildwuchs Einhalt geboten. Diese Strategie des Maßhaltens sollte auch an den Tag gelegt werden, wenn jetzt ein neuer Sturm von Genehmigungsanträgen auf die Kommunen zukommt. Lieber einige wenige neue Vorranggebiete ausweisen und dort die Anlagen konzentrieren als überall, wo es die Planungsgemeinschaft als möglich erachtet. Letztlich geht es um die Balance zwischen Frieden im Dorf und unberührter Natur sowie Geld in der Kasse. m.huebner@volksfreund.deHintergrundVorranggebiete für Windkraft: Damit der ehemalige Regierungsbezirk Trier nicht überall mit Windrädern zugebaut wird, haben die hiesigen Kommunalpolitiker in der sogenannten Planungsgemeinschaft im Jahr 2004 zunächst 90 Gebiete - mit Beschluss vom 9. Dezember 2010 nun 180 Flächen - ausgewiesen, auf denen die Anlagen errichtet werden dürfen. Auf anderen Gebieten war ab diesem Zeitpunkt die Aufstellung der weißen Riesen verboten. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich auf anderen Flächen keine Windräder drehen. Denn für die vor 2004 gebauten Riesen gab es keine Einschränkungen. Deshalb stehen beispielsweise 25 der 63 Windräder in der VG Obere Kyll außerhalb der Vorranggebiete. Dieter Hein, Abteilungsleiter Bau der Kreisverwaltung: "Sie haben Bestandsschutz, dürfen aber nicht ausgebaut werden." Für die Ortsgemeinden ist das ein lukratives Geschäft. Denn sie können über die Verpachtung der Räder Geld einnehmen, das sie nicht über die Umlage an den Kreis oder die VG weitergeben müssen.ExtraStrom aus Windenergie: Die 93 Windenergieanlagen im Landkreis Vulkaneifel haben 2009 rund 142 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt. Die Windkraft macht damit am Gesamtstromverbrauch im Kreis mit rund 37 Prozent den größten Anteil der regenerativ erzeugten Energie aus. Wasserkraft, Biomasse und Solarenergie hingegen spielen nur eine untergeordnete Rolle: Sie kommen zusammen nur auf einen Anteil von etwa drei Prozent. Knapp 60 Prozent der Energie, die im Landkreis Vulkaneifel verbraucht wird, wird nach wie vor aus fossilen Energieträgern und Atomkraft gewonnen (Stand 2008). Der Anteil der Windkraft schwankt zwischen den Verbandsgemeinden allerdings stark. So wurde in der Oberen Kyll bilanziell mehr Strom mit Hilfe von Windrädern erzeugt als verbraucht wurde. 2008 waren es 131 Prozent. In der VG Kelberg waren es hingegen nur 53 Prozent des Gesamtverbrauchs, 21 Prozent in der VG Daun, elf Prozent in der VG Hillesheim sowie vier Prozent in der VG Gerolstein. (hsc)

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