Zwei Frauen für 146 Kinder in Not

DAUN. Sexueller Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern sind auch in den Kreisen Daun und Bitburg-Prüm keine Seltenheit. Im vergangenen Jahr betreute der Kinderschutzdienst 146 solcher Kinder. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Trotz der Not wird der Kinderschutzdienst personell nicht aufgestockt.

Der Kinderschutzdienst (KSD), angedockt an den Caritas-Verband Westeifel, ist seit 2002 ein fester Bestandteil im Hilfs- und Betreuungsangebot für Kinder in Not. Immer mehr Kinder aus den beiden Eifelkreisen nehmen die Hilfe von Diplom-Psychologin Heide Schmidtmann (Vollzeitstelle) und die Diplom-Pädagogin Karin Knötgen (50-Prozent-Stelle) in Anspruch. Hat sich die Zahl der Hilfesuchenden 2003 um drei Fälle gegenüber dem Vorjahr gesteigert, waren es 2004 vier Fälle und 2005 sogar gleich 14 Beratungs-Fälle mehr. Doch obwohl der Bedarf kontinuierlich steigt, wird der Dienst personell nicht aufgestockt. Wegen Finanznot kann nicht aufgestockt werden

Marlene Wierz, Caritas-Geschäftsstellenleiterin in Daun, erklärt: "Auch nach vier Jahren ist eine Erhöhung aus Landesmitteln nicht denkbar, und die angespannte Finanzlage der Kreise lässt eine Erweiterung unrealistisch werden." Der Caritasverband habe als Träger nach wie vor ein Interesse am Ausbau auf zwei Vollzeitstellen, aber "das Signal der momentanen wirtschaftlichen Unmöglichkeit sei überdeutlich". Die beiden KSD-Frontfrauen haben ihre Arbeit darauf eingestellt. Schmidtmann: "Der Puffer aus der Präventionsarbeit wird in die Fallarbeit gesteckt." Der Kooperationspartner "Interessengemeinschaft für Kinderschutz" übernehme größtenteils diesen Part. Von den 146 Fällen blieben nach Beratungsgesprächen 80 in einer langfristigen Betreuung (42 bis zu einem halben, 24 bis zu einem Jahr und die restlichen länger). Mit 41 Beratungsfällen wird der Dienst am häufigsten von Kindern wegen sexuellen Missbrauchs aufgesucht. Die bundesweiten Erkenntnisse, dass 25 Prozent der Täter aus der Familie und bis zu 60 Prozent aus dem nahen sozialen Umfeld kommen sowie etwa 15 Prozent Fremde sind, spiegeln sich auch in der Beratungsarbeit mit Kindern aus den beiden Eifelkreisen wider. Für den KSD steht nicht die Strafverfolgung der Täter, sondern das kindliche Opfer im Vordergrund. Knötgen erklärt: "Es gilt gut hinzusehen, ob das Kind dem mehrmaligen Nacherzählen der Tatvorgänge während einem Verfahren überhaupt gewachsen ist." Oft rät der KSD zur juristischen Beratung. So berichtet Schmidtmann, dass manchmal die Kinder auch froh seien, zur Polizei zu gehen: "Zum Beispiel bei einem Mädchen, wo der Vater diesen Vorschlag gemacht hat. Der Täter kam aus dem Bekanntenkreis." Wie schon im vergangenen Jahr verzeichnete der KSD auch 2005 neun Fälle von minderjährigen Sexualstraftätern. In einem Fall forderte der 17-jährige Sohn einer befreundeten Familie von einer 14-Jährigen Oralverkehr, um eine Wettschuld einzulösen. In einem anderen Fall probierte ein 13-Jähriger an seiner fünfjährigen Cousine sexuelle Reaktionen aus. Diplom-Psychologin Schmidtmann erklärt: "Wir betreuen die Kinder ganzheitlich. Sexueller Missbrauch ist oft gekoppelt mit anderen Problemen wie Vernachlässigung, Mobbing oder Schulproblemen." Zunehmend bekommt der Kinderschutzdienst mit, dass auch in einigen Elternhäusern im Kreis Daun die Rituale von Sekten üblich sind. Häufig werden Pubertierende unter dieser psychischen Belastung dann auffällig und nehmen das KSD-Angebot in Anspruch. Der KSD wird immer enger ins Netzwerk der Institutionen eingebunden. So hat sich die Kooperation mit den Schulen bei der Meldung von Auffälligkeiten seit dem KSD-Start im Jahr 2002 verdoppelt. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit Jugendämtern, Jugendhilfeeinrichtungen oder der Polizei. ANSPRECHPARTNER: Heide Schmidtmann, Telefon 06561/96710, h.schmidtmann@bitburg.caritas-westeifel.de oder Karin Knötgen, Telefon 06592/95730, k.knoetgen@daun.caritas-westeifel.de, unter der kostenfreien Nummer 0800/9410400.

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