Gesundheit Landesärztekammer-Chef: Leistungen der Heilpraktiker beschränken

Trier · Der Chef der Landesärztekammer fordert, die Leistungen der Heilpraktiker zu beschränken. Die meisten Therapien seien unwirksam.

„Wer gerne Menschen bei der Gesunderhaltung oder Gesundung helfen möchte, wer sich für Medizin interessiert und wer gerne eigenverantwortlich in einem freien Beruf arbeiten möchte, hat eine gute Grundlage, um den Heilpraktikerberuf anzustreben.“ So wirbt der Fachverband Deutscher Heilpraktiker für den Beruf. Ein Beruf, der in den Augen der niedergelassenen Ärzten überflüssig ist. „Heilpraktiker“, sagt etwa Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, „brauchen wir nicht.“

Der Trierer Chirurg, der seit Anfang des Jahres oberster Ärztefunktionär im Land ist, geht nicht so weit wie andere Schulmediziner, die Heilpraktiker verbieten wollen. Matheis fordert aber, dass die Leistungen, die die Heilpraktiker anbieten dürfen, begrenzt wird. Er spricht sich für eine Art Schwarze Liste von Therapien aus, die diese künftig nicht mehr erbringen sollen.

Derzeit dürfen Heilpraktiker keine Infektionskrankheiten behandeln, sie dürfen keine Geburtshilfe leisten und keine rezeptpflichtigen Medikamente verordnen, nicht röntgen und auch nicht den Tod feststellen. Ansonsten ist das Leistungsspektrum in einigen Bereichen durchaus mit dem von Ärzten vergleichbar. Sie dürfen eigenständig Diagnosen stellen und auch Infusionen legen. Nach Ansicht von Matheis reicht dafür aber die Ausbildung der Heilpraktiker nicht aus. „Das steht in keinem Verhältnis“, sagt der Ärztechef im Gespräch mit unserer Zeitung. Mediziner fordern schon seit langem, dass die Tätigkeiten der Heilpraktiker eingeschränkt werden sollen, etwa, dass sie keine Infusionen anlegen oder Spritzen geben dürfen. Und dass sie keine Krebspatienten behandeln dürfen.

Matheis erinnert an einen Fall aus dem vergangenen Jahr. Ein Heilpraktiker im nordrhein-westfälischen Brüggen-Bracht soll Krebspatienten eine nicht zugelassene Substanz gespritzt haben – für jeweils 10 000 Euro. Mehrere von ihnen sollen gestorben sein. In einem Punkt sieht der Ärztechef die Heilpraktiker gegenüber den Schulmedizinern im Vorteil: „Sie reden ausführlich mit ihren Patienten, vermitteln ihnen, sie ernst zu nehmen.“

Die Zeit für Gespräche komme bei seinen Kollegen oft zu kurz, gesteht Matheis. Er warnt davor, die Möglichkeiten von Heilpraktikern zu überschätzen.

Die Zulassung als Heilpraktiker ist im seit 1939 (!) geltenden Heilpraktikergesetz geregelt. Darin heißt es lediglich: „Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestellt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis.“ Eine Ausbildung ist darin nicht vorgeschrieben. Und genau darauf zielt auch die Kritik der Mediziner ab. Um zu einer Prüfung zum Heilpraktiker zugelassen zu werden, die in einem Gesundheitsamt abzulegen ist – in Rheinland-Pfalz ist dafür das Gesundheitsamt Mainz-Bingen zentral zuständig – , ist nicht zwingend eine Ausbildung nötig.

Man muss 25 Jahre alt, nicht vorbestraft und (amtsärztlich bestätigt) gesund sein. Ein Hauptschulabschluss reicht aus. Die schriftliche Teil der Prüfung umfasst 60 Fragen, bei denen jeweils verschiedene Antworten vorgegeben sind. Mindestens 45 Fragen müssen in zwei Stunden richtig beantwortet werden. Auch im mündlichen Teil vor einem Amtsarzt müssen Fragen beantwortet und am Ende eine praktische Aufgabe bewältigt werden. Fällt man durch, kann man die Prüfung so oft wie nötig wiederholen, muss dann allerdings immer wieder die Prüfungsgebühr von rund 300 Euro zahlen.

Auch wenn Heilpraktiker darauf hinweisen, dass die zweijährige Heilpraktiker-Ausbildung den Stoff enthalte, den Medizinstudenten haben müssen, wenn sie ihre Ausbildung im Krankenhaus beginnen, gibt es anders als bei angehenden Ärzten nicht die Vorschrift, dass künftige Heilpraktiker vorher eine entsprechende Ausbildung machen müssen. Theoretisch können sie sich das nötige Wissen auch selbst beibringen. Zumal eine zweijährige Ausbildung an einer Heilpraktikerschule, wie es sie auch in Trier gibt, mit 1560 Unterrichtsstunden nach Angaben auf der Internetseite mindestens stattliche 7828 Euro kostet.

Der Landesverband der Heilpraktiker, der nach eigenen Angaben 400 Mitglieder vertritt, sieht sich trotz der Kritik der rheinland-pfälzischen Ärztekammer nicht zu einer Stellungnahme bemüßigt. Die Trierer Bezirksvorsitzende leitet die Anfrage unserer Zeitung an den Landesvorsitzenden, Rolf Lötgen, weiter. Dieser lässt wisssen, dass die von Matheis vorgebrachten Vorwürfe „offensichtlich nichts Aktuelles“ sind. Da er sich bereits im Weihnachtsurlaub befinde, verweise er auf früher getätigte Stellungnahmen des Bundesvorsitzenden seine Verbandes. Bei der Kritik der Ärzte gehe es anscheinend ausschließlich darum, unliebsame Konkurrenz loszuwerden, sagte Verbandschef Christian Wilms im Sommer in einem Interview.

Heilpraktiker leisteten einen „großen Beitrag“ zur „Gesunderhaltung und Gesundwerdung“ ihrer Patienten, sagte er weiter. Sie unterlägen der gleichen Sorgfaltspflicht wie Ärzte, sie müssten die Vorrausstzungen „fachgemäßer Behandlung kennen und beachten“, heißt es in einer Stellungnahme des Heilpraktikerverbandes nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Tod von Krebspatienten. Heilpraktiker dürften nicht unkontrolliert alles und jeden behandeln. Sie würden von den Gesundheitsämtern überprüft, so dass bei „einer Ausübung der Heilkunde keine Gefahr für die Gesundheit der Patienten zu befürchten ist“.

Das sieht Matheis anders. Es gebe für keine der von Heilpraktikern angebotenen Therapien wissenschaftliche Belege für deren Wirksamkeit. „Viele der Versprechen und angebotenen Therapien sind null und nichtig.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort