Regionale Wirtschaft Auf dem Petrisberg wird der Autohandel digital

TRIER · Die Deutsche Autohaus AG ist das nächste Großprojekt des Trierer Unternehmens Carmato und soll bundesweit mehrere Tausend Händler und Hunderttausende Fahrzeuge bündeln.

 Online Tausende Händler vernetzen und den Autoverkauf digitalisieren, das ist das Ziel der Deutschen Autohaus AG.

Online Tausende Händler vernetzen und den Autoverkauf digitalisieren, das ist das Ziel der Deutschen Autohaus AG.

Foto: TV/ensch-media/Carmato

Wolfsburg? Stuttgart? München? Nein, nicht in den großen deutschen Autostädten, sondern auf dem Trierer Petrisberg wird am Autohaus der Zukunft gearbeitet. Und es wird nicht geschraubt und gehämmert, sondern es geht komplett digital zu bei der Deutschen Autohaus AG (DAAG). Dahinter steckt das Trierer Unternehmen Carmato, das sich seit einigen Jahren auf die Digitalisierung des Autohandels spezialisiert hat, hinter Carmato wiederum steht federführend Marc Herschbach, der viele Jahre an der Spitze der Tix-Gruppe stand und das Eifeler Unternehmen zwischenzeitlich zu einem der größten Toyota- und Lexus-Händler Europas gemacht hatte.

Herschbach kennt sich also mit dem Autohandel aus, seine Partner Norman Kassler und Dr. Jörg Haas sind erfolgreiche IT-Unternehmer. Gemeinsam haben sie vor einigen Jahren mit Carmato eine Plattform ins Leben gerufen, die von vielen großen Autohäusern in ganz Deutschland und der Schweiz genutzt wird, um den Verkauf zu digitalisieren.

Mit der DAAG sollen nun noch mehr Autohäuser aller Marken und Hersteller gebündelt werden – und sich von anderen Onlinehändlern wie Mobile.de abheben. Das Konzept ist ganz einfach: der Aufwand des Autokaufs – egal ob Neu- oder Gebrauchtwagen – soll weg vom Händler hin zum Kunden. Der gibt ein, welches Fahrzeug oder welchen Fahrzeugtyp er/sie will, ob er ein Fahrzeug in Zahlung geben will, ob er eine Finanzierung oder Versicherung benötigt, und erhält dann automatisierte und passende Angebote querbeet über alle Hersteller und alle Autohäuser hinweg. Alles – bis hin zu weiteren Services wie Winterreifen, Anhängekupplung – wird komplett digital abgewickelt, der Aufwand des Händlers wird deutlich minimiert, denn das System beinhaltet alle Transaktionen.

„Die Autohändler stehen unter erheblichem Druck, weil die Hersteller über ihre Portale direkt die Fahrzeuge verkaufen wollen und weil die Gewinnmargen immer geringer werden.

Mit der DAAG werden die Kosten und der Aufwand pro Verkauf erheblich gesenkt und durch das Wissen über das Kundenverhalten können auch nach dem Verkauf Zusatzeinnahmen generiert werden“, sagt Herschbach, der schon viele große Händler für sein neues Projekt gewinnen konnte – obwohl sie nun auf der neuen Plattform gemeinsam mit Konkurrenten auftreten.

Das Konzept der DAAG sieht zudem vor, dass die Autohäuser Gesellschafter werden und so die Zielrichtung mitbestimmen können – und die Anteile gleich groß sind, das heißt, nicht nur die Größe eines Autohauses entscheidet über die Mitspracherechte. Die gemeinsamen Einnahmen der DAAG sollen zu 60 Prozent wieder in verschiedene Kanäle des Onlinemarketing re-investiert werden.

Laut einer Studie ist die Zielgruppe für den Online-Autokäufer enorm gewachsen, bis zu 45 Prozent haben entweder bereits ein Fahrzeug komplett online erworben oder planen das. Das Durchschnittsalter der bisherigen Carmato-Kunden lag bei 44 Jahren, durchschnittlich wurden vier Jahre alte Fahrzeuge über die Plattform verkauft. In den vergangenen Jahren habe sich das Kundenverhalten – wie überall im Handel – erheblich geändert, auch wegen der Einschränkungen durch Corona.

Herschbach vergleicht den Autokauf der Zukunft mit dem Wandel der Reisebranche: „Früher gingen die Kunden ins Reisebüro, heute läuft alles digital ab, ich buche meine Reise ohne großen Zeitaufwand direkt am Computer, verknüpfe Flüge, Hotels und Mietwagen. So läuft auch künftig der Großteil aller Autokäufe. Weil wir nur mit zertifizierten Händler arbeiten und die Online-Shops viel sicherer wurden, haben die Leute heute ein großes Vertrauen in Onlinegeschäfte, auch wenn es um große Summen geht, wie beim Autokauf oder der Hausfinanzierung.“

Der Vorteil für die Händler ist eine niedrige Grundgebühr von 49 Euro pro Autohaus und eine geringe Provision pro Kauf und Verkauf – und die wird nur im Erfolgsfall fällig. Die Masse macht es eben angesichts von potenziell bis zu 15 000 Autohäusern mit bis zu einer halben Million Fahrzeugen, die man über die DAAG auf dem Markt platzieren könnte und auch will.

Auch alle potenziellen Banken, die Autofinanzierungen anbieten, sind im System hinterlegt, das heißt, der Kunde hat viele Wahlmöglichkeiten. „Autokauf über unsere Plattform soll so einfach und sicher sein wie bei Amazon ein Buch zu kaufen“, lautet Herschbachs Devise.

Das Rezept von Carmato und DAAG ist das detaillierte Tracken und Sammeln der Kundendaten, die nach Eingabe in den Besitz des Händlers übergehen. Der Kunde wird also gläsern, und durch die Analyse des bisherigen Onlineverhaltens können gezielte Angebote gemacht werden – und zwar aus ganz Deutschland, nicht nur regional begrenzt. Das Modell soll künftig sogar auf den Handel mit Teilen und auch Nutzfahrzeuge ausgeweitet werden.

 Carmato-Gründer Marc Herschbach stammt aus Wolsfeld bei Bitburg.

Carmato-Gründer Marc Herschbach stammt aus Wolsfeld bei Bitburg.

Foto: TV/ensch-media/Carmato

„Aktuell ist die Resonanz auf die DAAG riesig, das Gros der wichtigsten Händler wird dabei sein“, sagt Herschbach. Geplanter Start der DAAG ist im ersten Quartal 2022. Rund 25 Mitarbeiter – meist IT-Entwickler und Digitalmarketingexperten – von Carmato arbeiten am Standort Trier, der Rest in Bonn, wo der Hauptinvestor des Unternehmens seinen Sitz hat.

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