Leitartikel zu neuen Corona-Verordnungen Die Landesregierung verspielt das Vertrauen der Bürger

Das Land hat am Donnerstagabend 24 (in Worten vierunzwanzig) Hygienekonzepte auf seiner Internetseite veröffentlicht und überschrieben mit „B wie Badegewässer bis Z wie Zoos“.

Die Landesregierung verspielt das Vertrauen der Bürger
Foto: TV/klaus kimmling

Das zeigt, wie akribisch und zumindest ansatzweise juristisch einwandfrei man die weiteren Lockerungen vorbereitet hin zu immer mehr Normalität.

Doch das Land verzettelt sich immer mehr im Klein-Klein der Vorschriften, die in vielen Bereichen in der Realität gar nicht oder nur mit einem riesigen und zumeist auch kostspieligen Aufwand umzusetzen sind. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die Landesregierung selbst langsam den Überblick verloren hat, was noch erlaubt ist und was nicht. Und sie scheint auch das Maß zu verlieren, was bei den Lockerungen wirklich notwendig ist.

Beispiel dafür ist, dass Bordelle ab kommenden Mittwoch öffnen dürfen. Es sei den Betreibern der Etablissements und den dort arbeitenden Frauen gegönnt, dass sie nach monatelanger Zwangsschließung wieder ihrem Gewerbe nachgehen dürfen.

Doch diese Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht aller Kinder und Eltern, die seit genauso langer Zeit darauf warten, dass in Kitas und Schulen zumindest ansatzweise wieder so etwas wie Normalbetrieb herrscht.

Nun ist klar, dass vor den Sommerferien, die in vier Wochen beginnen, daraus nichts mehr wird. Doch allen Beteuerungen zum Trotz bereitet das Bildungsministerium die Schulen vorsichtshalber schon mal darauf vor, dass auch nach den Sommerferien noch immer kein regelmäßiger Unterricht in den Schulen stattfinden könnte.

Dass Eltern dafür jedes Verständnis fehlt, dass Land und Schulen nach drei Monaten noch immer nicht in der Lage sind, verlässliche Perspektiven für die Schüler zu geben, scheint den Verantwortlichen in Mainz nicht wirklich bewusst zu sein. Und dass die Erlaubnis für die Wiederaufnahme des Bordellbetriebs wichtiger ist als ein geregelter Unterricht, zeigt, dass es am nötigen Fingerspitzengefühl bei den Entscheidungen über weitere Lockerungen fehlt. Oder ist der Kontakt zu Klassenkameraden und Lehrern gefährlicher als ein Besuch im Bordell? Eine Antwort darauf ist das Land bislang schuldig geblieben.

Es ist nicht das einzige Beispiel dafür, dass einzelne Ministerien überfordert zu sein scheinen. So sorgt das plötzliche und ohne Vorwarnung ausgesprochene Verbot von Schutzvisieren zu Recht für Ärger. Bislang waren diese als gleichwertiger Ersatz für sogenannte Alltagsmasken ausdrücklich erlaubt. Eine plausible Erklärung für den plötzlichen Sinneswandel kann das Gesundheitsministerium allerdings nicht liefern.

Damit verspielt die Landesregierung das Vertrauen der Bürger. Statt für Zustimmung zu werben sorgt sie mit einem teilweise unkoordiniert wirkenden Vorgehen, dass sich immer mehr weniger Menschen an die sich stets ändernden Vorgaben halten.
b.wientjes@volksfreund.de

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