Umwelt Cattenom als Garant für den Klimaschutz?

Cattenom · Der Direktor des Atomkraftwerks stellt die Anlage als Beitrag zum Umweltschutz dar und betont deren Sicherheit. Der Betreiber hat 158 Millionen Euro investiert.

   Der Direktor des Kernkraftwerks Cattenom, Thierry Rosso, geht davon aus, dass die Anlage noch über 20 Jahre am Netz bleibt. Eine Erweiterung sei aber nicht geplant.                                Fotos (2): Bernd       Wientjes

Der Direktor des Kernkraftwerks Cattenom, Thierry Rosso, geht davon aus, dass die Anlage noch über 20 Jahre am Netz bleibt. Eine Erweiterung sei aber nicht geplant.                        Fotos (2): Bernd       Wientjes

Foto: TV/Bernd Wientjes

Es ist eine imposante Kulisse, auf die man am Rande der kleinen lothringischen Gemeinde trifft. Aus drei der vier Kraftwerkstürme, die schon von weitem zu sehen sind, steigt an diesem kühlen Frühjahrsmorgen weißer Dampf auf, der sich am wolkenlosen blauen Himmel verteilt. Die Anlage hat so gar nichts Bedrohliches, wenn man direkt davor steht. Ein Schild an der Haupteinfahrt erinnert dann doch daran, wo man sich befindet: „Cattenom Centre Nucléair de Production d’Electricité“ – das Kernkraftwerk Cattenom, das hierzulande vor allem durch Pannen und Zwischenfälle Schlagzeilen macht. Das aber offenbar auf viele Besucher auch eine Faszination ausübt, wie der Blick in das Gästebuch am Eingang des Informationszentrums zeigt. Offenbar waren kürzlich Schüler in der Anlage zu Gast . „Ich habe den Tag genossen“, hat sich jemand mit krakeliger Handschrift auf Französisch eingetragen. „War sehr interessant“ oder „Danke für die Information“ steht über einer mit Kugelschreiber gemalten Silhouette des Kraftwerks.

Diese Faszination für die Anlage spiegelt sich nicht nur im Besucherzentrum wider, in dem die Geschichte der Atomkraft anschaulich und weitestgehend unkritisch dargestellt wird. Wenn Direktor Thierry Rosso über „sein“ Kraftwerk spricht, merkt man ihm jedes Mal an, wie begeistert er davon ist – und auch von der Atomkraft allgemein. Er wundere sich immer wieder, wenn er in ausländischen Medien vom „Pannenmeiler“ Cattenom lese, sagt Rosso bei der Jahrespressekonferenz im Kinosaal des Besucherzentrums, wo dem Dutzend Journalisten erst mal ein Werbefilm über das Kraftwerk gezeigt wird.

Um zu unterstreichen, wie „sicher“ es ist, bewertet Rosso die 44 „sicherheitsrelevanten“ Zwischenfälle, die es im vorigen Jahr gegeben hat. Fast alle seien auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare und radiologische Ereignisse auf der untersten Stufe mit „0“ eingestuft worden – als Ereignisse ohne Konsequenzen für die Sicherheit. Lediglich fünf seien mit „1“ und damit offiziell als Störung bewertet worden, sagt Rosso. 2018 habe die französische Atomaufsicht  24 Inspektionen vorgenomment, acht davon unangemeldet. Alle Prüfberichte seien öffentlich, sagt Rosso – und will wohl sagen: „Wir haben nichts zu verbergen.“ Für Irritationen gesorgt hat allerdings kürzlich die Bekanntmachung, dass der Radius rund um das Kraftwerk, in dem die Bevölkerung nach einem Atomunfall mit Jodtabletten zum Schutz gegen die Aufnahme von radioaktivem Jod versorgt wird, von zehn auf 20 Kilometer erweitert worden war. Rosso erklärt das mit einer ministeriellen Anweisung, die für alle 56 französischen Atomkraftwerke gelte – und nicht allein für Cattenom.

Der Kraftwerksdirektor verweist auf die Investitionen, die der französische Energiekonzern EDF im vergangenen Jahr als Betreiber in Cattenom getätigt habe.158 Millionen seien für Wartungsarbeiten aufgewendet worden. Der zweite der vier Reaktorblöcke sei erfolgreich einer ausführlichen Sicherheitsinspektion unterzogen worden und könne damit weitere zehn Jahre am Netz bleiben. Auch in diesem Jahr soll es drei geplante Abschaltungen einzelner Blöcke geben, um diese zu warten. Seit Januar laufen diese Arbeiten an Block vier. Daher ist an diesem Morgen kein Wasserdampf aus dem Kühlturm des Reaktors zu sehen. „Wir tun alles für die Sicherheit“. Allerdings wurden bislang nicht – wie nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 von der Atomaufsicht verlangt – in den vier Blöcken von Cattenom zusätzliche Notstromgeneratoren installiert, wie Rosso eingestehen muss. Er verweist auf Komplikationen beim Bau der Dieselaggregate in allen französischen Kernkraftwerken.

  Rosso spricht oft von Modernisierung und Investitionen. Das macht deutlich: Es gibt derzeit keine Abschaltperspektive. Cattenom soll noch möglichst lange am Netz bleiben, im Gespräch sind mindestens 20 Jahre länger als die ursprünglich geplanten 40 Jahre. Der erste Block ist 1986 in Betrieb gegangen. In Zehn-Jahres-Schritten soll für jeden Block einzeln über eine Laufzeitverlängerung entschieden werden.

 Kinder haben in das Gästebuch des Kernkraftwerks Cattenom ein Bild von der Anlage gemalt und beschrieben, wie gut ihnen der Besuch dort gefallen hat.

Kinder haben in das Gästebuch des Kernkraftwerks Cattenom ein Bild von der Anlage gemalt und beschrieben, wie gut ihnen der Besuch dort gefallen hat.

Foto: TV/Bernd Wientjes

Eine Erweiterung des Kraftwerks etwa um einen weiteren Block sei nicht geplant, sagt Rosso. Kürzlich wurde bekannt, dass EDF unweit der Anlage weitere Grundstücke erworben hat. Möglicherweise dienten sie als weitere Parkplätze, heißt es. Oder aber auch als Standort für Windräder und Solaranlagen. Der französische Energiekonzern investiert derzeit nämlich kräftig in den Ausbau erneuerbarer Energien.

Apropos erneuerbare Energie. Der Kraftwerksdirektor stellt diese auf eine Stufe mit der Atomkraft. Es ist auffallend. wie oft er an diesem Morgen von Klimawandel und Klimaschutz spricht. Er lässt den Journalisten zudem einen Animationsfilm zeigen, der auf die Gesundheitsgefahr durch Kohlekraftwerke hinweist. Atomenergie hingegen ist „sauber“, lautet die Aussage – und ohne sie sei das Ziel, die Erderwärmung zu stoppen, unerreichbar. Und Cattenom trägt laut Rosso natürlich auch sein Scherflein bei: Seitdem die Anlage am Netz ist, seien im Vergleich zur gleichen Menge an durch Kohlekraftwerke produziertem Strom eine Milliarde Tonne des klimaschädlichen CO2 vermieden worden. So präsentiert sich der Kernkraftwerksdirektor an diesem Morgen als der reinste Umwelt- und Klimaschützer.

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