Theater Keine Feier ohne Geier

Trier · „Das Dschungelbuch“ als Familienmusical im Lottoforum auf dem Trierer Petrisberg hatte Premiere. Vor der Aufführung wurde die Kulisse zerstört.

 Das Dschungelbuch als Zirkusvorstellung: Zur Premiere des Kinderstücks kamen über 200 Zuschauer ins Lottoforum auf dem Trierer Petrisberg.  Foto: Karin Pütz

Das Dschungelbuch als Zirkusvorstellung: Zur Premiere des Kinderstücks kamen über 200 Zuschauer ins Lottoforum auf dem Trierer Petrisberg. Foto: Karin Pütz

Foto: Karin Pütz

Fast jeder Erwachsene kennt wohl die Geschichte des Menschenkindes Mowgli aus dem Zeichentrick-Klassiker von Walt Disney aus dem Jahr 1967. Vor allem der Ohrwurm „Probier‘s mal mit Gemütlichkeit“ bohrt sich bei der bloßen Erwähnung des Wortes „Dschungelbuch“ durchs Ohr ins Hirn wie jene hypnotische Schlange namens Kaa aus demselben Film. Wer mit seinen Kindern vorhat, in das Familienmusical auf dem Petrisberg zu gehen, sollte dies nicht mit der Erwartung an die Hits aus dem Film verbinden und stattdessen den Melodien von Konstantin Wecker eine Chance geben. Denn auch das sind echte Ohrwürmer. Bereits im Jahr 2002 hatte das Stück von Christian Berg seine Uraufführung und wurde vor sechs Jahren schon einmal im Theater Trier aufgeführt. Im Jahr 2019 eröffnet die Inszenierung von Florian Burg das Kinder- und Jugend-Kulturfestival Sommerheckmeck. Das diesjährige Zirkusmotto „Hereinspaziert“ ist   nicht wirklich stimmig zur Geschichte des Dschungelbuchs – daher führt Burg das Musical als Zirkusdirektor ein und macht passend, was eigentlich nicht passt. Doch das ist der einzige kleine Kritikpunkt. Denn wer es mit einer Inszenierung schafft, dass selbst kleine Kinder 70 Minuten lang durchweg konzentriert und aufmerksam ein Theaterstück verfolgen, der hat alles richtig gemacht. Die 270 Zuschauer im Lottoforum – Eltern, Großeltern, Kinder vom Säuglings- bis zum späten Grundschulalter und sogar kinderlose Erwachsene lassen sich in den nächsten 70 Minuten von Darstellern, Texten und Liedern mitreißen. Die vierköpfige Liveband (Heiko Wilhelmus, Martin Beyer, Christian Kalle, Denis Josserand) ist immer auf der Bühne präsent und sorgt zusammen mit den allesamt guten Gesangsstimmen der Darsteller für eine professionelle Vorstellung.  Der besondere Charme dieser Inszenierung ist in der Tat ihre Reduziertheit (Bühnenbild: Claudia Cartellieri). Hier gelingt es ganzen sechs Schauspielern, ein Wolfsrudel, eine Affenherde, eine Elefantenparade, Geier, Bär, Panther, Schlange und Tiger sowie zwei Menschenkinder zum Leben zu erwecken, ohne dass man etwas vermisst – im Gegenteil: Die Identifikation mit den Figuren auf der Bühne gelingt den Kindern dadurch umso besser: Als Mowgli (Lena Noske) einmal sagt: „Ich habe gar keine Freunde mehr“, ruft ein Kind im Publikum laut: „Ich bin dein Freund!“, was vor allem bei den Erwachsenen zu gerührtem Lachen führt und zeigt, wie sehr die Kinder sich von der Handlung fesseln lassen. Mit der Thematik, dass alle Darsteller gleich mehrere Rollen spielen, musste sich Stephan Vanecek (u. a. Balu) im Vorfeld beschäftigen. Er war für die Kostüme zuständig. Diese dürfen nicht zu aufwendig sein, um blitzschnelle Umzüge zu gewährleisten. Andererseits müssen sie die unterschiedlichen Charaktere erkennen lassen. Doch diese Herausforderung hat Vanecek großartig gemeistert – genau wie die Schauspieler, die in jeder ihrer zahlreichen Rollen eine grandiose Leistung abliefern und die jeweiligen Tiere stimmlich, gestisch und mimisch treffend imitieren. Dabei werden die Szenen trotz der gegenwärtigen Gefahr durch den Tiger Shir Khan (Burg) nie bedrohlich oder beängstigend. Dafür ist die Musik von Konstantin Wecker zu beschwingt und fröhlich, die Texte von Christian Berg zu witzig. Selbst die Schlange Kaa, gespielt von Lisa Höpel („Ich liebe Fast Food“), gibt eher Anlass zum Lachen als zum Fürchten. Dass das kurzweilige Stück für Groß und Klein geeignet ist, zeigen der langanhaltende Applaus und das nochmals gemeinsam mit dem Publikum gesungene Lied der beiden musikalischen Geier (Antonia Crames und Hannah Swoboda), die mit „Keine Feier ohne Geier“ für den Ohrwurm des Tages sorgen.

Weitere Vorstellungen: 10.06.: 15:00 Uhr | 15.06.: 15:00 Uhr | 16.06.: 11:00 & 15:00 Uhr | 20.06.: 11:00 & 15:00 Uhr | 22.06.: 15:00 Uhr | 23.06.: 11:00 & 15:00 Uhr

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