Ein schwerer Nackenschlag

Das Formel-1-Comeback von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher ist geplatzt. Was die TV-Redakteure Dieter Lintz und Andreas Feichtner darüber denken, lesen Sie hier.

Mensch Michael Schumacher!


Von Dieter Lintz

Ich nehme ja nicht an, dass es die Angst war, die Ihnen da im Nacken gesessen hat, als Sie Ihr Comeback absagten. Vielleicht war es eher die Vernunft. „Wer dem Schicksal den Finger in den Mund steckt, der will gebissen sein“, sagt ein kluges altes Sprichwort. Ich weiß, Sie als Rheinländer halten es da eher mit dem kölschen „Et hätt noch immer jot jejange“. Aber leider gibt's in Ihrem Metier ein paar Fälle zu viel, die das Gegenteil beweisen. Die beiden letzten Legenden beispielsweise, die Ihr Rennsport vor Ihnen hervorgebracht hat. Ayrton Senna ist tot, und mit Niki Lauda möchte man nicht die Ohren tauschen.

Da war ich doch ziemlich erleichtert, als Sie Ihre Karriere vor drei Jahren lebend und ohne Ähnlichkeit mit einem Grillhähnchen beendeten. So was sollten Sie nicht ohne Not aufs Spiel setzen.

Was hätte einen wie Sie, der alles hat, eigentlich dazu bewegt, noch einmal in eine Lotterie mit dem Einsatz seines Lebens – oder zumindest seiner Gesundheit – einzusteigen? Am Geld kann's in Ihrem Fall wirklich nicht liegen. Und das Familienleben ist nach allem, was man so hört, auch ganz intakt. Die Ehre von Ferrari? Das klingt mir zu sehr nach Italo-Western.

Ich hab' ja eine ganz andere Vermutung. Irgendwann so zwischen 40 und 50 packt jeden Mann das Bedürfnis, sich selbst und der Welt zu beweisen, dass man immer noch alles besser kann als die anderen. Oder sagen wir: dass man zumindest irgendwas besser kann als die anderen. Deshalb schnürt der Ex-C-Liga-Torjäger bei den Alten Herren wieder die Fußballstiefel, packt der einst wilde Jung-Gitarrist die rostige E-Klampfe wieder aus, spielt der Hobby-Radfahrer im hautengen Trikot Tour de France auf dem Hügel vor der Haustür. Meist mit mäßigem Erfolg.

Wobei sich das Schadens-Risiko mit einer Zerrung oder wunden Fingerkuppen zum Glück in Grenzen hält. Bei Ihnen wäre das etwas größer gewesen. Stattdessen können Sie und Ihre Fans dank der Weisheit Ihres Nackens jetzt bis ans Ende ihrer Tage sagen: „Ja wenn, dann...“. Und das ist doch viel besser als ein geplatzter Traum.

Gestern lässt Heute hinter sich


Von Andreas Feichtner

Ist Formel-1-Spitzenreiter Jenson Button noch zu stoppen? Vielleicht von Mark Webber? Oder sogar von Sebastian Vettel? Das sind legitime Fragen. Trotzdem klingen sie seltsam. Weil die frühere Lichtgestalt des Motorsports alle (Fast-)Kollegen komplett in den Tunnel gestellt hat, wenn auch sicher ohne Absicht.

Rekord-Weltmeister Michael Schumacher dominiert selbst dann noch die Formel 1, wenn er keine halbe Runde mehr um den Block fährt. Der Rest parkt im Hinterhof. Das ist die Bilanz der eher unbefriedigenden Sommerloch-Schmonzette: Schumi-Rückkehr, Rücktritt vom Comeback – und nun zurück zum Kerngeschäft. Zurück zu den oben genannten und Dahinter-Platzierten. So wird der Grand-Prix in Valencia nicht zum Sport-Ereignis des Jahres, sondern er bleibt ein Rennen von vielen.

Dass Schumacher nun – kein halbes Jahr nach „Brüchen im Nacken- und Kopfbereich“ – abgesagt hat, bedarf dabei keiner Diskussion: Das ist das Gesündeste, was er machen kann. Ein Star der Formel-1-Geschichte wird er bleiben – aber er kann nicht mehr ihr Heilsbringer sein. Denn für die Serie bleibt aber eine bittere Erkenntnis. Trotz enger Rennen, trotz spannender Aussichtslage: Mit ihrer großen Historie kann die Formel-1-Gegenwart längst nicht mehr konkurrieren.

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