Coronavirus Isolation in Heimen: Pflegebedürftige müssen wieder bangen

Berlin · Ein Regierungsbeauftragter schließt eine Isolierung in Pflegeheimen wegen Corona nicht aus. Experten fordern daher von der Politik eine neue Strategie.

 Alten- und Pflegeheime wurden in der ersten Corona-Welle streng isoliert. Ein weiterer Shutdown soll unbedingt verhindert werden.

Alten- und Pflegeheime wurden in der ersten Corona-Welle streng isoliert. Ein weiterer Shutdown soll unbedingt verhindert werden.

Foto: dpa/Jonas Güttler

Strenge Kontaktbeschränkungen bis hin zu völligen Besuchsverboten – für die rund 1,2 Millionen Menschen in den Pflegeheimen und ihre Angehörigen war die erste Corona-Welle auch eine große seelische Belastung. Droht sich das bald zu wiederholen? „Isolation um jeden Preis darf nicht sein“, hielt der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, am Montag dagegen. Dazu müsse aber die Anti-Corona-Strategie geändert werden, sagen Experten.

Nach den Daten des Robert-Koch-Instituts sind Pflegeheime und Krankenhäuser für das Virus besonders anfällig. Zu Beginn der Epidemie gab es dort rund 1000 Neuinfektionen pro Tag. Zu den besonders Gefährdeten zählen allerdings nicht nur Heimbewohner, sondern auch das Personal der Einrichtungen. So haben sich bislang in der Spitze täglich bis zu 300 Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit Covid-19 infiziert. Im Pflegebereich waren es mindestens 200. Auch das Sterberisiko ist überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Fast 50 Prozent der Todesfälle werden im Gesundheits- und Pflegebereich registriert. So waren zum Beispiel in einem Pflegeheim in Wolfsburg allein 47 Bewohner durch Corona ums Leben gekommen.

Nach Einschätzung von Experten muss daher die politische Strategie zur Bekämpfung des Virus grundlegend überdacht werden. In Deutschland werde ein Konzept angewandt, das den „Durchmarsch“ der Pandemie nur begleite, „ohne den dringend notwendigen Schutz der verletzlichen Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt zu stellen“, heißt es in einem aktuellen Positionspapier von Wissenschaftlern, Medizinern und Pflegefachleuten. Zu den Mitautoren zählt der Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske. „Der Fehler ist, dass wir den Fokus zu sehr auf Menschen mit Symptomen richten“, erläutert Glaeske. „Die Bewältigung der Pandemie entscheidet sich in den Altenheimen und nicht in den Klassenräumen oder den Foyers der Hotels“. Wenn dort keine oder kaum Prävention betrieben werde, müsse man immer wieder mit Ausbrüchen wie zum Beispiel in Wolfsburg rechnen, so Glaeske.

Im jüngsten Beschluss von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Pandemie vom vergangenen Mittwoch spielt das Thema tatsächlich nur eine Nebenrolle. Erst unter Punkt 11 wird dort auf den Schutz sogenannter vulnerabler, als besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen verwiesen. Demnach sollen verfügbare Schnelltests „prioritär“ in diesem Bereich eingesetzt werden, „um auch bei steigenden Infektionszahlen einen bestmöglichen Schutz zu gewährleisten und sichere Kontakte zu ermöglichen“. Nach einer gerade erst in Kraft getretenen Verordnung übernimmt der Bund die Kosten dafür.

Eine Garantie, wonach Pflegeheimbewohner mit ihren Angehörigen Weihnachten feiern können, wollte Westerfellhaus aber trotzdem nicht geben. „Das wäre Kaffeesatzleserei“, meinte der Pflegebevollmächtigte. Dagegen ist sich Glaeske sicher: „Man wird noch einmal über Besuchsregelungen nachdenken müssen. Aber wenn wir alle denkbaren Maßnahmen zur Vorsorge umsetzen und Lösungen anbieten, dann müssen die Heime nicht isoliert werden.“ Sinnvoll wäre es aus Glaeskes Sicht, das Pflegepersonal zwei Mal pro Woche zu testen. „Hier gibt es überhaupt keine einheitlichen Vorgaben. Jedes Bundesland macht das für sich, als ob man in dem einen mehr wüsste als in dem anderen“, kritisierte der Gesundheitsfachmann. „Auch das verunsichert die Menschen.“

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