Corona-Ausbreitung Empfehlung des Robert Koch-Instituts - Mehr Menschen sollen getestet werden

Trier · Das Robert Koch-Institut ändert Empfehlungen zu Corona-Untersuchungen. Wie hoch ist die Zahl der tatsächlich Infizierten? Bei einer Frau aus Trier-Saarburg wurde eine Ansteckung erst festgestellt, nachdem sie auf einen Test bestanden hatte.

 Diese Coronavirus-Tests per Drive-Through im Forschungszentrum Borstel (FZB) werden derzeit ausschließlich für Patienten mit Überweisung und Termin durchgeführt.

Diese Coronavirus-Tests per Drive-Through im Forschungszentrum Borstel (FZB) werden derzeit ausschließlich für Patienten mit Überweisung und Termin durchgeführt.

Foto: dpa/Axel Heimken

Sandra Müller (Name geändert) gilt offiziell als von der Corona-Infektion geheilt. Am gestrigen Mittwoch endete die zweiwöchige Quarantäne der 27-Jährigen aus dem Kreis Trier-Saarburg. Sie darf nun wieder das Haus verlassen. Erneut getestet worden sei sie aber nicht, berichtet sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie wisse daher nicht, ob die Krankheit bei ihr tatsächlich ausgestanden sei. Leichte Symptome habe sie noch immer. Ob die von Covid-19 stammten, könne sie nicht einschätzen. Sie habe noch mal mit dem Gesundheitsamt gesprochen, dort habe man ihr gesagt, dass sie nicht noch einmal getestet werden müsse. Vorsichtshalber bleibe sie aber freiwillig noch ein paar Tage im Haus, sagt die 27-Jährige.

Thomas Müller, Sprecher des für Trier und Trier-Saarburg zuständigen Gesundheitsamts Trier, bestätigt, dass Personen, die sich nach einer bestätigten Infektion zwei Wochen in Quarantäne befunden hätten, nicht mehr getestet würden. Falls sie keine Symptome mehr aufwiesen. Sie dürften dann ohne weitere Untersuchung wieder das Haus verlassen, weil sie offiziell als geheilt gelten würden.

Auch bevor bei ihr die Infektion offiziell festgestellt worden sei, hätte sie darauf bestehen müssen, getestet zu werden. Anfang des Monats war sie mit ihrem Partner im österreichischen Ischgl im Skiurlaub. Mittlerweile weiß man, dass der Ort einer der Hot-Spots der Corona-Ausbreitung in Europa war. Doch obwohl sich dort schon früh Bewohner, Mitarbeiter von beliebten Aprés-Ski-Bars und Gäste mit dem Virus infiziert hatten, ging der Betrieb ohne Einschränkungen weiter (der Volksfreund berichtete).

Als sie nach Hause gefahren wären, habe sie ein „ungutes Gefühl“ gehabt. Da habe sie bereits leichte Krankheitssymptome – Halsschmerzen ohne Fieber – gehabt. Als sie beim Gesundheitsamt angerufen habe, um nach einem Test zu fragen, sei ihr gesagt worden, das klinge nach einer normalen Grippe, sie solle daheim bleiben. Ihr Hausarzt habe sie dann getestet und ihr mitgeteilt, das sie mit Corona infiziert sei. Nachdem dieser dann das Gesundheitsamt informiert habe, sei ihr dann auch offiziell per Brief mitgeteilt worden, dass sie in Quarantäne bleiben müsse – bis 25. März.

Was die 27-Jährige wundert: Ihr Partner sei als Kontaktperson nicht getestet worden. Er sei auch nicht vom Gesundheitsamt kontaktiert worden. Damit hätte er das Haus verlassen dürfen, obwohl nicht festgestanden habe, dass auch er infiziert sei. „Wir waren aber vernünftig. Er ist freiwillig zu Hause geblieben.“ Sie vermutet, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, um alle, bei denen der Verdacht besteht, dass sie sich infiziert haben könnten, auch zu testen. Daher könne es, so glaubt sie, eine hohe Dunkelziffer von Menschen geben, die sich angesteckt haben, es aber gar nicht wüssten und möglicherweise andere infizieren könnten.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) geht ebenfalls von einer hohen Dunkelziffer aus. Er sagte, Mediziner rechneten damit, dass die Zahl der infizierten Menschen ohne Symptome sieben- bis zehnmal höher liege als die offizielle Zahl. Wissenschaftler der Columbia Universität in den USA sprechen ebenfalls von einer dramatischen Dunkelziffer. Ihre Erkenntnisse beruhen auf Auswertungen der Corona-Ausbreitung in China. Dort sollen auf jeden nachweislich Infizierten etwa sieben unentdeckte Fälle gekommen sein.

Das für die Seuchenbekämpfung in Deutschland zuständige Robert Koch-Institut (RKI) geht auch von einer gewissen Dunkelziffer aus. Die gebe es aber bei jeder Infektionskrankheit. Bei Covid-19 bestehe aber kein Grund, in Deutschland von einer besonders hohen Dunkelziffer auszugehen, weil sehr früh zu Beginn der Corona-Krise getestet worden sei und immer noch sehr viele getestet würden.

RKI-Präsident Lothar Wieler hat gestern empfohlen, dass sich nahezu jeder auf Corona testen lassen sollte. Alle Risikopatienten sollten unabhängig von der Schwere ihrer Erkrankung getestet werden, genauso Personen, die nicht einer bekannten Risikogruppe angehören. Außerdem sollen künftig Ärzte, Pflegekräfte und andere Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen grundsätzlich getestet werden, wenn sie akute Symptome einer Atemwegserkrankung haben. Weil das Virus mittlerweile in Deutschland weit verbreitet sei, sollen künftig die Kriterien, wonach ein Risiko besteht, dass jemand infiziert ist, geändert werden. Demnach ist für einen Test nicht mehr ausschlaggebend, ob man Kontakt zu einem Covid-19-Patienten hatte oder sich in einem sogenannten Risikogebiet aufgehalten hat.

Derzeit warten die Labore auf Schnelltests. Damit könnten Nachweise auf eine Infektion innerhalb weniger Stunden vorliegen. Wegen der Überlastung vieler Labore kann es derzeit bis zu drei Tage dauern, bis ein Ergebnis vorliegt. Bis dann die Zahlen der Infizierten von den Gesundheitsämtern über die Landesbehörden beim RKI landen, kann es weitere Tage dauern. Daher geben die vom RKI veröffentlichten Fallzahlen zumeist nicht den aktuellen Stand des Infektionsgeschehens wider.

In Modellrechnungen kommen verschiedene Wissenschaftler, darunter der Trierer Volkswirtschaftler Jan Pablo Burgard, um den Landauer Mathematiker Thomas Götz zu dem Ergebnis, dass neben den derzeit geltenden rigiden Kontaktsperren eine umfassende Teststrategie notwendig sei, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Getestet werden sollten Personen mit charakteristischen Symptomen, auch ohne, dass sie nachweislich Kontakt zu Infizierten hatten.

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