Katholische Kirche „Es gibt keinen klaren Favoriten“

Trier · Der katholische Publizist und gebürtige Trierer Ludwig Ring-Eifel sagt, wen er als Nachfolger des Bischofskonferenzvorsitzenden Reinhard Marx vorne sieht.

 Der Trierer Stephan Ackermann bei einer Vollversammlung vor zwei Jahren neben seinen Bischofskollegen.

Der Trierer Stephan Ackermann bei einer Vollversammlung vor zwei Jahren neben seinen Bischofskollegen.

Foto: picture alliance/dpa/Arne Dedert

Bis Donnerstag hocken die 69 deutschen Bischöfe und Weihbischöfe ab Montag bei ihrer traditionellen Frühjahrsvollversammlung beisammen, um über Gott und die Welt zu diskutieren. Ein Tagesordnungspunkt ergab sich erst relativ kurzfristig: Nachdem der Vorsitzende Reinhard Marx seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit angekündigt hat, müssen die Bischöfe einen Nachfolger wählen. Über die aussichtsreichsten Kandidaten, die  Chancen des Trierer Bischofs Stephan Ackermann und den möglichen Fortgang der Strukturreform im Bistum Trier sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz mit dem Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur und gebürtigen Trierer, Ludwig Ring-Eifel (59).

Die wichtigste Frage vorweg: Wer wird Nachfolger des scheidenden Vorsitzenden Reinhard Marx?

LUDWIG RING-EIFEL Die Frage ist genauso schwer zu beantworten wie vor einem Konklave die Frage nach dem nächsten Papst. Es gibt keinen klaren Favoriten, allenfalls Kandidaten mit Chancen, viele Stimmen auf sich zu vereinen.

Zum Beispiel?

RING-EIFEL Genannt wird beispielsweise als einer der jüngsten möglichen Marx-Nachfolger der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Der 52-Jährige ist rhetorisch gewandt und kann gut zusammenführen. Seine Äußerungen vergangene Woche waren sehr präsidial und klangen fast wie Bewerbungsreden. Zudem war Kohlgraf zuletzt Professor und hatte noch nie Personalverantwortung in einem Bistum. Die Gefahr, dass er von einem früheren Skandal eingeholt werden könnte, ist also gering.

Wer wird sonst noch genannt?

RING-EIFEL Oft genannt wird auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, ein früherer Konservativer, der heute eher zu den Fortschrittlichen zählt. Der 55-Jährige ist ebenfalls sehr eloquent und hat den Vorteil, dass er römisch geprägt ist. Er spricht fließend Italienisch und Spanisch, was wichtig ist, wenn es darum geht, mit Rom in Kontakt zu treten. Sein Nachteil: Er wirkt eher intellektuell und weniger volksnah. Ebenfalls genannt wird der Name des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer, er gilt als Bannerträger der Veränderer.

Haben Sie noch einen Vorschlag?

RING-EIFEL Als möglichen Kompromisskandidaten würde ich den Münsteraner Bischof Felix Genn nennen, einen früheren Trierer. Er wird von Konservativen und Fortschrittlichen gleichermaßen akzeptiert und hat zudem sehr gute Kontakte nach Rom. Was ein Handicap sein könnte: Er wird jetzt 70.

Warum hat der so machtbewusste Reinhard Marx auf eine zweite Amtszeit verzichtet?

RING-EIFEL Ich nehme ihm die Begründung ab, dass er wegen des Alters – Marx ist jetzt 66 –  nicht mehr antritt. Er hat schon letzten Sommer angedeutet, dass er sich die Gedanken macht, die man sich als Mitte 60-Jähriger nun mal macht: Was bleibt mir noch von meinem Leben? Wie lange habe ich noch? Will ich weiter mit 150 Prozent arbeiten oder vielleicht mal etwas kürzer treten? Ich glaube ihm, dass dies der entscheidende Grund war. Er bleibt ja Kardinal in München, Vorsitzender der bayerischen Bischöfe  und sitzt weiter im Beratungsgremium des Papstes.

Und was ist mit den Chancen des Trierer Bischofs Stephan Ackermann?

RING-EIFEL Ich würde nicht sagen, dass Ackermann keine Chancen hat. Wenn es bei den genannten Namen zu einer Pattsituation kommt, würde ich Ackermann für einen möglichen Kompromisskandidaten halten – auch deshalb, weil er ebenfalls eine römische Vergangenheit an. Er hat in Rom studiert und kann also mit den Römern. Und Stephan Ackermann ist mit 56 Jahren im richtigen Alter.

Aber hat er es sich beim Thema Missbrauchsentschädigung nicht mit einigen Bischöfen verscherzt?

RING-EIFEL Da ist was dran. Vor allem die ärmeren Bistümer im Osten waren not amused über die zunächst im Raum stehende Höhe der Entschädigung. Aber ich glaube nicht, dass es viele sind, die er gegen sich aufgebracht hat.

Andererseits bräuchte man bei einem Vorsitzenden Ackermann einen neuen Missbrauchsbeauftragten...

RING-EIFEL Das wäre das geringste Problem. Der Vollversammlung gehören 69 Bischöfe und Weihbischöfe an. Außerdem ist gar nicht gesagt, dass der Missbrauchsbeauftragte ein Bischof sein muss. Es gibt Überlegungen, ob das Amt in Zukunft nicht ein Laie oder eine Frau übernehmen sollte..

Wird es beim Thema Entschädigung endlich eine Einigung der Bischöfe geben?

RING-EIFEL Ich glaube schon, dass der Knoten gelöst wird. Ich weiß von Bischöfen, die ein schlechtes Gewissen gegenüber den immer älter werdenden Opfern haben. Man kann das nicht weiter aussitzen und muss zu einer Lösung kommen. Aber es ist auch klar, dass die Entschädigung nicht ganz so hoch ausfallen wird, wie das teilweise gefordert wird.

Zum Schluss noch einmal ein Blick in die Glaskugel: Wie wird Rom bei der ausgebremsten Strukturreform des Bistums Trier entscheiden?

RING-EIFEL Ich denke, dass die Reform mit einigen Korrekturen möglich bleibt. Die Rolle der Priester in den Leitungsteams muss neu definiert werden, so dass sie besser mit dem Kirchenrecht übereinstimmt. Deswegen hatte ja die Priestervereinigung in Rom Beschwerde eingelegt. Und die Größe der Pfarreien wird wohl so nicht durchgehen. Da kann man zu Recht argumentieren, dass zu große Einheiten der Seelsorge nicht zuträglich sind. Am Ende könnte es dann auf 50 bis 70 Pfarreien im Bistum statt der jetzt geplanten 35 hinauslaufen.

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