Trier Keine Strafe mehr für Autofahrer, die nach einem Unfall flüchten?

Trier · Der ADAC sagt, die bisherige Praxis habe sich nicht bewährt. Landesjustizminister Mertin ist skeptisch.

Fahrerflüchtige, die sich nach Blechschaden stellen, sollen ungeschoren davon kommen.
Foto: dpa/Jens Wolf

Zehn Mal am Tag kommt es in der Region – statistisch gesehen – zu Unfallflucht. 3767 Verkehrsunfälle, bei denen sich einer der Unfallbeteiligten unerlaubt entfernt hatte, registrierte die Polizei 2016. Immerhin bei fast jedem sechsten Unfall in der Region kommt es demnach zur Fahrerflucht. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres machte sich in 2826 Fällen der Unfallverursacher davon. Weniger als die Hälfte der geflüchteten Fahrer kann die Polizei ausfindig machen. 2016 lag die Aufklärungsquote bei rund 43 Prozent, bis Ende September 2017 lag sie bei 44 Prozent.

Was die wenigsten wissen: Unfallflucht ist kriminell. Wer sich nach einem Unfall aus dem Staub macht, dem droht mindestens eine Geldstrafe, im schlimmsten Fall sogar eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Außerdem gibt es zwei Punkte in Flensburg, und der Führerschein ist für mindestens sechs Monate weg. Das gilt auch für Fahrer, die sich nachträglich reuig zeigen und nach dem Unfall doch zur Polizei gehen. Auch in Luxemburg drohen ähnlich hohe Strafen.

Doch in einigen anderen europäischen Ländern, etwa in Österreich, ist Fahrerflucht keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Daher wird nun auch in Deutschland darüber diskutiert, Unfallflucht zu entkriminalisieren. Auch der ADAC ist dafür, auf die Strafverfolgung von flüchtigen Autofahrern nach Bagatellschäden zu verzichten. Die bisherige Regelung hätte sich in der Praxis nicht bewährt, heißt es beim Automobilclub. Aus Angst vor einer Strafe meldeten Unfallverursacher einen Bagatellschaden oft nicht.

Das sagt auch der Trierer Verkehrsrechtsanwalt Jürgen Verheul. Er plädiert dafür, Unfallflucht bei Blechschäden zu entkriminalisieren. Wenn sich die zunächst geflüchteten Unfallverursacher innerhalb von 24 Stunden bei der Polizei meldeten, sollten sie nicht bestraft werden. Eine solche Regelung erhöhe die Chance, dass Unfallverursacher, die sich aus dem Staub gemacht haben, nachträglich doch noch „tätige Reue“ zeigten und damit verhinderten, dass die Geschädigten letztlich auf den Kosten des Schadens sitzenblieben. 

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) ist gegen eine völlige Straffreiheit bei Unfallflucht. Wenn sich der Unfallverursacher binnen „einer bestimmten, kurzen Frist“ bei der Polizei melde, sei er aber für die Prüfung entsprechender Vorschläge durchaus offen, sagte ein Sprecher Mertins. Die Praxis müsse zeigen, ob dadurch wirklich Polizei und Justiz entlastet würden. Auch Benno Langenberger, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ist gegen den Vorschlag: „Die Strafbarkeit von Unfallfluchten anzutasten würde bedeuten, dass es sich künftig für Unfallverursacher wirklich lohnt, sich ihrer Verantwortung zu entziehen und die Geschädigten auf ihren Kosten sitzen zu lassen.“

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