Serie „Landmarken“, Teil 15 Ein Besinnungsort neben der Spießbratenhalle

Schillingen · Serie „Landmarken“: Die Fatima-Kapelle in Schillingen im Kreis Trier-Saarburg geht zurück auf eine Suche nach Einsamkeit.

Serie „Landmarken“: Fatima-Kapelle in Schillingen
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Foto: Martin Recktenwald

In Zeiten der Not besinnen sich viele Menschen auf das für sie Wesentliche. Bei Johann Werner war es der Glaube. Seiner Suche nach Besinnung in der Einsamkeit verdankt Schillingen (Landkreis Trier-Saarburg) seine Fatima-Kapelle im Wald.

 Votiv-Tafelen und brennende Kerzen zeugen von Anliegen, mit denen sich Gläubige an die Gottesmutter richten.

Votiv-Tafelen und brennende Kerzen zeugen von Anliegen, mit denen sich Gläubige an die Gottesmutter richten.

Foto: Martin Recktenwald

Die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 hatte Deutschland sehr schwer getroffen. Massenarbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Niedergang wirkten in den Folgejahren bis in alle Regionen des Landes. Die materielle Not trieb viele in die Verzweiflung und schürte das Empfinden eines allgemeinen Chaos. Die politischen Folgen sind bekannt: Die Weimarer Republik verlor zunehmend ihre demokratischen Grundlagen. Am Ende einer Kette von Minderheitsregierungen und Notstandgesetzgebung wurde schließlich am 30. Januar 1933 Adolf Hitler Reichskanzler. Doch die folgende Zeit der NS-Diktatur erlebte der Schillinger Landwirt Johann Werner nur noch wenige Monate mit, er starb im Oktober 1933.

Seine bis heute nachwirkende Suche nach Spiritualität begann bereits zwei Jahre zuvor. Auf seinem rund zwei Kilometer vom Dorf entfernten Waldgrundstück errichtete Werner einen Bildstock der Muttergottes. Der damals 63-jährige Witwer suchte dort bewusst die Einsamkeit. Heute wäre das an dieser Stelle des Waldes eher schwierig, da nur wenige Fußminuten entfernt die Spießbratenhalle Schillingen Besucherscharen anlockt. 1931/32 sah das jedoch noch anders aus, Werner fand hier die gesuchte Ruhe. Abends betete er vor der Marienfigur den Rosenkranz. Schließlich ging er mit seinem Rückzug aus der Zivilisation noch einen Schritt weiter und baute nebenan eine Hütte, in der er während der Sommermonate lebte. Diese Art des Einsiedlertums hat in der Geschichte viele Vorbilder. Eines der bekanntesten ist Niklaus von Flüe (1417 – 1487). Dieser Asket und Mystiker gilt als Schutzpatron der Schweiz und wurde 1947 heiliggesprochen.

 Die Marienfigur stammt aus dem portugiesischen Fátima.

Die Marienfigur stammt aus dem portugiesischen Fátima.

Foto: Martin Recktenwald

Zum Vorbild wurde aber auch Johann Werner, denn rasch kamen weitere Männer des Dorfs zu den Rosenkranzgebeten. Sie führten nach Werners Tod die Tradition fort. Den Bildstock ersetzte eine Grotte aus Steinen. Am Dreifaltigkeitssonntag 1936 wurde dort eine Statue eingesegnet, die der heutigen Fatima-Kapelle ihren Namen gab. Die Marienfigur kam direkt aus dem berühmten portugiesischen Wallfahrtsort. Die Verehrung von „Unserer Lieben Frau von Fatima“ geht zurück auf den Bericht dreier Hirtenkinder: Lucia Rosa dos Santos, Jacinta Marto und ihr Bruder Francisco Marto. Ihnen soll 1917 die Gottesmutter erschienen sein und drei Geheimnisse überliefert haben. Insgesamt berichteten sie von sechs Engels- und drei Marien­erscheinungen. Papst Franziskus sprach 2017 Jacinta und Francisco heilig. Doch schon zuvor hatte sich Fatima zu einem der bedeutendsten Wallfahrtorte entwickelt. Vor Pandemiezeiten 2019 zählte man 6,3 Millionen Pilger.

Ganz so bekannt ist der Besinnungsort in Schillingen nicht. Aber auch er fand zahlreiche Freunde und Förderer. Besonders zu erwähnen sind die beiden Töchter Werners. Sie waren bereits 1926 nach Amerika ausgewandert. Nach dem Krieg spendeten sie aber für die Errichtung einer Kapelle an dem Ort, der ihrem Vater in seinen letzten Jahren so viel bedeutet hatte. Diese Kapelle wurde am 14. Mai 1951 eingesegnet, einem Pfingstmontag. Zu diesem Ereignis fanden sich rund 800 Menschen auf der Waldlichtung ein. 1972 wurde die Kapelle mit dem gesamten Grundstück Eigentum der Kirchengemeinde. Die Statue bekam in der Kapelle ihren neuen Platz, die Grotte enthält heute eine Darstellung des heiligen Josef mit seinem Ziehsohn Jesus. Im Kapellenraum zeigen zahlreiche Votiv­tafeln mit Dank an die Gottesmutter und entzündete Kerzen, dass nach wie vor Gläubige herkommen.

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