Universität Trier „Und was kommt jetzt?“

Nach Corona erwacht der Campus: An der Universität Trier beginnt ein Übergangssemester. Was neu ist, was sich geändert hat, auf was sich Lehrende und Studierende einstellen müssen, erklärt Präsident Michael Jäckel in einem Gastbeitrag.

 Analog und digital aus dem Audimax: Uni-Präsident Michael Jäckel begrüßt die Studierenden zum Wintersemester.

Analog und digital aus dem Audimax: Uni-Präsident Michael Jäckel begrüßt die Studierenden zum Wintersemester.

Foto: Universität Trier

Zauberlehrlinge sind wir alle nicht. Ebenso steht uns nicht der Sinn nach „alten Besen“. In Goethes Gedicht wurde er herbeigesehnt, in der aktuellen Stimmungslage an deutschen Universitäten will man sicher nicht nur neu kehren. Viele Herausforderungen und Erfahrungen sind es, die den Blick zurück bestimmen – und ebenso jenen nach vorn. Wie war das also noch einmal im März 2020? Wer aus dem Oktober des Jahres 2021 zurückschaut, sollte sich zunächst an eine aufschlussreiche Beobachtung der Gedächtnisforschung erinnern: „Die vergegenwärtigte Vergangenheit sieht stets anders aus als die Vergangenheit, als sie noch Gegenwart war [..].“ Niemand spricht also von der guten alten Zeit. Was sollte damit in der jetzigen Situation auch gemeint sein? Im Folgenden daher sechs Erfahrungen und Erwartungen, kompakt zusammengefasst:

1: Die digitale Lehre hat eine lange Geschichte und bewegte sich auch lange gemächlich voran. Als die Informationsgesellschaft vor über 50 Jahren noch als etwas Kommendes beschrieben wurde, gab es durchaus bereits kluge Blicke in die Glaskugel. Einer davon, in einem Gutachten für die kanadische Regierung formuliert, sah eine zunehmende Bedeutung „intelligenter Terminals“ auf uns zukommen. Als Corona vor achtzehn Monaten vorübergehend das Licht an deutschen Universitäten ausknipste, waren diese bereits Alltag, aber didaktisch nur hier und da gut integriert. Die Pandemie lehrte uns sodann, dass Veränderungen auch schneller gehen können. Die technologische Nach- und Aufrüstung ist nun in vollem Gange. Nicht immer ist dabei das, was als neu empfunden wird, wirklich anders. Wenn aber beides zusammenkommt (neu und anders), fällt es auf.

2: Nur das digitale Semester am Laufen zu halten, war irgendwann zu monoton. Die Studierenden haderten nicht mit den neuen Optionen, sondern mit dem Verharren in einer akademischen Bildschirmwelt. Irgendwann war es einfach zu viel des immer gleichen Tagesablaufs mit wenigen wirklichen Begegnungen. Studie um Studie bestätigte, wie belastend und lähmend das Monopol der Videokonferenz empfunden wurde. Die meisten signalisieren nun, dass es anders werden soll. Doch immer noch springen wir gedanklich zwischen Normalität und Ausnahme hin und her. Denn Corona hat die Schollengebundenheit der Menschen erhöht. Das Wintersemester beginnt und die Studierenden kehren vermehrt zurück. Wir begrüßen auch internationale Studierende auf dem Campus, aber zugleich eben nach wie vor in Indien, Pakistan, der Türkei usw. Das Übergangssemester erreicht bei weitem noch nicht alle. Da ist also das Alte im Neuen und das Neue im Alten.

3: Die Pandemie hat dem studentischen und akademischen Leben deutlich zugesetzt. Aus der Pandemie lernen heißt heute: Der universitäre Alltag wird analog und digital abwechslungsreicher. Alle Beteiligten wissen um die Bedeutung dieses Übergangssemesters. Aber niemand weiß gegenwärtig so recht, wie sich Nähe und Distanz in den nächsten Monaten zueinander verhalten werden. Auch das Wintersemester 2021/22 wird in vielen Bereichen noch von der Zwischenschaltung moderner Technologien leben. Zum Mitmachen gehört nun nicht mehr, dass man dem Campus dauernd fernbleibt. Zum Mitmachen gehört die Einsicht in ein verantwortungsvolles Miteinander, das sich nicht nur während der Präsenzphasen auf dem Campus zeigen sollte.

4: Die Zwischentöne, also all das, was zwischen den Veranstaltungen stattfinden kann, werden ebenfalls eine große Rolle spielen. Neue Betreuungsformate haben sich bereits während der Pandemie gut etabliert. Sie sind vor Ort wichtig, aber auch auf den Lernplattformen, die sich zu zentralen Informationsstellen rund um das Studium entwickelt haben. Das Ansprechen und das Antreffen sind somit gleichermaßen wichtig. Wer Anwesenheit auf dem Campus möchte, muss zudem dafür sorgen, dass diese außerhalb der regulären Veranstaltungen gewährleistet ist. Zusätzliche Aufenthalts- und Arbeitsräume sind wichtig, um die erforderliche Mobilität auf das Notwendige zu begrenzen.

5: Zu Beginn der Pandemie war die Ratgeberliteratur für eine verunsicherte Gesellschaft schnell zur Hand. Viele werden sich damals gefragt haben, woher die Gewissheit kommt, etwas über die nächste Zukunft sagen zu können. Registriert wurde vor allem Stille, das Fehlen sozialer Kontakte und die Leere des öffentlichen Raums. Während nahezu alles in einer IT-Umwelt stattfand, erschien dann unverhofft ein Roman, der die Folgen eines Komplettausfalls aller IT behandelt und damit unbeabsichtigt zu einem Dokument der Besinnung wurde - vielleicht der wichtigste Ratschlag überhaupt. Die „Stille“ lautet der Titel. Auch das kennzeichnete die Universitäten lange. Nun wird diese wieder durch Geräuschkulissen abgelöst, die lange ausgeblieben sind: Gesprächsfetzen, Essensgeräusche, Gebäudesignale unterschiedlicher Art.

 Zeigen, wo es lang geht: „Lotsen“ auf dem Campus.

Zeigen, wo es lang geht: „Lotsen“ auf dem Campus.

Foto: Universität Trier
 BibTop: Arbeitslandschaft auf dem Dach der Bibliothek.

BibTop: Arbeitslandschaft auf dem Dach der Bibliothek.

Foto: Universität Trier

6: In diesen Pandemie-Monaten hat die Rückbesinnung auf Zeit und ihr Empfinden schließlich mit dazu beigetragen, dass die typischen Formate des Universitätsunterrichts anders aufeinander abgestimmt wurden. Wer Technologie gut einsetzte, konnte zum Beispiel Freiräume für die intensive Erörterung von Einzelthemen gewinnen. Wer perspektivisch nun erwartet, dass im universitären Alltag kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, wird auch hier Geduld mitbringen müssen. Zum einen ist diese Radikalität nicht erforderlich, zum anderen sind neue Ideen im Bereich der Curricula, der Didaktik und der Campusgestaltung im weiteren Sinne längst auf den Weg gebracht worden. Alles braucht auch hier seine Zeit und die Dringlichkeit des Befristeten wird nach der Pandemie nicht der Vergangenheit angehören. Aber die Art und Weise, wie an dem gemeinsamen Ziel eines guten Studiums und guter akademischer Atmosphäre gearbeitet wird, befördert Mut und Zuversicht auf allen Seiten. Das zählt gerade in einem Herbst, der viele Veränderungen ankündigt.

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