Buchweizenpfannkuchen und Bombenterror: Wilma Herzog schildert ihre Erinnerungen an den Gerolsteiner Sprudel in den 1940er Jahren

In unserem Bericht über die Geschichte der Gerolsteiner Brunnenbetriebe, die nun in einem Band zusammengefasst und veröffentlicht wurde, haben wir die Leser aufgefordert, uns ihre Erinnerungen zu schreiben. Wilma Herzog aus Gerolstein hat dies getan.

 Gruppenbild beim Gerolsteiner Sprudel: Die Aufnahme entstand vermutlich 1898. Foto: Gerolsteiner Sprudelwerke/Wilma Herzog

Gruppenbild beim Gerolsteiner Sprudel: Die Aufnahme entstand vermutlich 1898. Foto: Gerolsteiner Sprudelwerke/Wilma Herzog

Foto: (e_gero )

Aus meinen Erinnerungen an das alte Gerolstein, vor der Bombardierung also, sind die Sprudelfirmen nicht wegzudenken. Anfang der 40er Jahre weckten uns schon früh morgens die Sprudelarbeiter aus Neroth und Gees, die mit ihren genagelten Schuhen die gepflasterten Treppen zu unserem damaligen Haus (1972 verkauft, heute Hauptstraße 82) herunterliefen, um dann weiter hinunter durchs Mühlentor, zu ihren Arbeitsplätzen beim "Sprudel" oder "Flora"zu eilen.Stadt- geschichte(n)


Die Arbeiter von Büscheich und Niedereich kamen ebenfalls zu Fuß, sie eilten die Burgstraße hinab, dann über das "Drees-treppchen", das deswegen seinen Namen bekam.

Beim Gerolsteiner Sprudel, um dessen Werksgebäude der damals noch schmale Weg durch die fruchtbaren "Hooch-Gärten" beiderseits einen Bogen schlug, gab es einen offenen Ausschank von kostenlosem Sprudel. Zuständig dafür war Herr Paffenholz, ein Kriegsversehrter. Wenn Mutter uns mittags leckere Buchweizenpfannkuchen versprach, eilten mein Bruder und ich gern mit der Milchkanne zu Herrn Paffenholz. Der war auch bekannt für seine Späße.
Befremdlich wirkte auf uns Kinder seine starre gebogene Kunsthand in schwarzem Leder. Mit ernster Miene teilte er uns mit: "Die Milch ist leider schon ausverkauft! Geht wieder heim!" Nach einigem Hin und her füllte er doch endlich die Kanne, aber wer nicht Acht gab, dessen Hand hielt er mit seiner heilen Hand an der Kanne fest. Wenn er die über den Tresen reichte, fragte er: "Deine Mutter wollte doch Pfannkuchen backen, was stehst du also noch hier herum?" "Weil Sie meine Hand festhalten!"
Ein Mal pro Woche eine Kiste


Gerne gingen wir zum "Flora", mich faszinierten die Treppengiebel der Gebäude, die ich gerne malte. Beim Flora durften wir Kinder uns damals noch selbst einen Kasten Sprudel direkt vom Band heben. Beeindruckt von dem Betrieb, dem ständigen Drehen des großen Bandes, den geschäftigen Männern und Frauen in ihrer Arbeitskleidung, dem ohrenbetäubenden Klirren der Flaschen, gingen wir mit unserem Kasten heraus und zum Büro zum Bezahlen. Ein Mal pro Woche kauften wir eine Kiste Sprudel, das waren die kleinen dunkelgrünen Glasflaschen mit dem Bakelitverschluss. Wir durften uns auch eine Flasche Limonade kaufen. Die wurde unter uns drei Kindern gerecht aufgeteilt.
Zu der damaligen Zeit besaßen der Gerolsteiner Flora-Brunnen wie auch der Gerolsteiner Sprudel eigene Brücken über die Kyll zu ihren Gleisanschlüssen.

Der Gerolsteiner Sprudel hatte eigens für seine auswärtigen Arbeiter ein großes Wohngebäude errichten lassen. In unserem Familienalbum gibt ein undatiertes Foto, auf dem meine Oma als junges Mädchen (sie wurde 1872 geboren) zu sehen ist. Sie steht links vor dem Baum und hält ihre Hand auf der großen Sprudelflasche. Wir vermuten, dass diese Aufnahme anlässlich des zehnten Firmenjubiläums 1898 neben dem imposanten Bürogebäude aufgenommen wurde. Es zeigt die gesamte Belegschaft des Gerolsteiner Sprudels in sonntäglicher Kleidung.

Unvorstellbar bleibt die Zerstörung durch die Bombenangriffe 1944/45. Mangels Luftschutzraum zog es uns mit Bewohnern der Bergstraße in die Holzscheune meiner Großeltern neben dem Pütz, in der Hoffnung, uns könne der Burgfels direkt hinter uns schützen. Doch dieser war, wie sich herausstellte, selbst von 35 Bomben schwer getroffen worden. Also über, neben und vor uns gewaltigen Explosionen!

Als wir erschüttert, nahezu taub, nach dem Bombardement Heiligabend 1944 aus der Scheune traten, war unsere Welt total verändert. Meterhohe Flammen schlugen uns links aus den Fensterhöhlen des Rathauses entgegen. Das Wirtschaftsamt vor uns war vom Erdboden verschwunden, wie die Häuserreihe, links neben dem "Hotel Ratskeller". Dadurch war der Blick frei bis zur Stelle, wo einst die mächtigen Sprudelwerke standen. Nur rauchende Trümmer, geschmolzenes Glas!Unermüdlicher Aufbau


Niemand hätte es damals für möglich gehalten, dass die Werke je wieder erstehen könnten. Der Aufbau wurde in Angriff genommen, zuerst mit dem, was vorhanden war. Unermüdlich wurde aufgebaut, größer und moderner. Es gab eine Zeit, als ich beim Gerolsteiner Flora Besucher durch das Werk führen durfte. Stolz zeigte ich ihnen den modernen Betrieb. Jedoch brauchte man Platz zum Expandieren. So entstanden im neuen Gewerbegebiet bald zwei neue Sprudelbetriebe. Als 1983 zum großen 100. Jubiläum des Gerolsteiner Flora, der ältesten Versandquelle Gerolsteins, die seit 100 Jahren im Besitz der Familie Buse war, das moderne Werk im Gerolsteiner Gewerbegebiet eröffnet wurde, gehörten mein Mann und ich zu den geladenen Gästen, die diese modernen Anlagen bestaunen durften.

Haben auch Sie Erinnerungen an den Gerolsteiner Sprudel? Dann mailen Sie uns diese mit Ihrem Namen und Ihrer Anschrift an eifel@volksfreund.de.

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