Der "Ferrari" packt wieder zu

Fünf Jahre dümpelte der Umschlagplatz für Güter am Gerolsteiner Bahnhof vor sich hin. Nun ist das zwei Millionen Euro teure Projekt reaktiviert, weil der Bund, der 85 Prozent der Investitionen bezahlt hatte, Druck gemacht hat. Täglich rollen Güterzüge nach Berlin - einzige Fracht: Gerolsteiner Sprudel.

 16 Tonnen wiegt der voll beladene LKW-Auflieger, den der Spezialkran auf den Güterzug-Waggon hievt. Täglich werden jetzt acht Ladungen, vollgepackt mit Sprudel, von Gerolstein nach Berlin über die Schiene transportiert. TV-Foto: Gabi Vogelsberg

16 Tonnen wiegt der voll beladene LKW-Auflieger, den der Spezialkran auf den Güterzug-Waggon hievt. Täglich werden jetzt acht Ladungen, vollgepackt mit Sprudel, von Gerolstein nach Berlin über die Schiene transportiert. TV-Foto: Gabi Vogelsberg

Gerolstein. 70 Tonnen schwer und 430 000 Euro teuer ist der Spezialkran der Marke Ferrari, der die sogenannten Wechselbrücken (siehe Extra) von den Lastwagen auf die Waggons hievt. Der rote Kraftprotz stand fünf Jahre ungenutzt am Gerolsteiner Umschlagplatz. Seit vorgestern packt er wieder zu.

Herbert Rothschild, Spediteur aus Stadtkyll und Gesellschafter des Container-Terminals Gerolstein (CTG), erklärt: "Vor vier Monaten kam ein Speditionskollege aus Hürth auf mich zu und fragte, ob ich an einem Kombi-Bahnverkehr nach Berlin Interesse hätte."

Umweltaspekt genutzt, für die Schiene entschieden



Rothschild nutzte die Gelegenheit, "verfeinerte" nach eigenen Angaben das Konzept, und so wurde der Gerolsteiner Umschlagplatz reaktiviert. Jeden Werktag werden jetzt acht Wechselbrücken, beladen mit Gerolsteiner Mineralwasser, auf dem "Rhein-Spree-Express" transportiert.

Der 600 Meter lange Zug wird von der privaten Eisenbahngesellschaft D&D aus Hagenov-Land bei Schwerin betrieben. Geschäftsführer Christian Dehns sagt: "Wir fahren über Hürth zum Krefelder Hafen, wo Container aus Überseehäfen wie Rotterdam aufgeladen werden. Dann geht es weiter nach Berlin."

Rothschild überlegt derweil, ob er Dehns künftig auch die sechs Wechselbrücken voller Sprudel, die er bereits seit zweieinhalb Jahren täglich von Köln nach Hamburg via Kombi-Verkehr (Straße, Schiene) transportiert, mitgibt. Dann habe er die LKW-Fahrten nach Köln gespart.

Ums Sparen geht es beim CTG beileibe nicht. Ulrich Rust, technischer Geschäftsführer bei Gerolsteiner Brunnen, sagt: "Weil sich die Kosten fürs Berliner Volumen zwischen Straße und Schiene die Waage halten, nutzen wir den Umweltaspekt und entscheiden uns für die Schiene." Ab 700 LKW-Ladungen pro Jahr in eine deutsche Metropole sei der Kombi-Verkehr sinnvoll. Rust verspricht: "Das ist für uns kein Strohfeuer." Von Testphasen haben die CTG-Gesellschafter (Rothschild, Hans Ludwig, Spediteur aus Dockweiler und Vulkaneifelbahn) schon lange die Nase voll (der TV berichtete mehrmals). Rothschild erinnert sich: "Die CTG hat uns seit sechs Jahren viel Nerven und viel Geld gekostet."

Rückblick: Ende 2003 wurde der Umschlagplatz gekauft, umgebaut und eingerichtet. Die Kosten von zwei Millionen Euro trug der Bund zu 85 Prozent (1,7 Millionen Euro), die CTG-Gesellschafter sowie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Vulkaneifel teilten sich den Rest (300 000 Euro). Alle hatten die Einführung der LKW-Maut im Blick und erhofften sich rentable Schienentransporte. Die Maut kam lange nicht. Nach einer kurzen Testphase lag der Umschlagplatz bis vorgestern brach. Die CTG-Logistiker wollen nun allen regionalen Unternehmen den Kombi-Verkehr schmackhaft machen. Rothschild: "Es ist eine sinnvolle Alternative."

Die Bundesregierung behielt derweil die CTG fest im Blick. Vor gut zwei Jahren forderte sie ein neues Konzept, damit die Investitionen nicht umsonst waren. Danach versprach die CTG, den Kombi-Verkehr von Köln nach Hamburg (ab 2007), von Köln nach Berlin (ab 2010) und erst ab 2012 ab Gerolstein nach Berlin und Hamburg aufzunehmen.

Rothschild freut sich: "Jetzt konnten wir unser Versprechen sogar früher einlösen." Allerdings musste er erneut Geld in die Hand nehmen. Das Eisenbahn-Bundesamt forderte für die Reaktivierung die Anschaffung weiterer Wechselbrücken. Von den 320 000 Euro Kosten übernahm der Bund 100 000 Euro; 220 000 Euro musste der Spediteur zahlen.

Meinung

Erfolg und Werbung

Die Gesichte der Güterverladung am Gerolsteiner Bahnhof ist - bis jetzt - ein Trauerspiel. Da wurde für viel Steuergeld eine Idee mit Leben erfüllt, die sowohl umweltpolitisch als auch wirtschaftlich zukunftsträchtig erschien (und noch immer ist), doch die beteiligten Akteure haben es nicht geschafft, aus der Idee ein funktionierenden und rentables Geschäft zu machen. Daher ist es gut, dass der Bund als Geldgeber beharrlich Druck gemacht hat. Erst dadurch ist es zum neuen Anlauf gekommen. Zwei Dinge sind jetzt notwendig: erstens ein Erfolg der jetzigen Transporte und zweitens offensive Werbung, damit sich weitere Unternehmen der Region für Gütertransport auf der Schiene entscheiden. Jede LKW-Fahrt, die so von der Straße genommen wird, ist ein Gewinn für die Umwelt, viele Städte und Dörfer in der Region und die Nerven der Autofahrer. m.huebner@volksfreund.deEXTRA Unter "Wechselbrücken" versteht man spezielle LKW-Aufbauten, die vom Fahrgestell mit einem Kran abgenommen werden können. Die LKW sind somit flexibler und rascher mit den jeweiligen Frachten zu beladen. Die Wechselbrücken sind so konzipiert, dass sie standardmäßig auch auf Eisenbahnwaggons oder große Frachtschiffe passen. Sie sind für den Einsatz im sogenannten Kombi-Verkehr (Straße, Bahn, Schiff) unentbehrlich. Allerdings können sie nicht, wie beispielsweise Container aus Metall, gestapelt werden (oft auf Ozeanriesen zu sehen). Das "Dach" der Wechselbrücke ist nämlich eine Plane aus Kunststoff. (vog)

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