"Die Stadträte gehen wieder gemeinsam aus"

Der Neustart des Kindergartenprojekts ist vollzogen, unter den Wöllersberg-Streit ein Schlussstrich gezogen: In der gut 100-tägigen Amtszeit von Gerolsteins neuem Stadtbürgermeister Bernd May sind bereits Entscheidungen von großer Tragweite gefällt worden.

 Gerolsteins Stadtbürgermeister Bernd May. TV-Foto: Mario Hübner

Gerolsteins Stadtbürgermeister Bernd May. TV-Foto: Mario Hübner

Gerolstein. (mh) Bernd May hat im September 2009 die Nachfolge des unerwartet zurückgetretenen Karl-Heinz Schwartz (CDU) als Stadtbürgermeister von Gerolstein angetreten. Über die ersten 100 Tage im Amt sprach er mit TV-Redakteur Mario Hübner.

Herr May, Sie laden diese Woche zur ersten Bürgerversammlung in Ihrer Amtszeit ein und lösen damit auch ein Wahlversprechen ein. Weshalb ist Ihnen die Zusammenkunft so wichtig?

May: Genau genommen ist es das dritte und letzte meiner Wahlversprechen, die ich einhalte. Ich habe Offenheit und Transparenz angekündigt, und das habe ich denke ich bislang auch an den Tag gelegt. Ich habe angekündigt, nach der Wahl zeitnah Gespräche mit den Ortsvorstehern und Fraktionsvorsitzenden zu führen, was geschehen ist, und nun kommt eben die Bürgerversammlung. Und die wird es künftig mindestens einmal im Jahr geben - um zu sehen, welche Themen den Leuten aktuell auf den Nägeln brennen.

Wie werden Sie darüber hinaus Bürgerbeteiligung fördern?

May: Gute Ideen von Bürgern sind stets willkommen. Da bin ich über jede E-Mail, jeden Anruf, jedes Gespräch dankbar. Wer Mitbestimmung will, muss sich einbringen. Es muss aber stets um Vorschläge gehen, die dem Allgemeinwohl dienen und nicht dem persönlichen Vorteil.

Ein aktuell wichtiges Thema ist, wie das freiwerdende Werksgelände des Gerolsteiner Brunnens in der Innenstadt zum Wohle der Stadt genutzt werden kann. Was halten Sie von dem Gedanken, dort einen Familien-Erlebnispark zu installieren?

May: Eine interessante Idee und für die touristische Infrastruktur Gerolsteins eine tolle Sache. Aber da wäre im Vorfeld vieles zu klären, wie die Frage: Ist der Markt in der Eifel dafür nicht bereits übersättigt? Ich betone jedoch: Wir sind nicht Chef im Ring. Das ist nach wie vor der Gerolsteiner Brunnen. Aber allein die Tatsache, dass er das Gelände öffnet, ist super. 33 000 Quadratmeter in Innenstadtnähe: ein Filetstück und eine riesige Chance für Gerolstein. Die Stadt wird sicherlich jede Projekt-Planung unterstützen, die Frequenz und Impulse für die Innenstadt bringt.

Neues Leben soll in diesem Jahr ja auch in die Raderstraße kommen - genauer gesagt in den neuen Kindergarten. Hand aufs Herz: Bekommen Sie angesichts des Leasingmodells, mit der die Stadt Neuland betritt, nicht manchmal Bauchschmerzen?

May: Bauchschmerzen? Nein! Wir sind erstens gesetzlich gezwungen, Kindergartenplätze auch für Kleinkinder vorzuhalten. Zweitens ist das Projekt variabel, da wir das Gebäude jederzeit erwerben und somit auf die althergebrachte Variante umschwenken können. Drittens haben wir breite Unterstützung für das Modell gefunden, auch wenn es in dem ein oder anderen Punkt noch Klärungsbedarf gibt. Ich bin voll vom Konzept überzeugt, denn wegen des ausgehandelten Festpreises müssen wir keine Kostenexplosion fürchten, und zweitens können die Kinder bereits in diesem Jahr einziehen. Anders wäre es 2013 geworden.

Ist das Modell auch bei anderen Vorhaben denkbar - beispielsweise dem Bahnhof?

May: Ja! Die Bahn muss nun in die Pötte kommen und sich äußern, ob und wann sie verkaufen will und wenn ja, zu welchem Preis. Damit rechnen wir im Frühjahr. Nach meiner Einschätzung muss das Gebäude entkernt werden, denn so schmuck es auch von außen aussieht: Innen stellt es sich sehr "arbeitsintensiv" dar. Ich sehe hier wertmäßig nur den Gebäudepreis quasi als Rohbau und den Wert des Grundstücks.

Also eher 100 000 Euro als eine Million?

May: Ohne eine Summe zu nennen: Die Tendenz stimmt!

Zurück zu den Bauchschmerzen: Verursachen Ihnen die Finanzen - Stichwort unausgeglichener Haushalt und 11,5 Millionen Euro Schulden - welche?

May: Ich wusste ja, was auf mich zukommt. Man muss halt dort, wo man Handlungsspielräume hat, Entscheidungen treffen, um die Finanzen im Griff zu behalten. Solche Entscheidungen haben wir getroffen: beim Kindergarten und auch Wöllersberg, der bei einem weiterem Rechtsstreit sicherlich mehr als ein Groschengrab für die Stadt geworden wäre.

Haben sich die Wogen nach der Wöllersberg-Entscheidung mittlerweile wieder geglättet?

May: Ich denke schon, wenngleich einige das persönlich genommen haben. In der öffentlichen Diskussion war das aber kein großes Thema mehr.

Beim Wöllersberg war der Ton teilweise recht scharf. Das hat an das Ende der Amtszeit Ihres Vorgängers Karl-Heinz Schwartz erinnert. Wie werten Sie mittlerweile Stimmung und Zusammenarbeit im Stadtrat und in den Ausschüssen?

May: Sie ist gut. Ich bin ja mit dem Vorsatz angetreten, wieder mehr Ruhe und Sachlichkeit in die politische Arbeit zu bringen. Es gibt im Rat keine persönlichen Angriffe mehr, und alle Fraktionen beteiligen sich konstruktiv. Auch ein Beispiel für das neue Miteinander: Nach der ersten Stadtratssitzung sind wir gemeinsam noch ein Bier trinken gegangen. Da waren 18 der 22 anwesenden Ratsmitglieder dabei. Und am nächsten Tag war bereits in der Stadt die Information rund: "Die Stadträte geht wieder gemeinsam aus. Das hat es ja lange nicht mehr gegeben." Die Bevölkerung registriert so etwas!

Was war, nach gut 100 Tagen Amtszeit, Ihre prägendste Erfahrung?

May: Da gibt es eine positive und eine negative. Die positive: Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung klappt hervorragend. Ich laufe keiner Information hinterher. Die Zusammenarbeit ist - ebenso wie mit den Fraktionen - konstruktiv. Negativer Höhepunkt war die Sabotage eines städtischen Schneeräumfahrzeugs. Da wurden Schläuche und Kabel durchgeschnitten, und es wurde so billigend in Kauf genommen, dass ein Mensch zu Schaden kommt. Und offensichtlich nur, weil jemand mit dem städtischen Räumdienst unzufrieden war. Da wurde eine Grenze überschritten.

Sind Sie trotzdem noch froh?

May: Sicher, der Job macht mir viel Spaß, vor allem, weil ich mit so vielen Menschen ins Gespräch komme und wir ja auch schon einige wichtige Entscheidungen gefällt haben.

Und Ihre Frau?

May: Die auch. Und wenn abends um 22 Uhr noch jemand anruft, weil irgendwo der Schnee nicht geräumt ist, kontert sie noch ganz trocken: "Meinen Mann wollen Sie sprechen? Geht gerade nicht, der ist draußen und schippt Schnee." Und das war eine Tatsache!

Meinung

Geglückter Start

Dass der neue Stadtbürgermeister in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit die Hände in den Schoß gelegt hätte, kann wahrlich nicht behauptet werden. Mit dem Kindergarten-Neustart und dem Wöllersberg-Schlussstrich sind gleich zwei Entscheidungen mit großer Tragweite direkt zu Beginn von Mays Amtszeit gefällt worden. Und vor allem beim Kindergarten und dem beschlossenen Leasingmodell hat May, der sich schon früh als Freund öffentlich-privater Partnerschaften bekannt hat, der Stadtpolitik gleich seinen Stempel aufgedrückt. Ein geglückter Start. m.huebner@volksfreund.deZur PersonBernd May (parteilos) ist am 19. September vergangenen Jahres gewählt und am 23. September als neuer Stadtbürgermeister von Gerolstein ernannt und vereidigt worden. Der 51-Jährige ist verheiratet, hat eine Tochter und arbeitet zudem als selbstständiger Immobilienmakler. (mh)

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