Im Westen ist das Platt urtümlicher

Mayen · Die Eifel ist zweigeteilt - sprachlich zumindest. Die Grenze bildet die Ahr; einzelne Dialekte gibt es unzählige - teilweise von Dorf zu Dorf sehr verschieden. Die größte Abweichung vom Hochdeutschen weist die Sprache der Region zwischen Prüm und Bitburg auf.

 TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

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Mayen. Lück, Löüt, Lick, Lickt, Leckt, Lett, Lait, Läit - es gibt viele Eifler Ausdrücke für das hochdeutsche Wort "Leute". Und noch mehr Dialekte gibt es in der Region zwischen Mosel und Ahr. Das verdeutlichte auf anschauliche Weise die erste Tagung für die gesamte Eifel, die sich mit den heimischen Mundarten befasste. Das Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte Bonn des Landschaftsverbandes Rheinland hatte mehr Anmeldungen zu verzeichnen als Plätze im Eifler Landschaftsmuseum vorhanden waren - so groß war das Interesse des überwiegend älteren Publikums.Der Sprachabteilungsleiter des Instituts, Dr. Georg Cornelissen, und der Verfasser des "Kleinen linksrheinischen Dialektatlas", Dr. Georg Drenda (Mainz), gaben unserer Zeitung zuvor eine Einführung ins Thema.

Demnach ist die Eifel sprachlich zweigeteilt: Die Sprachgrenze bildet in vielen Fällen die Ahr. Nördlich von ihr gilt das Ripuarische, südlich von ihr das Moselfränkische. Beide Teilregionen wurden unterschiedlich intensiv von der Lautverschiebung (5. bis 9. Jahrhundert nach Christus) erfasst: Je nördlicher, desto geringer die Verschiebung.
Auf die Frage, wie viele Dialekte es eigentlich in der Eifel gibt, antworteten die Sprachwissenschaftler übereinstimmend: ungezählte. Jedes Dorf, jedes Tal, jede Kleinlandschaft war in der Lage, Mundarten ganz eigener Art hervorzubringen. Das hing vor allem mit der Lebensweise der Menschen zusammen. Je abgeschlossener sie lebten, je weniger Zuwanderer sie aufnahmen, desto ausgeprägter bildete sich ihr Dialekt heraus. In der Dialekttiefe, der sogenannten Dialektalität, zeigt sich eine Ost-West-Verteilung. Je westlicher, desto tiefer.Hoher Berg, tiefer Dialekt

Den höchsten Wert der Region (3,5), also die größte Abweichung vom Hochdeutschen, weist der Raum zwischen Prüm und Bitburg aus; Mayen kommt auf einen Wert von 2,9, Andernach auf 2,6. Überspitzt heißt das: Je höher die Berge, desto tiefer der Dialekt.
So kennen die Wissenschaftler Hunderte von Dialekten, beinahe jedes Dorf hat seinen eigenen. Seit etwa 1000 Jahren, wahrscheinlich aber noch länger, gleichen sich die Sprachunterschiede an. Der Grund wird in der steigenden Mobilität gesehen. Einen Lebensweg, der über die eigenen Dorfgrenzen nicht hinausführt, gibt es heutzutage kaum mehr. Die Dialektvielfalt in der Eifel hat dennoch Gründe. Die Region war jahrhundertelang Abwanderungsgebiet. Die führte einerseits zu einer Verdichtung der Mundartausprägungen, andererseits gab es kaum Zuwanderung, was dazu geführt hätte, dass die Dialekttiefe verflacht wäre.
Georg Cornelissen gab - thesenartig, verkürzend und zuspitzend - zehn Fortsetzungen auf den Eingangssatz: Die Eifel spricht Platt, weil

1. das Moselromanische ausgestorben ist und

2. diese Sprachform hier ein enormes Prestige hat. Doch hier setzt Cornelissen selbst ein großes Fragezeichen,

3. weil es nicht die Sprache einer dominierenden Metropole ist (in der Eifel gibt es keine Metropole),

4. die Dialektpflege eine starke Wirkung entfaltet, und es hierzu noch viel zu tun gibt,

5. weil das Platt die Eifeler mit den Luxemburgern und Ostbelgiern verbindet,

6. weil sie kein Zuzugsgebiet war und ist,

7. weil die Menschen hier auch anders als Platt sprechen können. Das sei früher anders gewesen,

8. weil die Eifel (sprachlich) zu Süddeutschland gehört, Bonn dagegen zu Norddeutschland,

9. weil die Menschen hier am Platt hängen. Und

10. ist Platt ein besonderes Identifikationsmerkmal.

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