Jetzt wird abgerechnet

Gerolstein · Neue Straßen, neue Plätze und hohe Zuschüsse für Hausmodernisierungen: 30 Jahre lang lief die Stadtsanierung in Gerolstein, nun ist sie abgeschlossen, und die Grundstückseigentümer werden zur Kasse gebeten. Eine Klagewelle wie in Hillesheim vor Jahren befürchtet die Stadt aber nicht.

Es ist schwer, sich den Wandel einer Stadt vor dem geistigen Auge in Erinnerung zu rufen. Ob hier früher Bäume standen, ein kleiner Platz angelegt war, ein Trampelpfad verlief, gerät rasch in Vergessenheit.

Mit dieser Problematik sehen sich derzeit auch Stadtspitze und Verwaltung in Gerolstein konfrontiert. Denn: Ende Dezember wurde formal die Stadtsanierung für den Innenstadtbereich beendet, die vor 30 Jahren begonnen wurde. Und nun wird abgerechnet. Wie viel letztlich jeder Grundstückseigentümer für die Wertsteigerung seines Grundstücks und seiner Immobilie in Gerolsteins Innenstadt zu zahlen hat, ermittelt derzeit der Gutachterausschuss (Extra III).

"Man vergisst zwar leicht, wie es früher wirklich war. Ich gehe aber davon aus, dass jeder einzuschätzen vermag, wie sehr er selbst von den Sanierungsmaßnahmen profitiert hat, und dass das was kostet", sagt Gerolsteins Stadtbürgermeister Bernd May.

Auch Bauamtsleiter Klaus Jansen geht von einem "reibungslosen Verlauf" aus. Der Grund für die Zuversicht: "Erstens wissen die Grundstückseigentümer seit Anfang an, dass irgendwann Ausgleichsbeiträge fällig werden, zweitens setzen wir auf größtmögliche Transparenz und werden, sobald die Ergebnisse des Gutachterausschusses vorliegen, eine Anliegerversammlung einberufen. Dann erfährt jeder, wie der Beitrag zustande kommt, und kann die Gutachter gezielt befragen", sagt Jansen.

In Hillesheim, wo vor einigen Jahren die Stadtsanierung beendet wurde, gab es eine große Klagewelle (Extra II). "Damit rechnen wir hier nicht", betont Jansen und verweist auf Erfahrungswerte.

Ergebnisse des Ausschusses werden Mitte 2011 erwartet

 ... lockt nun McDonalds. TV-Fotos: Mario Hübner (7)

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Denn 1993 wurde bereits der Teilbereich um die Sparkasse abgewickelt und 2007 der Bereich Obere Marktstraße. "Beim ersten Verfahren hatten wir es mit einer Klage zu tun, die die Stadt jedoch gewonnen hat. Im zweiten Verfahren kam es zu überhaupt keinem Rechtsstreit. Nur in einem Fall wurde Widerspruch eingelegt, die Sache aber gütlich geeinigt", berichtet Jansen.

Beim Verfahren 2007 wurden zwischen 4,50 Euro und 7,50 Euro pro Quadratmeter Grundstück als Ausgleichsbeitrag fällig. Bei einem 300 Quadratmeter großen Grundstück und sechs Euro Beitrag kamen so 1800 Euro zusammen. Mit welchem Wert diesmal zu rechnen ist, wollten weder Jansen noch May mutmaßen.

Die Ergebnisse des Gutachterausschusses werden für Mitte des Jahres erwartet. "Dann werden wir die Anliegerversammlung einberufen. Bis dahin aber gibt es für uns in dieser Sache nichts zu tun", sagt May und verweist darauf, dass er selbst noch von keinem Bürger auf das Thema angesprochen und es auch in der jüngsten Einwohnerversammlung nicht angeschnitten wurde. Extra IIIAusgleichsbeiträge Im Regelfall steigen die Sanierung den Bodenwert der im Sanierungsgebiet liegenden Grundstücke - etwa durch eine bessere Zugänglichkeit, eine verbesserte Wohn- oder Geschäftslage, ein verschönertes Umfeld. Zur Finanzierung werden daher auch die Grundstückseigentümer herangezogen: durch Ausgleichsbeiträge. Sind sie nicht einverstanden, können sie Widerspruch einlegen und dagegen klagen. Wie hoch der Ausgleichsbeitrag ausfällt, wird vom Gutachterausschuss festgelegt. Das ist ein selbstständiges und unabhängiges Gremium von Experten. Vorsitzender des Gutachterausschusses für den Kreis Vulkaneifel ist Hans-Peter Jünger, Chef des Katasteramtes in Daun. (mh)Extra IIBeispiel Hillesheim Der vorbildlichen Stadtsanierung in Hillesheim, die in der Verleihung des Titels "Europäische Beispielstadt" gipfelte, folgten viele Widersprüche und Rechtsstreitigkeiten. Zwar erkannten die meisten Grundstückseigentümer an, dass die Sanierung gelungen war und den Wert ihrer Immobilien steigerte. Viele setzten sich aber zur Wehr, weil ihnen zu Beginn der Stadtsanierung von der Stadtspitze zugesichert worden war, dass keine Beiträge zu zahlen seien. (mh)Extra I Die Stadtsanierung in Gerolstein begann am 25. September 1980 und wurde zum 31. Dezember 2010 beendet. Das Sanierungsgebiet umfasste 12,4 Hektar. Bereits abgerechnet sind die Bereiche Sparkasse (3,4 Hektar) sowie ein Teil der Oberen und Unteren Marktstraße (2,2 Hektar). Zur Kasse gebeten werden nun Grundstückseigentümer der Haupt-, der Brunnen-, der Mühlen-, der Oberen und Unteren Markt-, der Burg-, der Berg- und der Raderstraße sowie der Straßen In der Haag, In der Held, Alter Marktplatz und Drees-treppchen. Die Gesamtausgaben lagen bei 9,3 Millionen Euro, die Hälfte davon steuerte das Land bei. Zudem gab es 1,1 Millionen Euro vom Land für private Modernisierungsvorhaben. Diese wurden mit bis zu 25 Prozent bezuschusst. (mh)

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