Kurierfahrer überfährt 79-Jährige in Gerolstein - Gericht verhängt Bewährungsstrafe

Daun · Gericht verurteilt 25-Jährigen zu sechs Monaten Haft auf Bewährung, weil er fahrlässig eine 79-Jährige in Gerolstein überfahren und dabei getötet hat.

Daun Ja, er möchte aussagen, lässt der 25-jährige Kurierfahrer aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich zu Prozessbeginn vor dem Amtsgericht Daun wissen. Und fortan beantwortet er sämtliche Fragen von Richterin Julia Schmitz-Garde und Staatsanwältin Susanne de Renet.
Auf die von der Richterin gestellten Frage, ob er die Dame denn nicht gesehen habe, beteuert er mehrfach: nein, weder in den beiden Rückspiegeln noch in der Rückfahrkamera. Die 79-Jährige habe bei dem Unfall ein schwerstes Brustraumtrauma erlitten, das zum Tod führte, las die Richterin aus dem Gutachten eines Sachverständigen vor. Nicht klar ist, ob die Dame von selbst hingefallen ist oder von dem Fahrzeug des 25-jährigen Kurierfahrers angefahren wurde. Fest steht allerdings, dass der Wagen den Brustkorb überrollte und sie daran gestorben ist, so die Ausführungen im Gutachten.
Der Unfall spielte sich in etwa so ab: Seit etwa zwei Jahren ist der Angeklagte Fahrer bei einem Kurierdienst. In Gerolstein liefert er am 31. Januar 2017 ein Paket bei einem Schönheitssalon an und muss anschließend rückwärts aus der engen, leicht abschüssigen Sackgasse fahren. Eine Wendemöglichkeit gibt es nicht. Obwohl er, wie er mehrfach beteuert, in alle Spiegel schaut und auch die Rückfahrkamera eingeschaltet ist, habe er keine Frau gesehen. Allerdings habe er einen Ruck bemerkt. Er dachte zunächst, er sei gegen den Bordstein gefahren.
Dann sieht er die verletzte Frau vor seinem Wagen auf dem Boden liegen, steigt aus und verständigt sofort Notarzt und Polizei.
Den Hergang des Unfalls in der Nähe von MC Donalds um 12.13 Uhr bestätigt auch der als Zeuge geladene Polizeibeamte Otmar Schiffmann, der mit einem Kollegen den Unfall aufgenommen hat. Sein Kollege habe die Funktionstüchtigkeit der Rückfahrkamera und der Spiegel überprüft, alles sei in Ordnung gewesen, sagt Schiffmann. Augenzeugen hätten nicht ermittelt werden können.
Am Fahrzeug haben sie Spuren des Unfalls festgestellt, die später auch der hinzugezogene Kfz-Sachverständige Roland Benninghaus bestätigt. Es handelte sich um Spuren, "wie sie mit Kontakt eines Körpers entstehen", sagt er.
Der sieben Meter lange "Sprinter" habe keine technischen Mängel gehabt. Auch Benninghaus hat die Spiegel und Rückfahrkamera überprüft, die Hindernisse in bis zu vier Metern Entfernung erkennt. Sein Urteil: alles funktionstüchtig.
Anhand einer Skizze zeigt er, dass der Fahrbahnknick dennoch schwer einsehbar ist und zusätzlich noch ein Gefälle von rund fünf Prozent aufweist. "Ich kann nicht ausschließen, dass die Dame gefallen ist und schon da lag", sagt der Sachverständige. Mit der Rückfahrkamera hätte der Angeklagte sie aber auf jeden Fall sehen können.
Sicher ist seiner Aussage nach, dass die Frau vom linken Vorderrad überrollt wurde, was letztlich zum Tod führte. Die Aufprallgeschwindigkeit habe etwa zwölf Kilometer pro Stunde betragen.
Nach der Beweisaufnahme stellt Staatsanwältin Susanne de Renet fest, dass nicht anzuzweifeln sei, dass der Kurierfahrer wegen fahrlässiger Tötung anzuklagen sei. Er habe zwar nach dem Unfall alles richtig gemacht, indem er sofort Notarzt und Polizei gerufen habe. Doch laut Gutachten "hat er eben zu irgendeinem Zeitpunkt die Dame übersehen". Daher Fahrlässigkeit. Sie sagt: "Ich weiß, Sie arbeiten unter Druck. So etwas darf aber einfach nicht passieren."
Aufgrund seines geringen Einkommens plädiert die Staatsanwältin für eine Freiheitsstrafe, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden könne.
Richterin Schmitz-Garde kommt dieser Forderung nach und verurteilt den Mann zu sechs Monaten Haft, auf eine zweijährige Bewährungszeit ausgesetzt. Dabei habe sie berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft sei und unter großem Druck arbeite. Sie sagt zu dem Angeklagten: "Niemand wirft Ihnen Vorsatz vor."
Der Anwalt des Angeklagten, Hans-Josef Ewertz aus Daun, hatte nicht bestritten, dass sein Mandant die Frau überfahren hat. "Er bedauert sehr, dass das passiert ist. Und er leidet darunter", sagte Ewertz und forderte deshalb keine Freiheitsstrafe, sondern eher eine Geldstrafe. Dazu kam es letztlich nicht. Ob sein Mandant das Urteil akzeptiere oder in Berufung gehe, sei noch unklar: "Er überlegt noch."
Wie immer hat der Angeklagte vor Gericht das letzte Wort. Mit ernster Miene beteuert er: "Ich will nur sagen, dass es mir leidtut".

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