Vortrag So ticken Land, Trump und Leute jenseits des Atlantiks

Prüm · „Was ist mit den Amis los?“ Der Journalist Christoph von Marschall erklärt beim Vortrag in Prüm Land, Trump und Leute jenseits des Atlantiks.

 Christoph von Marschall berichtet seit 2005 als Korrespondent für den Berliner Tagesspiegel aus Washington und kennt den Blickwinkel der US-Amerikaner auf Europa. Mehr als 200 Besucher im Prümer Konvikt hörten so manche unbequeme Wahrheit für Europäer.

Christoph von Marschall berichtet seit 2005 als Korrespondent für den Berliner Tagesspiegel aus Washington und kennt den Blickwinkel der US-Amerikaner auf Europa. Mehr als 200 Besucher im Prümer Konvikt hörten so manche unbequeme Wahrheit für Europäer.

Foto: Vladi Nowakowski

Donald Trump ist am Freitagabend nicht das vorherrschende Thema des bekannten  Journalisten Christoph von Marschall, der auf Einladung des Geschichtsvereins Prümer Land im Rahmen der Vortragsreihe „Brennpunkt Geschichte“ über das abgekühlte Verhältnis zwischen Amerikanern und Deutschen spricht. „Wir könnten nun eine Stunde lang Trump beschimpfen, nur: damit haben wir nichts gewonnen“, sagt von Marschall vor mehr als 200 Zuhörern im Konvikt.

Trump zerstöre mit seinem Verhalten zwar die liberale Ordnung innerhalb des transatlantischen Bündnisses. Doch die wichtige Frage sei: „Wie müssen wir auf diese veränderte Weltlage reagieren?“

Einige europäische Länder gingen es pragmatisch an. „Dort heißt es eben: Da müssen wir jetzt durch, es ist nicht das erste Mal, dass wir Meinungsverschiedenheiten mit den USA meistern müssen“, sagt der Journalist und erinnert an die US-Präsidenten Reagan  und Bush, deren Beliebtheitswerte auf dem alten Kontinent ebenfalls weit unten waren.

In Deutschland hingegen werde vom Niedergang der Weltmacht USA gesprochen. Doch für von Marschall sind China und Russland sind keine Alternativen zum westlichen Bündnis. Europa sollte nicht mit dem Gedanken spielen, sich loszusagen, sondern innerhalb der transatlantischen Beziehungen wesentlich selbstständiger werden. „Doch dafür muss die Europäische Union anfangen, gültige Regeln zu befolgen und etwa die Vorgaben der Nato zum Wehr-Etat einhalten.“ Aus dem Blickwinkel der Amerikaner werde Deutschland allmählich zum Sicherheitsproblem.

Ein Beispiel: „Deutschland ist im Besitz von sechs U-Booten, keines davon ist einsatzfähig“, sagt von Marschall und erklärt: „Innerhalb eines Verteidigungsbündnisses, das auf Abschreckung setzt, klingt das wie ein schlechter Witz.“

Darüber hinaus offenbare Europa weitere Schwächen findet der Journalist. Es fehle an der Durchsetzung der Werteordnung in den EU-Staaten, der Durchsetzung der Regeln der Eurozone und an der Einigung über den Umgang mit Asyl und Migration. „Europa muss für mehr Sicherheit sorgen, für innere, militärische und soziale.“

Auch Deutschland, mit rund 28 Prozent der Wirtschaftskraft eine Macht in Europa, gebe in den Augen der Amerikaner ein schwaches Bild ab. „Was folgt aus Kanzlerin Merkels Aussage, die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen konnten, seien ein Stück weit vorbei?“, fragt von Marschall. Reformen in Deutschland und in der EU, um auf die veränderte Weltlage zu reagieren, seien nicht zu beobachten. „Stattdessen wächst die Bereitschaft zu nationalen Alleingängen – auch Merkels Reaktion auf den Flüchtlingsstrom von 2016, war, wenn auch aus humanitären Erwägungen richtig, ein Alleingang“.

Weitere Brennpunkte seien der Brexit und die rechtspopulistischen Bewegungen, die auf eine Spaltung der Gemeinschaft hinarbeiten. Wenn Deutschland eine Führungsrolle innerhalb der EU einnehmen wolle, müsse es lernen, anderen EU-Staaten zuzuhören. „Eine effektive Politik für die Europäische Union gelingt erst, wenn alle Kompromisse und Koalitionen eingehen“, sagt von Marschall.

Auch wenn die EU ein Erfolgsmodell sei, Krisen vor der eigenen Haustür gebe es mehr als genug. „Und die meisten waren bereits da, bevor Trump die Bühne betreten hat. Von Marschalls Fazit: „Es ist eine Flucht vor realen Zusammenhängen, sich wochenlang über irgendwelche Tweets des amerikanischen Präsidenten zu echauffieren, statt effektiv die eigenen Probleme anzugehen.“

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