Interview Trier-Saarburger Landrat: Inzidenz nicht entscheidend

Herr Schartz, was kritisieren Sie konkret an der vereinbarten Corona-Notbremse?

 Günther Schartz

Günther Schartz

Foto: Helmut Thewalt

GÜNTHER SCHARTZ Von uns wird in vielen Bereichen Flexibilität erwartet: beim Impfen, beim Testen, bei der Kontaktnachverfolgung. Und das alles in großer Eigenverantwortung. Genau diese Flexibilität hätte ich auch gerne bei der Frage, wann wir die Notbremse einlegen. Darauf habe ich in der Besprechung mit der Ministerpräsidentin und der Wirtschaft hingewiesen. Die Inzidenz darf dafür nicht das alleinige Kriterium sein. Zumal, wenn der Eindruck entsteht, die maßgebliche Zahl wäre willkürlich gewählt.

Was sollte Ihrer Ansicht nach außer der Inzidenz berücksichtigt werden?

SCHARTZ Bund und Länder haben sich beim letzten Corona-Gipfel darauf geeinigt, bei der Notbremse die Lage in einer Region zu betrachten. Trier und Trier-Saarburg sind eine Region, daher plädiere ich dafür, die Entwicklung in diesem Raum gemeinsam und nicht getrennt zu betrachten. Immerhin handelt sich ja um einen Gesundheitsamtsbezirk. Da wäre es doch sinnvoller, auf dieser Ebene auch gemeinsam zu agieren, was Beschränkungen oder Lockerungen angeht. Wenn wir innerhalb eines solchen Raumes unterschiedliche Maßnahmen haben, wie derzeit in Trier-Saarburg, führt das zur Verunsicherung bei den Bürgern. Die Menschen müssen nachvollziehen können, was wir anordnen.

Die räumliche Verflechtung ist das eine. Was muss bei der Beurteilung der Lage Ihrer Ansicht nach noch berücksichtigt werden?

SCHARTZ Berücksichtigt werden muss die Zahl der schweren Verläufe, die Kapazität in den Kliniken, die Durchimpfungsrate. Die Lage in Trier und Trier-Saarburg ist zurzeit beherrschbar. Daher fordere ich eben auch einen gewissen Spielraum für die Beurteilung, ab wann eine Notbremse eingelegt werden muss.

War es aus Ihrer Sicht, ein Fehler die Geschäfte ohne verpflichtende Corona-Tests für Kunden zu öffnen?

SCHARTZ Ich habe im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es besser gewesen wäre, die Öffnung mit einem Testkonzept zu verknüpfen. Das war aber von der Wirtschaft nicht gewollt.

Stichwort: Teststrategie. Es gibt in allen Kommunen Testzentren. Aber was bringt den Bürgern, dass sie sich einmal die Woche testen lassen können, wenn sie zwar die Gewissheit haben, dass sie kein Corona haben, aber deswegen trotzdem nicht ins Kino oder die Kneipe gehen dürfen?

SCHARTZ Es steht immer noch im Raum, dass ab Montag weitere Einrichtungen aufmachen dürfen wie etwa die Außengastronomie. Die Bürger wollen das auch nutzen. Man erwartet doch von uns, von der Politik, dass man den Leuten einen Weg aufzeigt, wie man jetzt ein halbwegs normales Leben hinbekommt. Mit den Tests wird zumindest ein subjektives Gefühl einer Sicherheit geschaffen. Und wenn viele sich testen lassen, kann man wieder zumindest ein gewisses Maß an gesellschaftlichen Leben zulassen.

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