Infrastruktur Die Letzten werden die Ersten sein

Trier · Noch schneidet Trier in Sachen Digitalisierung viel besser ab als die umliegenden Landkreise. Bis 2020 könnte sich das grundlegend ändern – so stark wird auf dem Land derzeit in schnelles Internet investiert.

 Ein Bündel aus Glasfaserkabeln: Aktuell werden solche Kabel in allen Landkreisen der Region verlegt, um die Bürger bis spätestens 2020 mit schnellem Internet zu versorgen.

Ein Bündel aus Glasfaserkabeln: Aktuell werden solche Kabel in allen Landkreisen der Region verlegt, um die Bürger bis spätestens 2020 mit schnellem Internet zu versorgen.

Foto: dpa/Jan Woitas

Wer reist, staunt. Und muss womöglich manche Ansicht über die hoch entwickelte Industrienation Deutschland revidieren. Denn überraschenderweise ist das Internet in manch thailändischem oder costa-ricanischem Dschungel besser als in vielen Eifel- oder Hunsrück­dörfern.

Dass es einen großen Nachholbedarf gibt, bescheinigt Deutschland nun auch der Digitalisierungskompass 2018 – eine umfangreiche Studie des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos. Insbesondere die ländlichen Regionen schneiden schlecht ab, vor allem im Osten Deutschlands. Zu den Schlusslichtern des Bundes zählt aber auch der im extremen Westen gelegene Eifelkreis Bitburg-Prüm.

Die Forscher haben zwölf Faktoren aus drei Bereichen untersucht. Erstens haben sie für jeden der 401 Kreise und kreisfreien Städte analysiert, wie lebendig der „Arbeitsmarkt digitaler Berufe“ ist. Erhoben wurde der Anteil „digitaler Impulsgeber“ – also jener Gruppen, die die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben. Dazu zählen Informatiker, Produktdesigner oder Robotik-Spezialisten. Fünf Millionen Stellenanzeigen wurden ausgewertet. Auch der Anteil der IT-Auszubildenden an allen Azubis diente als Faktor. Zweitens floss in die Studie ein, wie gut die Breitbandversorgung für Private und Unternehmen ist. Datengrundlage ist unter anderem der Breitband­atlas des Bundes. Und drittens hat Prognos ermittelt, welche Bedeutung die Informations- und Kommunikationsbranche hat. Kriterien sind etwa die Zahl digitaler Patente oder der Unternehmensgründungen in besagter Branche.

Unterm Strich zeigt sich, dass viele Regionen abgehängt sind. „Die Unterschiede zwischen Stadt und Land verstärken sich“, sagt Prognos-Sprecher Peter Kaiser. Das sieht man auch in der Region. Die Stadt Trier schneidet nicht nur bei der Breitbandversorgung viel besser ab als die umliegenden Kreise, sondern auch als Standort für IT-Unternehmen (siehe Karte). Der TV hat bei den betroffenen Kreisen nachgehört, was sie tun wollen, um die Situation zu verbessern. Und die Recherche zeigt: Aktuell passiert in der Region so viel, um allen schnelleres Internet zu ermöglichen, dass die Prognos-Daten schon sehr bald hoffnungslos veraltet sein werden.

Spätestens 2020 werden viele Dörfer der Region deutlich besseres Internet haben, als Trier es seinen Bürgern heute bietet – und damit schaffen sie auch die Grundlage dafür, dass sich ein digitaler Arbeitsmarkt entwickeln kann. Hier ein Überblick, wie es aktuell um die Digitalisierung steht und was geplant ist:

Eifelkreis Bitburg-Prüm

Weite Hochflächen durchschnitten von tiefen Tälern, saftige Kuhwiesen, winzige Dörfer, Landidyll. Nur 60 Einwohner zählt der Eifelkreis Bitburg-Prüm mit seinen 234 Orten pro Quadratkilometer, halb so viele wie im Kreis Trier Saarburg, 15 mal weniger als in Trier. Und genau das ist das Problem. Er ist so dünn besiedelt, dass es für Telekom & Co. kein interessantes Geschäft ist, Internettrassen zu verlegen.

Und so schneidet der Kreis immer wieder miserabel ab, wenn bewertet wird, wie es um die Digitalisierung steht. 2011 zählte er laut Breitband­investitionsindex zu den drei am schlechtesten versorgten Gebieten Westdeutschlands. Zwei Drittel der Gemeinden kämpften mit Übertragungsgeschwindigkeiten von weniger als zwei Megabit pro Sekunde: Da wird schon googeln zur Geduldsprobe. Filme schauen oder größere Datenmengen bewegen: unmöglich. Seitdem ist nach Informationen der Kreisverwaltung viel passiert. Zwischen 2012 und 2017 hat der Kreis 14,3 Millionen Euro investiert, um 158 Gemeinden eine Grundversorgung zu bieten. Davon fünf Millionen aus eigenen Mitteln, der Rest aus einem Bundesförderprogramm für ländliche Räume. Das Ergebnis: 95 Prozent der Haushalte haben nun mehr als sechs Megabits pro Sekunde (Mbit/s), 59 Prozent mehr als 30. Und dennoch gehört die Kommune weiter zu Deutschlands Schlusslichtern.

Das soll sich ändern. 2015 legte der Bund erstmals ein Förderprogramm zur Breitbanderschließung auf, das die Kreise der Region nun tüchtig anzapfen. Allen voran der Eifelkreis, der eine „Wirtschaftlichkeitslücke“ von 26 Millionen Euro stopfen muss: Das ist jener Betrag, der gezahlt werden muss, um einem Unternehmen das ansonsten unlukrative Geschäft schmackhaft zu machen.

Der Eigenanteil liegt bei 2,6 Millionen, den Rest zahlen Land und Bund. Bis 2020 wird die Telekom dafür sorgen, dass alle Gemeinden mindestens über Bandbreiten von 50 Mbit/s verfügen. In den sechs größten Gewerbegebieten werden Glasfaserkabel bis zu den einzelnen Betrieben gezogen, und auch die Schulen können sich künftig über Bandbreiten von einem Gigabit freuen. So „wird der Eifelkreis die bestehenden Versorgungslücken schließen und eine gleichwertige Infrastruktur zu Stadtregionen erreichen“, teilt Pressesprecher Ansgar Dondelinger mit. Dies sei für Bürger und Unternehmen von grundlegender Bedeutung.

Das ist allerdings noch nicht alles: Im Rahmen eines Modellvorhabens bekommen die Bürger von sieben Gemeinden bis 2020 Glasfaserkabel bis in ihre Häuser verlegt (Kosten 5,3 Millionen Euro, Eigenanteil: zehn Prozent). Und zwar in Neidenbach, Neuheilenbach, Burbach, Biersdorf am See, Wiersdorf, Oberweiler und Koosbüsch.

Nächstes Ausbausziel des Kreises ist, dies flächendeckend einzuführen. Die Verwaltung geht davon aus, dass bis 2021 ein entsprechendes Förderprogramm von Bund und Ländern existiert.

Kreis Vulkaneifel

Auch im Vulkaneifelkreis rollen die Bagger bereits, um Glasfaserkabel zu vergraben. 8,6 Millionen Euro zahlen Bund, Land und Kreis, damit die Firma Innogy SE/Westnetz die Internetversorgung bis Mitte 2019 deutlich verbessert. Das Glasfasernetz wird um 200 Kilometer erweitert. Wie in den anderen Kreisen der Region auch haben sich alle „unterversorgten Gemeinden“ dabei zu einem sogenannten „Kreiscluster“ zusammengeschlossen, um die Aufgabe gemeinsam zu stemmen. Als unterversorgt gelten Orte, die bisher weniger als 30 Mbit/s zur Verfügung hatten. Künftig sollen die Menschen in diesen Orten überwiegend mit bis zu 120 Mbit/s online surfen können. Wird das Kabel bis ins Haus verlegt, sind sogar 300 Mbit/s möglich. „Der Ausbau bietet Fortschritte für den gesamten Landkreis“, sagt Kreis-Sprecherin Verena Bernardy. Alle Beteiligten verbinde die Zielvorstellung, eine nachhaltige Glasfaserinfrastruktur aufzubauen insbesondere im Hinblick auf Mittelstand 4.0, Industrie 4.0, aber auch für Bereichen wie Bildung, Gesundheit oder Verwaltung.

Ein Blick auf die Karte des Digitalisierungskompasses zeigt, dass der ländliche Kreis mit seiner Informations- und Kommunikationsbranche schon jetzt nicht viel schlechter dasteht als das regionale Zentrum Trier.

Kreis Trier-Saarburg

Noch ist der Kreis Trier-Saarburg ein Flickenteppich. Manche Orte haben bestes Internet, in anderen kann man Online-Banking oder -Fernsehen vergessen. Noch. Aber nicht mehr lange. Im August 2018 hat der Kreis ein Mammut-Programm gestartet, um allen gleiche Chancen zu geben: Mehr als 11 000 „unterversorgte Adressen“ in 86 Gemeinden sollen schnelles Internet bekommen, zudem 53 Schulen und 600 Gewerbebetriebe. Den Zuschlag erhielt für 9,5 Millionen Euro die Innogy Telnet GmbH. Die 950 000 Euro Eigenanteil zahlen der Kreis und die sieben Verbandsgemeinden.

Bis Februar 2020 sollen 520 Kilometer neue Glasfaserleitung verlegt sein. „Die Versorgung mit schnellem Internet ist nicht nur längst ein entscheidender Standortfaktor in den Gemeinden, sondern auch für unsere Unternehmen und Schulen von größter Wichtigkeit“, sagt Landrat Günther Schartz. Mit Blick auf die Ergebnisse des Digitalisierungskompasses 2018 sieht er die Gefahr, dass ländliche Regionen abgehängt werden. 24 Prozent der Menschen lebten auf dem Land. Wenn sie in die Städte flüchten, steigere das die Probleme der Urbanisierung: Wohnungsnot, Verkehrskollaps, Umweltprobleme.

Ziel des Kreises ist es daher, 97 Prozent aller Haushalte mit 100 Mbit/s zu versorgen und das Gewerbe auch mit Glasfaser bis vor die Haustür (ein Gigabit/s).

Kreis Bernkastel-Wittlich

Im Vergleich steht der Kreis Bernkastel-Wittlich bei der Breitbandversorgung gar nicht so schlecht da: Er belegt Rang 204 von 401. Dennoch war im März 2018 Spatenstich für ein Großbauprojekt: Innogy Telnet erhält eine Investitionsbeihilfe von rund zwölf Millionen Euro und verlegt damit 537 Kilometer Glasfaserkabel. 6500 Haushalte, 850 Unternehmen und 54 Schulen sollen ab spätestens Herbst 2019 von deutlich höheren Bandbreiten profitieren. Weitere 5000 Haushalte werden über das vorhandene Kupferkabelnetz der Telekom mit dem neuen Glasfasernetz verbunden.

40 Prozent der Haushalte sollen so mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Mbit/s durchs Netz sausen können.

Zusätzlich wird laut Kreisverwaltung bei rund 1500 Haushalten Glasfaser bis ins Haus verlegt. Dort stehen dann bis zu 300 Mbit/s zur Verfügung.

Die Netze werden schrittweise in Betrieb genommen. Auch der Kreis Bernkastel-Wittlich misst dem Ausbau höchste Wichtigkeit zu. Denn bei allen Ansiedlungen – egal ob gewerblich oder privat – habe die Internetversorgung einen hohen Stellenwert. Auch seien Glasfasernetze eine elementare Voraussetzung für schnelle Mobilfunknetze.

Trier

Die Stadt verfügt bereits über eine sehr gute Breitbandversorgung. Dem größten Teil aller privaten Haushalte und Unternehmen (98,8 Prozent) stehen laut Stadtverwaltung mindestens 30 Mbit/s zur Verfügung. „Dahinter steht eine intelligente Versorgungskombination aus DSL und Internet-Anschluss via TV-Kabelnetz“, sagt Rathaus-Sprecher Ernst Mettlach. Auch Schulen und Bildungseinrichtungen seien bestens versorgt.  Allerdings hatte Trier es auch deutlich leichter als das Umland: Da viele potenzielle Kunden auf engem Raum leben, investieren die Telekommunikationsunternehmen freiwillig in den Ausbau der Infrastruktur.

Der Oberbürgermeister habe 2017 das Thema Wirtschaft als Schwerpunkt gesetzt und mit den Stadtwerken  dafür gesorgt, dass es in der gesamten Innenstadt freies W-Lan gibt, betont Mettlach. Als eine der ersten Städte bundesweit hat Trier seit Anfang Januar auch freies und kostenloses W-Lan in allen Stadtbuslinien. Zwar ist die Römerstadt nicht Berlin oder München, dennoch kann sie einen digitalen Arbeitsmarkt aufweisen und landet in der Prognos-Studie im hinteren Mittelfeld. Unternehmen aus allen Branchen der Digitalen Wirtschaft seien ansässig, sagt Mettlach. „Um Unternehmen zu stärken und zu vernetzen, planen wir derzeit einen Digital Hub“. Eine zentrale Anlaufstelle zum Thema Digitalisierung und Innovation für etablierte Unternehmen und Start-ups. Diese soll unter anderem Räume mit technischer Grundausstattung bieten.

Anders als das Umland ist Trier nicht gezwungen, Millionen in neue Leitungen zu stecken. Alles regelt der Markt allerdings auch dort nicht. Ein Blick in den Online-Breitbandatlas des Bundesministeriums für digitale Infrastruktur zeigt, dass Teile der Stadt wie Heiligkreuz, Pallien oder der Trierer Hafen schlechter versorgt sind als manch kleines Dorf im Umland.

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