Der Schulzug für Hentern ist abgefahren

Hentern · Wie "feiert" man Abschied von einer Schule, die gegen den Willen der Bürger vor Ort geschlossen wird? Mit Trauer, Wehmut und Wut - aber nicht nur.

 Schulleiterin Kristina Müller-Freischmidt (links) setzt die Lehrer in einen „Schulzug“. Der fährt nun Richtung Zerf. TV-Fotos (2): Friedemann Vetter, Michael Schmitz

Schulleiterin Kristina Müller-Freischmidt (links) setzt die Lehrer in einen „Schulzug“. Der fährt nun Richtung Zerf. TV-Fotos (2): Friedemann Vetter, Michael Schmitz

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Hentern "Doof" findet Greta, dass sie nach den Schulferien nicht mehr in Hentern zur Schule gehen kann. Doof sagt sie ganz langgezogen, mit ziemlich vielen Os. Klingt überzeugend. Dabei war die Siebenjährige aus Lampaden vor ein paar Tagen noch ganz optimistisch im Hinblick auf den Schulwechsel, wie ihre Mutter Heike Mergens erzählt, sie habe sich darauf gefreut. Zwischen "doofer" Schließung und dem optimistischen Blick nach vorne ist die Stimmung nicht nur bei Greta angesiedelt an diesem letzten Schultag in Hentern, sondern bei vielen Kindern, Eltern, Lehrern, Betreuungskräften und Kommunalpolitikern, die zur Abschiedsfeier gekommen sind. Es ist ein Abschied in vielerlei Hinsicht, wie der aus fünf Stühlen bestehende "Schulzug" deutlich macht. Schulleiterin Kristina Müller-Freischmidt setzt Lehrer darauf, Hausmeister, Betreuerinnen, die Reinigungskraft und noch viele andere Menschen, die der Schule verbunden waren. Erst seit zwei Jahren ist Müller-Freischmidt Schulleiterin der kleinen Dorfschule - doch die scheint ihr so richtig ans Herz gewachsen zu sein. Die Abschiedsworte fallen ihr nicht leicht, doch sie lamentiert nicht, sie will den Kindern Optimismus mit auf den Weg geben, nicht Kummer oder die Angst vor etwas Neuem. So hat sie auch ein Abteil ihre Schulzuges für die schönen Erinnerungen reserviert. Von denen gibt es viele, selbst bei denen, die sich für die Schließung ausgesprochen haben. Zu ihnen gehört Michael Lauer, Ortsbürgermeister von Schömerich und Mitglied der FWG-Fraktion im Verbandsgemeinderat. Viele Freunde gemacht hat er sich mit der Entscheidung zur Schulschließung nicht. Dennoch ist er vor Ort und hält wie seine Bürgermeisterkollegen aus den umliegenden Dörfern ein kurzes Grußwort. 1966 sei er noch zu Fuß vom Kimmlinger Hof in diese Schule gegangen, erzählt er. Damals sei der Schulhof proppenvoll gewesen, sagt Lauer und nimmt dies als Beispiel, dass die Zeiten sich nun mal änderten. "So ein Zug wird halt auch manchmal umgeleitet." Einige Eltern haben für diese Umleitung immer noch wenig Verständnis. Wie Andreas und Claudia Herbster aus Lampaden. Sie sprechen von "einer Unverschämtheit, wie hier von Seiten des VG-Rates mit Eltern und Kindern umgegangen wurde." Auch Therese Schmidt, Mutter eines Kindes aus der zweiten Klasse, ist an diesem letzten Schultag vor allem "sehr, sehr traurig. Das war unsere schöne kleine Schule. Es gab so eine gute Zusammenarbeit mit den Lehrern", sagt sie, aber auch: "Wir müssen positiv in die Zukunft blicken."
Das tut auch einer, der selbst von der Schließung betroffen ist. Karl-Heinz Marx, seit 17 Jahren Lehrer in Hentern. "Die Schule hat eine gute Seele", sagt er. "Die würde ich mir gerne einpacken und sie mit nach Zerf nehmen." Marx wechselt mit seiner Klasse komplett nach Zerf - der Idealfall für die Grundschüler.
Zurück bleibt in Hentern das vom Anfang der 60er-Jahre stammende Schulgebäude. Noch gehört es der Verbandsgemeinde, doch es könnte auf die Gemeinde übergehen. Michael Marx, Ortsbürgermeister, hat an diesem letzten Schultag allerdings überhaupt keine Lust, sich darüber Gedanken zu machen. "Eigentlich möchte ich an so einem Tag kein Ortsbürgermeister sein, wenn ein Teil des gesellschaftlichen Lebens verloren geht."
Er wolle keine Grabrede halten, sagt Marx. "Ich bin aber auch nicht in der Lage, eine Mutmacherrede zu halten." Richtig sauer macht ihn, dass der Schulstandort Hentern ein gewichtiger Grund für drei junge Familien mit Kindern gewesen sei, sich vor ein paar Jahren im Neubaugebiet anzusiedeln. "Und jetzt ist die Schule weg - obwohl die sich auf uns verlassen haben."
Den Kindern scheinen die politischen Spitzen Richtung VG-Rat und Verwaltung in einigen Reden reichlich egal zu sein. Sie wollen endlich Luftballons steigen lassen, Kuchen essen, rumtoben und spielen, sich wie alle anderen Schulkinder auf die Ferien freuen. Das Lied, das sie zwischendurch anstimmen, passt auf den Tag wie die Faust aufs Auge: "Alte Schule, altes Haus, du siehst heute anders aus", heißt es im Refrain. "Neue Schule, neues Glück, und es führt kein Weg zurück."
Ein Video von der Abschiedsfeier finden Sie unter www.volksfreund.de/videosExtra: SO GEHT ES FÜR DIE KINDER WEITER


Bisher gab es in Hentern eine erste Klasse, eine kombinierte zweite und dritte Klasse und eine vierte Klasse. Aus der bisher kombinierten Klasse wird in Zerf eine jeweils eigene dritte und eine vierte Klasse, die mit ihrem Klassenlehrer wechseln. Auch die erste Klasse wechselt im Klassenverband, bekommt aber eine neue Lehrerin. Die Kinder, die bisher in Zerf zur Schule gingen, bleiben ebenfalls in ihren Klassen, so dass die Grundschule von der Klasse 2 bis zur 4 derzeit jeweils zweizügig ist. Die Erstklässler aus Hentern und Umgebung werden gemeinsam mit den Kindern aus Zerf eingeschult, sie werden eine gemeinsame Klasse bilden. In den Ferien zieht das gesamte Mobiliar, Tische, Stühle, Regale, Whiteboards und Tafeln, von Hentern nach Zerf. Eine eigene Grundschulbuslinie wird eingerichtet. Die Nachmittagsbetreuung soll ähnlich wie bisher in Hentern bis 16.30 Uhr oder 17 Uhr laufen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort