Naturschutz Ein Streit um die Nationalpark-Moore

Börfink/Muhl · Auf großen Flächen in dem Schutzgebiet im Hunsrück mussten Fichten weichen, um Moore zu renaturieren. Kritiker bezeichnen dies als sinnlosen und unnötigen Eingriff in die Natur. Die Verantwortlichen des Projekts widersprechen.

 Mit diesem Stab nimmt Adam Hölzer Bodenproben im Park. Echte Moore, sagt er, werde es dort nie geben.

Mit diesem Stab nimmt Adam Hölzer Bodenproben im Park. Echte Moore, sagt er, werde es dort nie geben.

Foto: Trierischer Volksfreund/Christa Weber

Wer auf der K 49 an Börfink vorbeifährt, sieht sie sofort: eine mehrere Hektar große Fläche des Nationalparks Hunsrück-Hochwald, auf der Bäume gefällt wurden. Hintergrund ist die Renaturierung von Mooren, gefördert durch das EU-Projekt Life. Insgesamt 131 Hektar an Fichten werden entfernt, überall dort, wo man vor langer Zeit Flächen künstlich entwässerte, um die im Hunsrück damals nicht heimische Nadelbaumart zu pflanzen.

Seit 2016 werden die alten Gräben geschlossen, um frühere Hangmoore in ihren natürlichen Zustand zu versetzen. Zuletzt waren Ende Juni freiwillige Helfer im Einsatz, um Wassersperren zu bauen. Die Verantwortlichen versprechen sich viel von dem Projekt. Aber es gibt auch Kritiker.

Die Kritik Adam Hölzer beschäftigt sich seit 1973 mit Mooren. Der ehemalige Leiter der Botanik am Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe kartiert seit 2015 im Nationalpark Torfmoose (Hauptbestandteil von Mooren). Das Vorgehen bei der aktuellen Renaturierung kritisiert er: „Man spiegelt den Leuten vor, man würde den natürlichen Zustand herstellen. Aber dort gab und wird es nie richtige Moore geben.“ Es seien auch früher lediglich nasse Hangflächen gewesen, sogenannte „Brücher“. Beim Ortstermin im Thranenbruch zeigt Hölzer, was er meint: Er drückt einen hohlen Bohrkernstab in den Boden. Nach dem Herausziehen steckt darin eine etwa 25 Zentimeter dicke Schicht dunklen organischen Materials, darunter eine deutlich hellere Schicht: „Unten ist Sand, kein Torf.“

 Die Projekt-Verantwortlichen verweisen auf Bereiche der abgeholzten Flächen, wo sich bereits Wasser staut.

Die Projekt-Verantwortlichen verweisen auf Bereiche der abgeholzten Flächen, wo sich bereits Wasser staut.

Foto: Trierischer Volksfreund/Christa Weber

Laut Hölzer wurden die Flächen vorher nicht genug untersucht. Die Akteure würden „losbasteln“, ohne Kenntnis wissenschaftlicher Literatur. Die Entwässerung auf den „Riesenflächen“ zu beenden, werde nicht gelingen. Denn Hangmoore könnten nur ein bis drei Prozent des eindringenden Wassers zwischenspeichern. Dass das Projekt dem Hochwasserschutz diene, sei ein „Märchen“. Die gebauten Sperren würden, wie im Ochsenbruch, bald wieder vom Wasser umflossen. Das wolle aber niemand hören, sagt Hölzer. Die großen Flächen würden in fünf Jahren „wieder voller Fichten und Birken“ stehen. Viele Keimlinge sehe man bereits.

Bedenken hat auch Klaus Borger, früherer Umweltstaatssekretär im Saarland und Berater im Kuratorium des Vereins Nationalparkfreunde. Er sagt: „Ich stehe hinter der Nationalpark­idee. Aber allseits sichtbare Probleme muss man ansprechen.“ In Teilen des Bayerischen Walds könne man sehen, dass eine natürliche Moorrenaturierung ohne menschliche Eingriffe besser, naturschonender und günstiger sei. Das sei auch im Nationalpark Hunsrück-Hochwald möglich, „punktuell an geeigneten Stellen“. Das Fällen der Fichten auf riesigen zusammenhängenden Flächen sei ein „viel zu großer Eingriff“, beklagt Borger. Das Landeswaldgesetz verbiete Kahlschläge von mehr als zwei Hektar. Offenbar habe man die 2,1 Millionen Euro von der EU ausgeben müssen und befriedige nun mit den enormen Holzmengen die Sägeindustrie, die im Vorfeld gegen die Ausweisung des Schutzgebiets protestiert habe.

Diese „intensive Bewirtschaftung“ passe nicht in ein Schutzgebiet, widerspreche Vorgaben des Nationalpark-Staatsvertrags und wirke sich touristisch negativ aus: „Nationalparks locken ein internationales Publikum, das Natur erleben will. Die Kahlschläge schrecken ab.“ Das gelte auch für die meterhohen Asthaufen an Wegen, die beim Verrotten Flüssigkeit „mit hoher organischer Belastung“ in Gewässer und Erdreich spülten.

Das sagt die Stiftung Jan Hoffmann von der Stiftung Natur und Umwelt leitet das Projekt. Der TV hat ihn und seinen Kollegen Moritz Schmitt ins Gelände begleitet. Hoffmann ist von der Eignung der gewählten Flächen überzeugt: „Nach bodenkundlicher Definition haben wir hier Moore.“

 Auf großen Flächen wie hier im Thranenbruch bei Börfink wurden im Nationalpark Hunsrück-Hochwald Fichten gefällt, damit sich dort Moore entwickeln. Kritiker zweifeln am Erfolg des Projekts und bemängeln die aus ihrer Sicht zu starken Eingriffe in die Natur.

Auf großen Flächen wie hier im Thranenbruch bei Börfink wurden im Nationalpark Hunsrück-Hochwald Fichten gefällt, damit sich dort Moore entwickeln. Kritiker zweifeln am Erfolg des Projekts und bemängeln die aus ihrer Sicht zu starken Eingriffe in die Natur.

Foto: Trierischer Volksfreund/Christa Weber

Die auf den Großflächen genutzte  Methode sei zudem nicht die einzig angewandte. Zum Beweis zeigen die Männer ein Areal im Park-Inneren, wo sich zwischen den Bäumen Wasser staut. „Hier haben wir die Gräben verschlossen, aber die Fichten stehen lassen. Das geht nur im zentralen Bereich“, erklärt Hoffmann. Dort dürfe der Borkenkäfer wüten, ohne dass er sich auf Nachbarwälder ausbreiten könne. Auf den Randflächen wäre dies ein Problem. Auch wären die Fichten durch die Veränderung des Bodens umsturzgefährdet.

„Ich kann verstehen“, sagt Hoffmann, „wenn einem die größeren Kahlflächen sauer aufstoßen, weil man sich das im Nationalpark so nicht vorstellt.“ Fachliche Gründe rechtfertigten jedoch das Vorgehen. Daten des Landesamts für Geologie und Bergbau belegten das Moor-Potenzial. „An manchen Stellen gehen wir großflächiger vor, weil wir den Thranenbruch im Zusammenhang bearbeiten wollten.“

Dort müsse man nun „den Wasserhaushalt so restaurieren, dass er die weitere Entwicklung selbst regelt“, sagt Hoffmann. Dabei helfe der Einsatz der Freiwilligen vom Bergwaldprojekt, der im Ochsenbruch schon Erfolge zeige. Laut Moritz Schmitt bestätigen Pegelmessungen der Uni Koblenz/Landau, dass das Wasser nach starkem Regen zeitlich verzögert abfließe. Zu den nachwachsenden Fichten sagt er: „Wir behaupten nicht, dass das nachher ein großes Moor wird und völlig fichtenfrei. Aber wir schaffen die Grundvoraussetzung dafür.“ Eine Fichtenmonokultur werde dort sicher nicht mehr entstehen. 2020 ende das EU-Projekt: „Dann sehen wir das Ergebnis.“

Das sagt das Nationalparkamt Harald Egidi, Leiter des Nationalparkamts, betont, dass „nicht nur nach einer Methode vorgegangen wird“. Je nach Fläche gebe es einen Mix, auch die von Borger bevorzugte Variante werde eingesetzt. Was letztlich am besten funktioniere, werde  intensiv analysiert und wissenschaftlich aufgearbeitet.

Der Sinn der Arbeiten steht für Egidi außer Frage: „Wir setzen unnatürliche Faktoren außer Kraft.“ Der Staatsvertrag regele, dass im Schutzgebiet „bestimmte Verbote und Pflichten nicht gelten“. Daher sei es möglich, Fichten „großflächig abzuräumen“. Hätte man „im Mosaikverfahren“ Gräben geschlossen, wären zahlreiche Fichten umgefallen. Im Übrigen würden von 1300 Hektar Potenzialfläche nur 130 bearbeitet. Ohnehin seien die Fällarbeiten bis auf einige Fichten im Traunbachtal beendet, die Kritik komme im Prinzip zu spät: „Wir haben immer öffentlich gesagt, was wir vorhaben. Jeder konnte mitdiskutieren.“

Zum Thema Holzverkauf sagt Egidi: „Im Schnitt waren 40 Prozent faul.“ Zudem sei die Ernte per Seilkran teuer gewesen. Von dem Erlös des Landes sehe der Nationalpark keinen Cent. Für die Asthaufen, die „etwas zu groß geraten“ seien, plane man zukünftig ein „anderes Vorgehen“. Für bestimmte Tiere und Pflanzen erfülle das Material aber „durchaus eine Biotopfunktion. Was jetzt liegt, bleibt deshalb dort.“

Weitere Entwicklung Klaus Borger sieht die derzeitge Entwicklung des Schutzgebiets insgesamt kritisch: „Die ersten Jahre sind entscheidend, um dem Park ein attraktives Image zu geben.“ Er treffe aber kaum Besucher. Er wolle „nicht alles schlechtreden“, sagt er, denn es gebe auch gute Ansätze, etwa zur Barrierefreiheit. „Aber warum dieses Hauruck-Verfahren? Man hat doch 30 Jahre Zeit.“ Harald Egidi ist zuversichtlich: Der Ochsenbruch zeige sich heute „wesentlich natürlicher“ und werde von Besuchern sehr gut angenommen. „Die Moore sind die Hotspots der Zukunft. In fünf Jahren gilt das auch für den Thranenbruch.“

Drückjagden und Hochsitze: Muss das sein?

Das bezweifelt Forstwirt Klaus Borger. Der Chef des Nationalparkamts sagt: Ganz darauf verzichten geht nicht.

Neben dem Vorgehen beim Thema Moore (oberer Text) kritisiert Diplom-Forstwirt Klaus Borger auch den Jagdbetrieb im Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Er habe „selten ein Schutzgebiet mit so vielen jagdlichen Einrichtungen“ wie etwa Hochsitzen gesehen, sagt er. Dass dort überhaupt gejagt werde, hält er für unnötig. In anderen Nationalparks wie etwa dem Bayerischen Wald werde auf die an Hochsitze gebundene Jagd ganz verzichtet.

Es sei zwar positiv, dass das Nationalparkamt die Jagdzeiten einschränke. Man hätte die Entwicklung des Wildbestands aber auch zunächst beobachten können: „Dann würde man sehen, wie sich die Populationen entwickeln, wohin sie ziehen und ob die Tiere einen Schaden im Sinne der Nationalparkziele anrichten – und könnte bei Bedarf gegensteuern.“ Jagdfreie Gebiete in Europa zeigten, dass es auch ohne die klassische Bejagung gehe. Die vielen Treibjagden im Nationalpark verursachten massive Unruhe. Wildkatzen, die man eigentlich schützen wolle, würden „aufgescheucht“. Auch für Besucher seien die vielen Jagdstände ein ungewöhnlicher Anblick: „Die fragen sich doch, ob sie wirklich in einem Nationalpark sind.“ Das Nationalparkamt habe auf seine Kritik zum Teil schon reagiert, sagt Borger.

„Die Drückjagdböcke müssen sein, aus Gründen der Unfallverhütung“, sagt Harald Egidi, Leiter des Nationalparkamts. „Wir wollen diese Dinge aber dezenter unterbringen.“ Im Hunsrück gebe es weder Wolf noch Luchs. Daher müsse man die Wildbestände aus Rücksicht auf die Nachbarn regulieren. Egidi betont aber: „Trophäenjagden gibt es hier nicht.“

Die Jagdsaison (Mai bis Januar) sei im Nationalpark auf dreieinhalb Monate reduziert. Im Mai gebe es die erste Drückjagd. „Das ist kurz und intensiv, aber danach kehrt wieder Ruhe ein.“ Im Herbst folgten größere Bewegungsjagden, aber an sechs unterschiedlichen Stellen. Das sei insgesamt deutlich weniger, als zuvor die Forstämter erlaubt hätten, sagt Egidi. Bei Hirschen dürften nur Ein- bis Dreijährige gejagt werden. Es gebe auch eine Ruhezone bei Muhl, in der gar nicht gejagt werden dürfe. „Wir kommen aus einer Situation mit herkömmlicher Jagd und müssen uns da langsam herantasten.“

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