Gegraben und Geheimnis gelüftet

Beim zweiten Durchgang der Ausgrabungen im Grafenwald haben die Archäologen von "Terrex" eine entscheidende Erkenntnis gewonnen. Bei den mysteriösen Erdwällen, die dort zu finden sind, handelt es sich mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Überreste eines römischen Feldlagers.

 Das Bruchstück einer Amphore aus der Zeit des Kaisers Augustus, das der Hermeskeiler Bürgermeister Michael Hülpes (Zweiter von links) in der Hand hält, dient dem Archäologen Thomas Fritsch (rechts) als Beweis: Im Hermeskeiler Grafenwald hatten die alten Römer einst ein Militärlager aufgeschlagen. Bei dem Ortstermin mit dabei waren auch der Nonnweiler Bürgermeister Hans-Uwe Schneider und die Grabungstechnikerinnen Katharina Wieland (Mitte) und Hanne Comann (Zweite von rechts). TV-Foto: Axel Munsteiner

Das Bruchstück einer Amphore aus der Zeit des Kaisers Augustus, das der Hermeskeiler Bürgermeister Michael Hülpes (Zweiter von links) in der Hand hält, dient dem Archäologen Thomas Fritsch (rechts) als Beweis: Im Hermeskeiler Grafenwald hatten die alten Römer einst ein Militärlager aufgeschlagen. Bei dem Ortstermin mit dabei waren auch der Nonnweiler Bürgermeister Hans-Uwe Schneider und die Grabungstechnikerinnen Katharina Wieland (Mitte) und Hanne Comann (Zweite von rechts). TV-Foto: Axel Munsteiner

Hermeskeil. Archäologie ist zwar bekanntlich eine anerkannte Wissenschaft und alles andere als reine Glückssache. Dennoch: Vieles wäre der Nachwelt für immer verborgen geblieben, wenn nicht von Zeit zu Zeit den Männern und Frauen, die in unserer Vergangenheit graben, Kommissar Zufall behilflich gewesen wäre. So zuletzt geschehen in Hermeskeil. In Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Landesmuseum in Trier haben die saarländischen Forscher der Terrex GmbH eine zweite Sondierungsgrabung im Hermeskeiler Grafenwald vorgenommen. Dort, in unmittelbarer Nähe des Waldstadions und am höchsten Punkt von Hermeskeil, befinden sich mysteriöse Erdwälle, die ein 400 mal 380 Meter großes Arreal eingrenzen. Sie sind zwar seit altersher bekannt, wurden vorher aber noch nie wissenschaftlich untersucht. Ton-Amphore aus der Zeit des Kaisers Augustus

Eineinhalb Jahre nach ihrer ersten Felduntersuchung (der TV berichtete) haben die Terrex-Forscher um Grabungsleiter Thomas Fritsch erneut zwei kleinere Flächen freigelegt und an einer Stelle direkt am Erdwall einen Spitzgraben ausgehoben. "Massive Holzkohle-Vorkommnisse" sind dabei zu Tage getreten, berichtet Fritsch. "Sie könnten beispielsweise von einem verbrannten Brett stammen." Dieser Fund ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil von diesem Material eine Probe genommen wurde, die mit Hilfe der so genannten C14-Methode in Trier analysiert werden kann. "Nach dieser Untersuchung können wir die Entstehung der Anlage auf plus minus zehn Jahre bestimmen", sagt Fritsch. Schon im Herbst 2005 waren sich die Experten fast sicher, dass der Wall von Menschenhand aufgeschüttet wurde, auf dem danach Palisaden errichtet wurden. Unklar war jedoch der Verwendungszweck: Hatten die Römer dort einst ein Heerlager aufgeschlagen oder war es vielmehr der umwehrte Gutshof eines keltischen Adligen? Diese Frage kann Fritsch jetzt beantworten, weil ihm und den beiden Grabungstechnikerinnen Hanne Comann und Katharina Wieland der eingangs erwähnte Zufall zu Hilfe kam. Als sie am Erdwall schaufelten, schaute ihnen plötzlich der Mündungshals einer großen Tonamphore entgegen. Bei dem Überbleibsel handelt es sich eindeutig um ein römisches Produkt aus der Zeit des Kaisers Augustus (63 vor bis 14 nach Christus), sagt Fritsch und sieht sich damit in seiner Hypothese bestätigt. "Wir bewegen uns damit genau in dem zeitlichen Horizont, den wir angenommen haben, nämlich kurz nachdem die Kelten den Ringwall bei Otzenhausen verlassen haben." Nachweislich bis 53 vor Christus hatte der Stamm der Treverer den nur ein paar Kilometer entfernten Ringwall besiedelt. In der Folge waren wiederholt Aufstände gegen die römische Besatzungsmacht ausgebrochen. Fritsch vertritt deshalb die Theorie, "dass die Römer hier ein Militärlager zur Überwachung der Region errichtet haben". Der Standort dafür sei ideal gewählt, da Hermeskeil in antiker Zeit Kreuzungspunkt von mehreren Straßen war. Noch viele Fragen offen

Legt man die Größe der Anlage zugrunde, dann rechnet Fritsch damit, dass sie "für mindestens eine Legion, also 3000 Mann", ausgelegt war. Gleichwohl bleiben für den Forscher noch viele offene Fragen. So lasse sich noch nicht sagen, wie lange in dem Militärlager Soldaten stationiert waren. "Manchmal haben die Römer diese Anlagen nur für zwei oder drei Tage belegt", sagt Fritsch. Um Licht ins Dunkel zu bringen, müsste auf einer größeren Fläche gegraben werden. "Dann könnten wir möglicherweise massive Bauten und Konstruktionen finden, die auf eine längere Inanspruchnahme hindeuten." Die Arbeiten erfordern aber einen größeren finanziellen Aufwand, der zurzeit wohl nicht geleistet werden kann.STICHWORT "Terrex" Die Terrex GmbH wurde im Jahr 2001 gegründet und hat sich die Pflege der keltischen und römischen Bodendenkmäler im saarländischen Landkreis St. Wendel zum Ziel gesetzt. Die GmbH betreut unter anderem die beiden Projekte "Römischer Vicus Wareswald" in der Nähe von Tholey und "Keltischer Ringwall von Otzenhausen". Gesellschafter der Terrex sind der Landkreis St. Wendel sowie die saarländischen Gemeinden Nonnweiler, Marpingen, Oberthal und Tholey. Dass saarländische Forscher auf rheinland-pfälzischem Boden graben, ist für den Bürgermeister der Gemeinde Nonnweiler, Hans-Uwe Schneider, eine Selbstverständlichkeit. "Es ist ein Zeichen für eine gute Kooperation. Wir sehen einen engen historischen Zusammenhang zwischen der Hermeskeiler Anlage und dem Ringwall, und für uns steht die Sache im Vordergrund. Die Kelten und Römer haben die heutigen Landesgrenzen ja nicht gekannt." (ax)

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