Kein Bürgerentscheid in Gusenburg

Gusenburg · Der Gemeinderat lässt ein Begehren gegen den Bau von Windrädern auf der Grendericher Höhe nicht zu. Ausschlaggebend war vor allem ein Argument.

Gusenburg Etwa 30 Zuhörer wollen am Montagabend im Bürgerhaus mitverfolgen, wie der Gemeinderat mit einem eingereichten Bürgerbegehren umgeht. "Das ist eine außergewöhnlich große Kulisse heute", stellt Ortsbürgermeister Josef Barthen (FWG) fest. Knapp anderthalb Stunden später ist klar, dass die Gusenburger Bürger über den Bau von vier Windrädern auf der Grendericher Höhe nicht abstimmen werden.

Ausgangslage Die Arbeitsgemeinschaft (AG) Lebenswertes Gusenburg wollte einen Bürgerentscheid erreichen. Dafür sammelten die etwa 20 Bürger 147 gültige Unterschriften im Ort - mehr als die gesetzlich geforderte Zahl (hier 85). Nun musste der Gemeinderat entscheiden, ob er das Begehren zulässt. Das kann verwehrt werden, wenn etwa gegen höheres Recht verstoßen würde. Erst im zweiten Schritt berät der Rat, ob er dem Bürgerwunsch entspricht, oder die Sache per Bürgerentscheid geklärt werden muss.
Die Ortsgemeinde hatte zuvor eine Stellungnahme bei Rechtsanwalt Reinhard Hendler beauftragt, der die Verbandsgemeinde (VG) Hermeskeil bei deren Windkraftplanung berät. Aus seiner Sicht sprechen mehrere rechtliche Gründe für die Unzulässigkeit des Begehrens (TV von Montag).

Argumente für den Bürgerentscheid Für die AG sprach Anette Müller-Bungert. Sie appellierte eindringlich an den Rat, einen Entscheid zuzulassen. Seit einer Umfrage von 2010, bei der eine Mehrheit der Dorfbewohner Windkraft in Gusenburg befürwortet habe, sei viel passiert. Viele Bürger wollten nochmals ihre Meinung äußern. Dass das Begehren nun nicht zulässig sein solle, kritisierte Müller-Bungert. Die Verwaltung selbst habe es im Vorfeld geprüft. Der Autor der Stellungnahme stehe "klar auf der Seite der Windkraftbefürworter" und sei daher "befangen".
Martin Weiß setzte sich - stellvertretend für die erkrankte AG-Initiatorin Agnes Weiß - kritisch mit Hendlers Schreiben auseinander. Dieses zu beauftragen, könne man "fast als Mobilmachung gegen die eigenen Bürger" verstehen, sagte Weiß. Er wolle sich "nicht in Juristerei üben", aber es gebe auch eine andere "Lesart" der Stellungnahme. Hendler sehe eine Fristüberschreitung, weil sich das Bürgerbegehren gegen alte Ratsbeschlüsse von 2011 und 2012 richte. Diese seien aber durch Verträge mit den Investoren "längst umgesetzt" und könnten somit gar nicht "außer Kraft gesetzt" werden. Zudem gebe es keine Verträge ohne Kündigungsmöglichkeit "bei einem wichtigen Grund". Man müsse "eben nachverhandeln".
Die Gemeindeordnung schließe laut Hendler aus, dass sich Begehren gegen die Bauleitplanung einer Gemeinde - hier den Flächennutzungsplan (FNP) der VG - richteten. Der Grenderich sei aber eine weiße Fläche, sagte Weiß. Diesen Kniff hat die VG gewählt, damit Flächen, wo noch Vorbehalte gelten, für Investoren nicht tabu sind. Sie müssen dort beim Antrag für jedes Windrad nachweisen, dass keine Bedenken bestehen. Laut Weiß sind die weißen Flächen nicht Teil des FNP, das Begehren greife ihn daher nicht an.

Das sagt der VG-Chef Bürgermeister Michael Hülpes (CDU) sagte, man könne der Stellungnahme keine "Tendenziösität" unterstellen. Sie weise auf rechtliche Probleme hin. Die weißen Flächen seien aktuell nicht Teil des FNP, würden aber darin aufgenommen, sobald die nötigen Nachweise erbracht seien. Stärker ins Gewicht fielen die "finanziellen Aspekte für die Ortsgemeinde". Kämen die Räder am Grenderich nicht, gingen bei 25 Jahren Laufzeit insgesamt sechs Millionen Euro Pachteinnahmen verloren. Zudem seien "rechtliche Probleme" mit dem Investor zu erwarten, da der Vertrag weiter gelte. Man müsse mit Regressforderungen rechnen. Der Rat könne das Begehren dennoch zulassen, müsse dann aber "diese Dinge in Kauf nehmen".

Position des Rats Laut Ortschef Josef Barthen gab es Zweifel, dass das Begehren in dieser Form zulässig ist. Deshalb habe man die Stellungnahme beauftragt. Thomas Köhl (Bürger für Gusenburg) erklärte: "Wir verschließen uns nicht gegen ein Bürgerbegehren. Aber die Zulässigkeit steht für uns stark infrage." Er habe ein Problem damit, dass die Gemeinde "quasi Rechtsbruch begehen" solle. Der Rat votierte einstimmig (eine Enthaltung) dafür, das Begehren als unzulässig abzuweisen.

Reaktion Agnes Weiß erklärt am Dienstag im Namen der AG: "Für uns ist das letzte Wort nicht gesprochen." Der Rat habe die Chance verpasst, seine Entscheidung durch ein Bürgervotum "neu zu legitimieren". Die von Hendler kritisierten Punkte habe man alle bei der Verwaltung "explizit angesprochen", die aber damals "keinerlei Bedenken" geäußert habe. Weil niemand die Verträge mit dem Investor kenne, blieben Zweifel an der Höhe der angeblichen Einnahmen und finanziellen Folgen einer Vertragsauflösung.Meinung

Rat will das finanzielle Risiko nicht eingehen
Es war zu erahnen, dass der Gusenburger Gemeinderat nicht im Sinne des Bürgerbegehrens entscheiden würde. Denn die juristische Stellungnahme, die als Entscheidungshilfe dienen sollte, nennt mehrere Gründe, die an der Zulässigkeit des Begehrens zweifeln lassen. Aber nicht nur deshalb überrascht der Ratsbeschluss nicht. Die Ratsmitglieder hatten Bedenken, die von den Vertretern des Begehrens nicht entkräftet werden konnten. Zugegeben, dass die kritischen Punkte offenbar im Vorfeld von der Verwaltung nicht angesprochen wurden, hinterlässt einen Beigeschmack. Aber sollte man den Gusenburger Ratsmitgliedern deshalb nun vorwerfen, dass sie ihre Bürger nicht entscheiden lassen? Sie wurden gewählt, um stellvertretend für die Bürger Entscheidungen zum Wohle der Ortsgemeinde zu treffen. Das haben sie getan, als sie sich damals für Windräder stark machten. Dass so früh Verträge geschlossen wurden, obwohl die Planung erst begann, kann man kritisieren. Aber die Verträge sind nun einmal da. Zwar kennt die Öffentlichkeit keine Details. Finanzielle Folgen sind aber sicher zu erwarten, wenn die Gemeinde plötzlich aus der Sache raus will. Dieses Risiko will der Rat nicht eingehen. Das ist ebenso sein Recht, wie es das Recht der Bürger ist, Begehren einzureichen. c.weber@volksfreund.de

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