Kelten, Kleider, Leidenschaften

Naurath · Sie sind vergangen. Ihre sterblichen Überreste liegen in Hügelgräbern. Heute erinnert wenig an die stolzen Kelten. Doch Marled und Hans Mader lassen die Vergangenheit nicht ruhen. Sie färben, weben und schneidern wie einst.

 Schiffchen rein, Schiffchen raus: An ihrem Webstuhl im Wohnzimmer webt Marled Mader an einem Schultertuch. TV-Fotos (4): Verona Kerl

Schiffchen rein, Schiffchen raus: An ihrem Webstuhl im Wohnzimmer webt Marled Mader an einem Schultertuch. TV-Fotos (4): Verona Kerl

Foto: (h_hochw )

Naurath Marled Mader spinnt. Geschickt ziehen die Finger ihrer linken Hand Rohwolle aus dem Rocken. Dabei zwirbelt sie mit der Rechten unablässig das Garn zu einem gleichmäßigen Faden. Der wiederum muss sich um die Spindel wickeln, die sich konstant dreht. Es dauert lange, bis Marled einen Knäuel handgesponnene Wolle in ihren Korb legen kann. Und für ein selbstgewebtes Kleidungsstück braucht sie viele Knäuel. "Weil das so aufwendig ist, mache ich das nur für mich", gibt sie zu. Ihr Mann Hans färbt, während seine Frau die Wolle zu Textilien weiterverarbeitet. So, wie es einst die Kelten taten. Archäotechnik nennt sich das in der Fachsprache. Nicht umsonst sind die beiden pensionierten Lehrer Marled und Hans Mader aus Naurath engagierte Mitglieder im Verein Keltischer Ringwall Otzenhausen - Verein zur Förderung der Archäologie im Hochwald.
"Ich finde es schade, wenn das Wissen, das Menschen über Jahrtausende hinweg angesammelt haben, verloren geht", meint Marled Mader. "Wenn man überlegt, was das für ein Prozess ist, ein Kleidungsstück herzustellen."
In der Tat ist die Liste der Materialien, mit denen Menschen früher gesponnen haben, bemerkenswert: Flachs, Leinen, Hanf, Nesseln, Tierhaare, Seide und eben Wolle. Ebenso erfinderisch waren sie, wenn es ums Färben ging. Die Pflanze Waid etwa färbt Fasern blau. "Das wächst wild in Weingärten. Ist aber nur halb so ergiebig und doppelt so teuer wie Indigo, das aus Indien stammt. Und vor allem: Waid stinkt", wirft Hans Mader ein. Einen angenehmeren Duft verströmen die Wurzel Krapp (rot), die gemeine Walnuss (braun), die Pflanze Wau, auch Färberresede genannt (Goldton), oder Birkenblätter (gelb). Kermes, simple Schildläuse, benutzten die Kelten, um fürstliches Rot herzustellen, eine Praxis, die heute noch im Orient angewendet wird. Doch auf Schildlaus-Rot verzichten die Maders ebenso wie auf Purpurrot, das aus der Purpurschnecke gewonnen wird (ein Gramm kostet 2800 Euro). Meistens kaufen sie die Pflanzenfarben, obwohl sich Marled bereits überlegt, Waid selbst anzubauen: "Viele Menschen mögen keine Textilien auf der Haut, die mit chemischen Giften behandelt wurden, und bevorzugen Pflanzenfarben."
Der Markt für diese besonderen Stoffe, die Marled Mader auf Kundenwunsch webt und aus denen sie auch Hosen, Hemden, Rechteckmäntel, Blusen oder Röcke schneidert, wächst. Abnehmer für ihre Kleidungsstücke, die an historische Funde von der Eisenzeit bis zum Frühmittelalter angelehnt sind, kommen aus Deutschland, Griechenland, Belgien und sogar aus Kanada. Sonderwünsche wie Spinnrichtungsmuster, Schleiertücher mit eingewebter Brettchenborte oder spezielle Webtechniken betrachten die Maders als persönliche Herausforderung. Zurzeit arbeitet Marled an einer etruskischen Tebenna, einem Halbrundmantel. "Ich glaube, das ist der Erste, der nachgemacht wird, weil sich noch niemand an die Rundung getraut hat", bemerkt Hans stolz. Keine Überraschung. Selbst gewebt und gefärbt liegt der leuchtend blaue Stoff unter einem sogenannten Brettchenwebstuhl. Es fehlt nur noch die weiß-rote Borte. Die wird in einem komplizierten Verfahren an den Stoff gewebt. Wochen hat Marled für wenige Zentimeter gebraucht. Längst hat sie mittlerweile ihre beiden Lehrmeisterinnen übertroffen. Zwei alte Frauen aus Naurath brachten Marled in den 1970er Jahren das Spinnen bei, als diese mit Islandpferden und Milchschafen in den Hochwald zog. "Da habe ich viel Wolle gehabt. Und so fing ich mit einem Spinnrad aus Beuren an. Später kam dann das Färben hinzu."
Die besondere Beziehung zu den Kelten rührt allerdings von den Ausgrabungen der Bescheider Hügelgräber. Marled Maders erster Mann half von 1977 bis 79 dem Landesmuseum Trier. "Jedes Mal, wenn ich dort vorbeigefahren bin, habe ich mich gefragt, wie die Menschen damals gelebt haben in kalten Wintern oder wenn es wochenlang regnete. In diesen Gräbern fanden die Archäologen noch Reste von Textilien. Damals habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren."
Der Kreis derer, die sich für diese alten Techniken begeistern, wird stetig größer. Vor allem Frauen pilgern zu Handspindel-Kursen nach Bernkastel-Kues (Kreis Bernkastel-Wittlich), andere holen die Spinnräder ihrer Großmütter wieder zum Vorschein. Auch die Workshops, die die Maders an sechs Samstagen im Jahr im Keltenpark Otzenhausen anbieten, sind stets gut besucht. Für Marled der Beweis dafür, dass sich viele Menschen nach einem ursprünglichen Leben sehnen. So wie sie selbst.
Eine andere Liebe heißt daher Island. Dort steht eine alte Schule, in der junge Frauen und Mädchen bis in die 70er Jahre gelernt haben, einen Haushalt zu führen, Weben inklusive. Heute wird dort wieder unterrichtet. Alte Webtechniken und Rekonstruktionen alter Textilien. Ein Eldorado für Marled Mader, die zurzeit dort vier Wochen lang wohnt, um sich fortzubilden und zu lehren. Am Ende ihrer Reise kauft sie einige Säcke Islandwolle. Die habe eine außerordentliche Qualität, schwärmt sie. Bestimmt aber schwirrt ihr der Kopf vor neuen Ideen. Auf Hans Mader wartet viel Arbeit.
Mehr Fotos finden Sie unter
www.volksfreund.de/fotosWER WAREN DIE KELTEN?

Extra

Als Kelten bezeichnet man Volksgruppen in der Eisenzeit (Beginn um 800 vor Christus bis Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus) in Mitteleuropa. Leider gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Deshalb sind Forscher stark auf Ausgrabungen angewiesen, um einen Einblick in die keltische Gesellschaft und das keltische Leben zu gewinnen. Reste befestigter Plätze der keltischen Treverer konnten auf dem Felsplateau bei Kastel, in der Umgebung von Kordel (Hochburg, Korpesley und Burgberg) und auf einer Bergzunge bei Schleidweiler lokalisiert werden. Reste eisenzeitlicher Hügelgräber lassen sich an verschiedenen Orten erkennen, so am Hübel in Thomm (Kreis Trier-Saarburg) oder in Rascheid (Kreis Trier-Saarburg).

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