Gastronomie Die Küche ist Rüssels Revier

Naurath/Wald · Am 2. Oktober 1992 begann für Harald und Ruth Rüssel eine neue Zeitrechnung. An diesem Tag öffneten sie den Gästen die Türen zu ihrem eigenen Hotel-Restaurant, dem Landhaus St. Urban in Naurath/Wald. Seitdem ist viel passiert.

 RÜSSELs Landhaus St. Urban. Ruth und Harald Rüssel  Foto: Friedemann Vetter

RÜSSELs Landhaus St. Urban. Ruth und Harald Rüssel Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter

Winternebel hängt in zähen Schwaden am Berg und lichtet sich erst unten im Tal. Am Waldrand tollen zwei junge Rehe übermütig umher, nicht unweit von einem toten Fuchs am Straßenrand – von einem Auto erwischt auf der Pirsch. Landleben. Wer die raue Schönheit des Winters im Hochwald nicht mag, muss im Sommer wiederkommen. Dann quaken Frösche am Teich, summen Insekten, grasen Kühe  auf fetten Weiden.

Fern der Großstadt und mitten in der Natur haben sich Harald und Ruth Rüssel vor 25 Jahren ihren Traum erfüllt und die alte Robertsmühle in Naurath gekauft. Ein kleines Landgut umgeben von Wald, Wiesen und Bächen. Ein gastliches Restaurant. Ein Heim für die Familie. Ein Ort zum Durchatmen.

Nachdem sie acht Monate in den Um- und Ausbau gesteckt hatten, feierten sie dort zunächst ihre eigene Hochzeit und starteten durch: mit einem Restaurant, zehn Zimmern, einem Koch, einer Kellnerin und einem „Mädchen für alles“. Auf der Speisekarte des Landhauses St.Urban standen deutsch-französische Gerichte. „Ich wollte einen Mix aus den Stilen meiner ehemaligen Küchenchefs. Und ich wollte einen Stern erkochen“, erinnert sich Harald Rüssel. Der „Stern“ des renommierten Restaurantführers Guide Michelin ließ nicht lange auf sich warten. Bereits im November 1993 prangte die begehrte Auszeichnung an der Eingangstür. Bis heute. Sein Personal hat der 52-Jährige seither allerdings etwas aufgestockt. „25 Personen sitzen bei unserer Weihnachtsfeier, darunter sieben Köche und zwei Kochazubis.“

Einer davon ist der 18-jährige Jean-Luc Petermann. Schon früh hat er seinen Eltern, die ein Sternerestaurant in Lübeck betreiben, in die Töpfe geschaut. „Meine Eltern sind mit der Familie Rüssel befreundet, und so habe ich hier erst einmal ein Praktikum gemacht. Der Zusammenhalt im Team hat mir sehr gut gefallen. Auch, dass mit regionalen Produkten gearbeitet wird.“

Auf die Idee, hauptsächlich mit regionalen Produkten zu kochen, kam Harald Rüssel nach einer Aktion, die er „Hiesiges vom Feinsten“ nannte und dazu den ehemaligen Drei-Sterne-Koch Dieter Müller einlud. „Das beste Produkt hat den kürzesten Weg in die Küche“, ist Rüssel überzeugt. Dafür kauft er Ziegenkäse in Herl, Kartoffeln und Gemüse in Bekond, Geflügel in Serrig und Rindfleisch in Mandern. Das Wild erlegt der Küchenchef selbst. Sollte er aber mal verhindert sein, könnten seine beiden Söhne einspringen, der 23 Jahre alte Max und Frederik, der 16-Jährige – er allerdings nur unter Aufsicht ähnlich wie beim Führerschein. Selbst Küchenazubi Petermann besitzt einen Jagdschein. Beruhigend für die Gäste also, dass Wildbret in Rüssels Landhaus – wie es sich heute nennt – so schnell nicht ausgeht.

Das ländliche Idyll samt erlesenen Speisen lockt Gäste, die entspannen, genießen oder spazieren gehen wollen: Luxemburger, Saarländer, Kölner und Altbundeskanzler. Vor nicht allzu langer Zeit spazierte Gerhard Schröder samt Lebensgefährtin und Bodyguards ins Rüsselsche Landhaus und ließ es sich schmecken. Ebenso wie Komiker Otto Waalkes, der in schöner Regelmäßigkeit in Naurath speist, oder Fernsehmoderator und Kanzemer Winzer Günther Jauch.

Allerdings füllen Prominente auf Dauer kein Restaurant. Jedenfalls nicht im Hochwald. Rüssel verfolgt da eine einfache Philosophie: „Ich bin nicht nur Koch, ich bin Gastwirt. Gastfreundschaft steht bei uns an oberster Stelle. Man darf seine Gäste überraschen, muss aber seinem Stil treu bleiben.“ Besonders, wenn man „hinterm Berg“ wohne, betont er grinsend. Da müsse man stets etwas besser sein als die anderen. Daher eröffnete er vor fünf Jahren mit Ehefrau Ruth, einer gelernten Hotelfachfrau, sein Zweitrestaurant, das „Hasenpfeffer“, gleich neben dem Gourmetrestaurant. „Es gibt in der Region wenig bürgerliche Restaurants, die zünftig kochen. Anders als in Baden-Württemberg oder Bayern. Ich meine Gerichte wie Wildwürstchen und Spiegelei, Rehpaté, Wildschinken.“

Damit das Marketing läuft, schreibt Harald Rüssel Kochbücher, war jahrelang Präsident der deutschen Sektion von „Jeunes Restaurateurs d’Europe“ (Verbund junger Sterneköche, die sich auf Nachwuchsförderung, beste Qualität, Perfektion und Verantwortung verstehen), kochte gemeinsam mit Autor und Moderator Manuel Andrack vier Staffeln lang in der Sendung „2 Mann für alle Gänge“, kreierte seinen eigenen Gin und entwickelte mit einer Firma in Solingen Messer mit Griffen aus heimischen Fassdauben.

Erstaunlich, dass dabei die Familie nicht zu kurz kommt. Zwei Ruhetage pro Woche, zwei Tage frei vor den hektischen Weihnachtstagen und natürlich Urlaub gönnen die Rüssels sich selbst und ihren Angestellten. Ruth und Harald Rüssel ziehen da an einem Strang, sind ein eingespieltes Team und echte Vorbilder für die Kinder Max (23), Frederik (16) und Helena (21 Jahre). Max arbeitet als Koch in der Küche seines Vaters, während Frederik ein Praktikum in einem Sterne-Restaurant macht. Die Nachfolge von Rüssels Landhaus im idyllischen Bachtal der kleinen Dhron scheint damit gesichert.

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